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„Als ob ich alles zum ersten mal sehe“ – Teil VII (letzter Teil)

Der Zimmermann Jerôme Flüeler ist nach eineinhalb Jahren Auslandaufenthalt zurück in Wädenswil. Während der Schweizer Alltag wieder Fahrt aufnimmt, bleibt die Faszination für Kanada. 

Text & Bild: Susanna Valentin

Da steht er, den Blick auf den See, das Sonnenlicht verspricht einen goldenen Herbsttag. Er, ein junger Mann, der mit neuen Erfahrungen nach eineinhalb Jahren in Kanada in die Schweiz zurückgekehrt ist. «In den ersten Tagen meiner Rückkehr schaute ich alles an, als ob ich es das erste Mal sehen würde», sagt Jerôme Flüeler. Eine Antwort, die er auch seiner Mutter gab, als diese wissen wollte, wie er Wädenswil – den Ort, an dem er aufgewachsen ist – nach so langer Abwesenheit empfinde. Seine Mutter war es auch, die ihn am 6. September vom Flughafen abgeholt hat. Corona hat wie bei so vielem auch hier einen grösseren Empfang vereitelt. Der 23-jährige Zimmermann ist aber auch nicht der Typ für grosse Anlässe. So gesellig er gern immer wieder ist, genauso braucht er Zeit und Ruhe für sich und seine Gedanken. Etwas, das er vor eineinhalb Jahren in Kanada zu finden hoffte. Nun steht er wieder am Zürichseeufer. Was hat sich für ihn geändert?

«Vor meiner Abreise stand ich an im Leben, ich wollte mich mal rausnehmen, ein neues Land kennenlernen und schauen, wohin mein Weg führen soll», beschreibt Flüeler den Auslöser seines Auslandaufenthaltes. Kanada hat ihn schon immer gereizt. Die Natur, die unberührt scheinende Weite, die Stille: für ihn ein Lockruf. Genauso hat er das Nordamerikanische Land erlebt. «Beim Fliegenfischen kann man einen halben Tag den Fluss hochgehen, als ob man alleine auf der Welt wäre», schwärmt er. Fahre man vier Stunden mit dem Auto auf der Landstrasse, kreuze einen niemand. Für den jungen Zimmermann liegt darin nach wie vor eine grosse Faszination. Unzählige Landschaftsbilder auf seinen Kamera-Speicherkarten zeugen davon. 

Ohne Maschinen viel gelernt

In dieser Landschaft etwas auf die Beine stellen zu können, war für ihn als Zimmermann ebenso verlockend. Holz als Baumaterial, in Kanada keine Mangelware. So wird auch gebaut. «Holz hat eine Lebensdauer; es geht kaputt, aber es gibt genug», führt er aus. «Mit diesem Hintergedanken bauen Kanadier auch.» Sei etwas reparaturbedürftig, mache man es einfach neu. Der 23-Jährige hat als Angestellter der Kanadischen Firma West Coast Log Homes einiges gelernt. Musste er sich zuerst an etwas andere Bauvorschriften als in der Schweiz gewöhnen, profitierte er dafür in handwerklicher Hinsicht. «Die Unternehmen hier sind top ausgerüstet, oft muss nur noch ein Knopf an der Maschine gedrückt werden», erklärt er. Anders in Kanada. Vieles entsteht in Handarbeit und wird von der Pike auf gelernt und ausgeführt. Eingeprägt hat sich dem jungen Handwerker, dass auch mit einfachen Voraussetzungen dasselbe Resultat erzielt werden kann. 

Nicht nur bei der Arbeit, auch privat lebte der junge Mann unter neuen Voraussetzungen. «Ich bin in dieser Zeit selbständig geworden», sagt er und schmunzelt. Wenn nach einem 10-Stunden-Tag die Wohnung geputzt werden musste, habe er das halt gemacht; die Musik laut aufgedreht und durch die eigenen vier Wände gefegt. «Zum Glück hatte ich nur eine ganz kleine Wohnung», sagt er verschmitzt und lacht. 

Alter Alltag, neue Pläne

Nach der kleinen Wohnung denkt er nun wieder grösser. Die ersten zwei Wochen fühlten sich noch wie Ferien an, dann kam der Wendepunkt. «Ich wollte mein Leben wieder in die Hand nehmen und weiterdenken», sagt er bestimmt. Gesagt, getan: Kurzerhand sprang er in der Schreinerei seines Vaters ein, dann folgten Bewerbungsgespräche. Jetzt steht die Zusage eines Betriebes in Kaltbrunn, der auch Weiterbildungsmöglichkeiten bietet. «Ich möchte weiterkommen, Gelerntes umsetzen und Verantwortung übernehmen», beschreibt er seine bewusste Stellensuche. Ziele, die er nun weiterverfolgt. 

Und Kanada? «Ich fliege sicher wieder hin!», antwortet Jerôme Flüeler, zu schön sei das Land und zu wichtig die neuen Freundschaften, die auf der anderen Seite des Atlantiks entstanden seien, um dies nicht zu tun. Auch wenn der Alltag nun in der Schweiz weitergeht, die Faszination für das Land und dessen Möglichkeiten bleibt.  n

Dies war der 7. und letzte Teil der Serie zu Jerôme Flüelers Arbeitsaufenthalt in Kanada. 

Hier geht es zu Teil I
Hier geht es zu Teil II
Hier geht es zu Teil III
Hier geht es zu Teil IV
Hier geht es zu Teil V
Hier geht es zu Teil VI

www.westcoastloghomes.com

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