Wädenswil

Wädenswiler Zimmermann in Kanada – Teil I

Der 21-jährige Zimmermann Jerôme Flüeler wagt den Schritt über den grossen Teich: In Kanada arbeitet er die nächsten 18 Monate für eine Zimmerei in Gibsons. Nun heisst es, die Koffer zu packen.

«Schon in der Lehre habe ich Witze gerissen, dass ich nach Kanada möchte», sagt der gelernte Zimmermann und lacht. Was lange ein Wunsch geblieben ist, hat nun Gestalt angenommen. «Etwa ein Dreivierteljahr habe ich gesucht», erzählt er. Einen geeigneten Ort zu finden sei gar nicht so einfach gewesen. Schliesslich hat der Tipp eines Kollegen zum Ziel geführt: Eine internationale Facebook-Gruppe hat den Kontakt über den Atlantik möglich gemacht. «Plötzlich ging alles ganz schnell», erinnert sich Flüeler, «innerhalb eines Monats hatte ich Zusage, Arbeitsvertrag und Unterkunft!» Das Angebot der Firma Waser AG für eine Festanstellung hat er deshalb Ende Jahr dankend abgelehnt. Das, obwohl er die Arbeit für die Zimmerei in den rund fünf Jahren, in der er für sie gearbeitet hat, sehr geschätzt hat. «Ich mag die vielseitige Arbeit sehr, mir wurde in dieser Zeit viel Vertrauen geschenkt und ich wurde auch immer wieder gefördert», erzählt der 21-Jährige. «Ausserdem ist es ein tolles Team!» Trotzdem hat sich der junge Mann gegen das Angebot und für das Abenteuer Kanada entschieden. 

Begeisterung für sein Handwerk bleibt
Wenn auch in einem fremden Land: der Begeisterung für sein Handwerk bleibt er treu. Die Arbeit mit Holz und was man alles damit anstellen könne habe ihn schon immer fasziniert, sagt Flüeler. In Gibsons erwartet ihn sowohl gewohnte Arbeit im Holzbau, als auch die Möglichkeit, Einblick in den Bau von Blockhäusern zu erhalten. «Die Möglichkeit, im Blockhausbau etwas zu lernen, wäre natürlich super!», fügt er an. Er rechnet aber nicht damit. Diese Sparte im Holzbau setze viel Erfahrung voraus, Erfahrung, die der junge Zimmermann nicht mitbringt. Blockhütten sind aber auch nicht der Grund, der ihn ins Ausland treibt. «Irgendwie fehlt mir hier etwas», sagt er nachdenklich, «die Schweizer Mentalität ist mir oft zu bürokratisch und engt mich ein.» Freiraum ist das, was der 21-Jährige sich von Kanada erhofft: «Ich freue mich auf die offene und freundliche kanadische Art!» Ob die Vorstellungen sich in der Realität bestätigen werden, wird sich zeigen. Sicher ist sich Flüeler darin, dass seine eigenen Vorlieben gut in das nordamerikanische Land passen. «Ich fische wahnsinnig gern, aber hier in der Schweiz ist das nicht so aufregend», erklärt er. «Ausserdem interessiere ich mich sehr für Pickups.» Auch das ein Gefährt, welches auf kanadischen Strassen öfters den Weg kreuzt als in der Schweiz. 

Losziehen heisst auch loslassen
Für Flüeler, der bis anhin nur im europäischen Raum reiste, ist der Schritt auf einen anderen Kontinenten gross. Der junge Zimmermann freut sich darauf, Neues kennenzulernen. Natürlich gebe es auch Momente, die ihn wehmütig stimmen würden, sagt Flüeler, schliesslich lasse er Familie und Freunde hier in der Schweiz zurück. «Wer mir vielleicht am meisten fehlen wird, ist mein Grossvater», fügt er an. Dieser sei selbst für ein Praktikum in der ehemaligen Wädenswiler Cardinal-Brauerei aus Deutschland zugezogen und geblieben. Er steht seinem Enkel heute oft mit Rat und Tat zur Seite, auch im Hinblick auf seine baldige Reise. Der Koffer dafür ist noch nicht gepackt, noch ist auch nicht klar, womit ihn der Reisende füllt. Was aber sicher Platz darin finden wird, ist die Schweizer Flagge mit Unterschriften seiner Familie und allen Kollegen, die seinen Abschied mit ihm gefeiert haben. «Schliesslich lasse ich hier, wo ich mein bisheriges Leben verbracht habe, auch viel zurück», sagt er, «da ist es schön, eine Erinnerung dabei zu haben.» Ob Flüeler neben einem geeigneten Platz für die Flagge auch den idealen Ort für sich selbst findet, wird sich zeigen. Zu wünschen ist es ihm allemal.  Susanna Valentin

Der Wädenswiler Anzeiger wird in unregelmässigen Abständen über Jerôme Flüelers Leben in Kanada berichten. 

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