Richterswil

Amphibienrettung – für jeden leicht gemacht

In Abwasserschächten finden sich immer wieder Amphibien, denen es ohne Ausstiegshilfe nicht möglich ist, dieser tödlichen Falle zu entrinnen. Es gäbe aber einfache und kostengünstige Lösungen zur Rettung der kleinen Tiere.

Text: Reni Bircher
Bilder: Guido Bircher / Mario Lippuner

Amphibien, wie Frösche, Kröten, Salamander, aber auch Blindschleichen, gelangen vor allem in Abwasserschächte, deren Rost breite Schlitze aufweisen. Aber auch grossgittrige Licht- und Kellerschächte werden den kleinen Wirbeltieren zum Verhängnis. Einmal im Schacht, gibt es für sie keine Möglichkeit mehr, ins Ökosystem zurückzugelangen. Sie verhungern und vertrocknen im Lichtschacht, während sie im Abwassersystem bei der Schachtreinigung abgesaugt werden und im Kanalisationssystem oder in der Kläranlage enden. Eine hohe Anzahl verendeter Tiere könnten üble Gerüche und allenfalls einen Rückstau in unterirdischen Ableitungen und Überläufen von Gewässern und Bächen verursachen.
Simple Massnahmen von Privaten, aber auch an expliziten Stellen im öffentlichen Raum, könnten den Tieren das Leben retten. Ein Gespräch mit dem Geschäftsleiter der örtlichen Kanalreinigung, Hans Jörg Huber, sowie dem Naturschutz Richterswil-Samstagern, zeigt auf, welche Erfahrungen, Probleme und Lösungsansätze es beim Thema Amphibienschutz gibt:

Was hat den Naturschutz bewogen, sich in diesem Herbst dem Amphibienschutz anzunehmen?
Naturschutz Richterswil-Samstagern: Ein persönliches Erlebnis trug zum vertieften Thema Amphibienschutz bei. Die Kanalspülung auf privatem Grund wurde fällig, der Kanalreiniger aufgeboten. Der glückliche Zufall wollte, dass eine Kröte, bevor der Absaugschlauch angelassen wurde, von den Mitarbeitern entdeckt und gerettet werden konnte. Sie fiel irgendwann unbemerkt in den Schacht. Eine Selbstrettung war unmöglich. Dies veranlasste uns, den Fokus auch auf private Schächte und Rohre zu lenken und der Bevölkerung mittels Zeitungsartikel einen Eindruck zu vermitteln, was für stille Tragödien sich ums eigene Haus abspielen. Das Schöne ist, dass die Hauseigentümerschaft mit kleinem Aufwand ganz viel bewirken und so das Amphibiensterben in den eigenen Schächten stoppen kann.

Wie wollt ihr die Öffentlichkeit ­diesbezüglich sensibilisieren?
NSRS: Wir profitieren vom kommenden Herbstmarkt, der am 29. Oktober stattfindet. Dieser dient uns als Informationsplattform und gibt uns die grossartige Gelegenheit, den Besuchern das Thema näher zu bringen. Interessierte haben die Möglichkeit, sich die verschiedenen Ausstiegsmöglichkeiten erklären zu lassen. Durch das Anschauungsmaterial bekommt der Besucher sicher auch einen Eindruck der diversen Ausstiegshilfen. Wenn die Materiallieferungen zeitnah klappen, so bieten wir die Ausstiegshilfen auch zum Direktkauf an. Natürlich findet der Interessierte alle Informationen zum Thema und zum Selberbauen auf der Website der Karch, der Koordinationsstelle Amphibien Reptilien Schweiz, oder auf der Naturschutzseite.

Was ist die Hauptarbeit der Huber ­Kanalreinigung AG?
Hans Jörg Huber: Wir spülen auf Anfrage Abläufe durch, in denen sich Kalk und Schmutzstoffe absetzen. Das Spektrum reicht vom hausinternen Ablauf – das sind bei uns etwa 600 pro Jahr – bis hin zur grossen Hauptleitung einer Kommune. Der Hauseigentümerverband empfiehlt eine regelmässige Spülung der Leitungen, darum haben viele Private einen entsprechenden Vertrag mit uns.
Bei einer Industrie kann es mit hohen Konzentrationen an Schwermetallen belastete Schlämme haben, welche wir absaugen und entsprechend entsorgen müssen. Ebenso entsteht Schlamm bei Erdsondenbohrungen, wie sie zurzeit im Eiltempo erstellt werden – den entsorgen wir ebenfalls.
Mit unserem Kanalfernsehen ist es möglich, Probleme und Defekte zu orten und zu dokumentieren. Das Kanal-TV hat zu einer Qualitätssteigerung geführt, weil man gemerkt hat, dass die Werkzeuge gar nicht so effektiv arbeiten und reinigen, wie es nötig ist. Dank dieser Erkenntnis hat diesbezüglich ein Wandel stattgefunden. Wir führen auch Dichtheitskontrollen bei Leitungen aus, damit kein Schmutzwasser ins Grundwasser gelangt.

Wo entsorgt Ihr diese Schlämme?
HJH: Wir haben in Samstagern eine Entsorgungsanlage, wo Öle abgeschieden und Strassenschlamm entsorgt und von uns aufbereitet werden. Wenn wir unseren Job richtig machen, so arbeiten wir für den Umweltschutz.

Wie wird ein Abwasserkanal gereinigt?
HJH: Im Hochdruck-Wasserstrahlverfahren und einer für die betroffene Leitung spezifischen Düse. Schlamm aus einem Dolenschacht wird abgesaugt und entsorgt.

Begegnen den Mitarbeitern bei dieser ­Arbeit Amphibien, die sich in die ­Schächte verirrt haben?
HJH: In einem Dolenschacht befindet sich am Boden Schlamm, darüber Wasser und evtl. eine sehr feine Ölschicht vom Strassenverkehr. Dort finden wir natürlich auch Kleintiere, welche beim Reinigen eingesaugt werden.
In der Entsorgungsanlage Samstagern laden sechs weitere Mitbewerber ihre Strassensammler ab. Je nach Jahreszeit und Gebiet hat es dann sehr viele Tiere, vor allem Frösche und Kröten, aber auch Salamander, welche «mitentsorgt» werden. Am Abend gehen meine Mitarbeiter oder auch ich zur Anlage und lupfen mit einer Art Kelle mit langem Stiel die Tiere heraus. Einzelne setzen wir hinten auf der Wiese aus, mehrere Tiere bringen wir lieber zum nahegelegenen Riet.

Die Tiere leben noch, nachdem sie ­eingesaugt worden sind?
HJH: Amphibien sind tatsächlich unglaublich zäh, das fasziniert mich immer wieder.
Die grossen, modernen Lastwagen sind kleine Kläranlagen auf Rädern. In diesen sind unter anderem Flockungshilfsmittel enthalten, um das Strassenwasser zu reinigen, denn das ist voller Schwermetall. Das Flockungshilfsmittel funk­tioniert auf Ölbasis, das den Amphibien die Haut verklebt. Wenn wir die Tiere am Abend nicht retten, damit sie sich reinigen können, dann sind sie am nächsten Tag tot. Die Fortschritte, die zu Gunsten des Umweltschutzes eingesetzt werden, verlagern sich leider oft zu Lasten des Naturschutzes an andere Stellen.

Was für Möglichkeiten gibt es, die ­Schächte tiersicher zu machen?
NSRS: Wenn man von baulichen Massnahmen absieht, so können Licht- oder Kellerschächte mit feinen Drahtgittern gesichert werden, damit die Tiere gar nicht erst runterfallen. Bei Dolen würden sich Ausstiegshilfen, wie ein Lochblech oder eine Geotextilmatte, anbieten. An letzterer können sogar Blindschleichen wieder aus dem Schacht entfliehen.
HJH: Dolenschächte mit einem Pickellochdeckel sind wohl auch sicherer.

Seht Ihr bei der Reinigung solche ­Amphibienausstiegshilfen?
HJH: Ich persönlich habe bisher nur einmal eine Dole mit einer Geotextilmatte gesehen, habe aber gar nicht gewusst, wofür das ist.

Wo würde es sich lohnen, solche Ausstiegs­hilfen anzubringen?
NSRS: Wichtig ist, dass diese Hilfen bis zum Wasserlevel hinabreichen. Gerade bei privaten Gärten, wo es immer viel Getier gibt, würden sich solche Ausstiegshilfen lohnen.
HJH: Aber auch beim öffentlichen Strassennetz, welches durch spezifische Gebiete führt. Allerdings sind wir dort unter massivem Zeitdruck und dann muss es eine Vorrichtung sein, die uns bei der Arbeit nicht behindert und weder vorgängig entfernt noch nachher wieder ­grossartig installiert werden muss. Die Schulung des Personals, mit solchen Ausstiegshilfen richtig umzugehen, scheint mir kein Problem zu sein.

Welches sind die häufigsten Tiere, die Ihr im Schacht findet?
HJH: Tja, ich weiss gar nicht recht, wie man Frösche und Kröten unterscheidet …
NSRS: Kröten laufen, Frösche hüpfen …
HJH: Dann Kröten. Und massenhaft Spinnen. Mir ist mal eine in den Kragen gekrabbelt und weil ich zusammengezuckt bin, hat sie mich gebissen. Das war echt eklig! Manchmal sind in den Leitungen auch Mäuse drin.

Ratten?
HJH: Nein, die sind äusserst selten, denn die heutigen Leitungen sind aus besserem Material als früher. In der Stadt, wo die Leitungsrohre grösser sind, sieht das möglicherweise anders aus.

Was finden die Arbeiter denn sonst noch in den Schächten?
HJH: Schlüssel, je nach Quartier Spielsachen, Steine und Stöcke. Einmal haben wir eine halbe Schubkarre gefunden. Bei Neubauten finden wir ärgerlicherweise auch Keramikplättchen, Beton oder Holz im Schacht.

Kommt es zu Schäden in den Leitungen oder Schächten durch Amphibien?
HJH: Wir reinigen die Leitungen einer grossen Stadtsiedlung mit Weiher, wo sich hunderte Frösche tummeln, aber selbst dort habe ich nie Schäden gesehen, die sie verursacht hätten.
Wo bekommt man solche Ausstiegshilfen und wie schwierig ist es, solche in einem Schacht zu befestigen?
HJH: Am einfachsten wäre es, sie würden so am Deckel befestigt, dass sie einfach abzunehmen und wieder anzubringen ist.

NSRS: Montageanleitungen findet man auf der Homepage von karch.ch. Geotextilmatten bekommt man bei Anbietern wie Pro Natura oder im Baumarkt, und Lochblech ebenfalls beim Baumarkt oder beim örtlichen Metallhandwerker, gewisse Anbieter fertigen solche gar nach Mass.

Nach Prüfung der Ausstiegshilfen: welche würdest Du empfehlen?
HJH: Am einfachsten wäre es natürlich, die Schächte wären mit einer geraden Rinne zugänglich, dort kann das Getier selbstständig rein und wieder raus. Für mich machen die Geotextilmatte wohl am meisten Sinn. Sie scheinen robust zu sein und leicht zu reinigen. n

Angeregt durch dieses Gespräch hat Hans Jörg Huber inzwischen die gewonnenen Informationen des Naturschutzes dem Ausbildungsdachverband für Kanalreiniger, Fernsehoperator und Sanierer weitergeleitet, damit künftig die Auszubildenden über den Amphibienschutz orientiert werden.

Persönliche Informationen und der Kauf von Amphibienausstiegshilfen sind während dem Herbstmarkt beim Stand des Naturschutzvereins Richterswil-Samstagern erhältlich.

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