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Eine Stiftung für Inklusion statt Separation

2020 feierte die Stiftung Bühl 150-Jahr-Jubiläum, wobei zwar genug Anlass, aber kaum Möglichkeit zum Feiern da war. Zwar konnte das von Adrian Scherrer verfasste Jubiläumsbuch «mehr können lernen» noch präsentiert werden, doch andere Jubiläumsanlässe mussten gestrichen oder verschoben werden.

Text & Bild: Stefan Baumgartner

Ein verschobener Anlass war die zusammen mit der Historischen Gesellschaft geplante Veranstaltung «Zwischen Separation und Inklusion». Dieser Anlass konnte nun Ende Oktober nachgeholt werden. Einleitend gab Adrian Scherrer Einblicke in die lange Geschichte der Stiftung. Er erinnerte an den Stifter Julius Hauser, an das erste Heimleiter-Ehepaar und an den verheerenden Brand von 1932, der schliesslich auch den Neubau am jetzigen Ort und die Überführung in eine Stiftung ermöglichte. In der Folge entwickelte sich dort eine fortschrittliche Institution, die sich dafür einsetzt, dass Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen, sich beruflich und sozial integrieren und an der Gesellschaft teilhaben können.
Im zweiten Programmteil diskutierten unter der Leitung von Anja Kutter Direktorin Brigitte Steimen, ihr Vorgänger Hans Meier (Direktor 1995–2011), der ehemalige Stiftungsrat und Alt-Stadtrat Johannes Zollinger sowie Historiker Adrian Scherrer zur Vergangenheit und Zukunft der Institution, die zweitgrösste Arbeitgeberin in der Stadt Wädenswil ist. Immer wieder erwähnt wurden die fortschrittlichen pädagogischen und beruflichen Konzepte der Stiftung. So bestätigte Adrian Scherrer: «Es war wichtig, modern zu sein», und Hans Meier ergänzte, dass sich schon sein Vorgänger vehement gegen einen Abbau der Berufsbildung sperrte und befand, dass dieser Bereich sogar ausgebaut werden müsse. Er selbst war immer schon der Meinung, dass es mehr Inklusion, also etwa Integration in schulische Regelklassen, brauche. Das Bühl habe immer in diese Richtung gearbeitet. Johannes Zollinger befand, dass die hehren Ideen der Integrativen Förderung zwar unterstützungswürdig seien, dass die Umsetzung aber teilweise zu wünschen übrig lasse; dass die Klassengrössen in der Volksschule viel kleiner sein müssten. Direktorin Brigitte Steimen insistierte, dass man dies nicht ideologisch betrachten, sondern sich am Kindeswohl orientieren sollte. Sie wies auch darauf hin, dass im Bühl immer mehr Kinder mit psychischen Problemen Aufnahme finden, wo die Regelschule überfordert ist.
Die Finanzierung der Stiftung war immer Thema, immer auch gekoppelt an die öffentliche Hand, deren Institutionen wie etwa die Invalidenversicherung und deren Geldfluss. Brigitte Steimen sieht denn auch in der Finanzierung ihre zurzeit grösste Herausforderung; so durch das revidierte Volksschulgesetz sowie das neue Kinder- und Jugendheimgesetz, die auf den 1. Januar 2022 in Kraft treten und eine markante Steigerung des Verwaltungsaufwands auslösen, dem Kind aber nichts bringt, verbunden mit Pauschalen, die für die Stiftung Bühl nicht kostendeckend sind. Aktuell sei man noch in Verhandlungen, doch findet Steimen die Entwicklung zu immer mehr Bürokratie bedenklich.
Die Berufsbildung wird teilweise durch die IV finanziert. «Diese senkte die Tarife, was hier dazu geführt hat, dass wir den Bühl-Laden im Zentrum schliessen mussten. Wir haben die Verwaltung gestrafft, wir mussten auch Leute entlassen – langsam laufen wir auf dem Zahnfleisch. Schon früher – wenn man alte Stiftungsratsberichte liest – hatte man das Vertrauen, dass es irgendwie weiter gehe. Ich habe jetzt dieses Vertrauen auch, aber es braucht sehr viel Engagement und eine Kämpfernatur, um das Angebot der Stiftung sicherzustellen», so Steimen.
Insofern – und als Schlusswort – wünscht sie sich eine Gesellschaft, die «Ja» sagt zur Unterstützung von Menschen mit Behinderung, die «Ja» sagt zu einer Förderung, die eine Teilnahme am sozialen und beruflichen Leben ermöglicht.

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