Wädenswil

Geschichte vom Berg: Tragödie der Wiedertäufer

ange Zeit waren Schönenberg, wie auch Hütten und der Hirzel, durch ihre Distanz vom See in kirchlicher Hinsicht mangelhaft bis schlecht betreut. Da die Nähe zur Kirche nicht so gross war, fand der Glaube der Wiedertäufer hier oben einige Resonanz.

Die Bauersleute vom Berg mussten den Gottesdienst bei schlimmstem Wetter und auch im kältesten Winter in den Kirchen von Horgen, Wädenswil und Richterswil besuchen. Schönenberg konnte erst 1703 seine eigene Kirche einweihen, nachdem es Jahrhunderte lang nach Wädenswil kirchengenössig gewesen war. 1824 wurde auch Hütten eine selbstständige Pfarrei und erhielt 1856 anstelle der kleinen Jakobskapelle eine Kirche.

Hexerei und okkultes Geschehen
Da ist es kein Wunder, dass die Bevölkerung der Berggemeinden ihre seelischen Bedürfnisse oft anderweitig befriedigte. Vor allem in abgelegenen Gegenden kamen Hexerei und okkultes Geschehen gehäufter vor. Zu den von der Kirche und der Staatsmacht Verfolgten gehörten auch die Wiedertäufer. Wenn sogenannte Hexen oft durch Absonderlichkeiten auffielen, Misstrauen erregten und verfolgt wurden – natürlich zu Unrecht –, so muss man den Täufern zugestehen, dass sie für Rechte eintraten, die heutzutage selbstverständlich sind, und dass sie mit den verfochtenen biblischen Wahrheiten auch im täglichen Leben Ernst machten. Doch für die Kirche waren sie Abtrünnige und Ketzer.

Eine «Sekte»
Das Wesen und Handeln der Wiedertäufer war seit der Reformationszeit nicht vergessen gegangen und es gab immer vereinzelte Familien, die sich zu dieser «Sekte» bekannten und deshalb auch Spott und Anfeindungen ausgesetzt waren, so als ob man es mit Leuten zu tun hätte, die dunkle, verbotene Dinge taten. Besonders auf einsamen Höfen hatten die Wiedertäufer ihre Anhänger. Man hielt Gottesdienste in Stuben und Scheunen ab. Wie auch im Zürcher Oberland war unsere Berggegend besonders aufnahmewillig gegenüber Täufern. Diesen genügte es nicht, was die Kirche predigte und vorschrieb. Sie wollten im Sinne der Bergpredigt Christus Gehorsam leisten, verwarfen die Kindertaufe als unbiblisch und Kriegsdienst und Ehescheidung als widergöttlich.

Kreuzzug gegen die Abtrünnigen
Mit allen Mitteln suchte man diese von der Kirche Abtrünnigen zu belehren, zu bestrafen und auszurotten. So stand die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts – bis gegen 1640 – im Zeichen dieses unerbittlich geführten Kreuzzugs. Die Bevölkerung verfolgte die Massnahmen zum Teil mit Schadenfreude, gewisse aber auch mit heimlicher Sympathie und einem eingefleischten Hass gegenüber dem städtischen Regime.

Man ging rigoros gegen die Täufer vor, die tapfer Widerstand leisteten. Sie vertraten ihre Sache durch ihre Anführer vor dem Landvogt im Schloss Wädenswil recht eindrücklich und originell. Das Haupt der Täufer war Hans Landis im Formoos auf dem Horgenberg. Er predigte nicht nur auf seinem eigenen Hof, sondern auch in anderen Berggemeinden, vermutlich auch in der Hüttner Jakobskapelle. Er widersetzte sich jeder Bekehrung, auch als er gefangen genommen und in den Wellenberg der Stadt Zürich gebracht wurde. Es gelang ihm die Flucht mit Hilfe von ihm Wohlgesinnten, und er kehrte umgehend auf seinen Hof zurück.

Auswandern oder Galeerenstrafe
Widerspenstigen Anhängern stellte man es frei, entweder auszuwandern oder die sechsjährige Galeerenstrafe auf Franzosenschiffen anzutreten. Landis spedierte man nach Frankreich, damit er seine Strafe antreten konnte. Doch es gelang ihm wieder die Flucht und die Rückkehr auf sein Gehöft. Nun verurteilte ihn der Rat wegen Rebellion zum Tode durch das Schwert. Die Hinrichtung erfolgte am selben Tag. Als der Scharfrichter dem Täufer wohlwollend sagte: «Gältend myn aetty Hanns, es hatt euch lang uff die stund gfröut!», bejahte dieser und zeigte keine Todesfurcht. Der Scharfrichter bezeugte hinterher, schuldloses Blut vergossen zu haben.

Wie das die Kirche immer machte, konfiszierte sie die Güter renitenter und bestrafter Täufer. Einem Hans Isler nahm man so Scheune und eine Wiese weg und erklärte diese zum Pfrundgut. Ausgerechnet darauf kam dann die Kirche Hirzel zu stehen. Unter Druck verkaufte der Täufer Rudolf Bachmann im Richterswiler Berg Haus und Schmiede und suchte einen neuen Wohnort an der Spitzen. Als der Rat das untersagte, kaufte der Schmied schliesslich einen Hof ob der Sihl. Schon zum Greis geworden wollte man dem «ufwigler ein rigel stossen» und lieferte ihn schliesslich 1640 der Stadt aus, wo er erst dreizehn Jahre später im Gefängnis starb. Das Heimwesen erhielt der Sohn, der sich von den Täufern distanzierte.

Es sollte noch lange dauern, bis ein offener und religiös unabhängiger Geist in den Bergdöfern wehte, und selbst heute wird es manchmal noch eng in den Köpfen der Bergler.  (iel)

Bild: Ein Täufer rettet seinen Verfolger. In der Folge kann er selbst nicht mehr fliehen und wird verbrannt. Bild von Jan Luyken (1685).

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