Vom beschaulichen Wädenswil in die grosse Welt. Dies ist die Bewegung, die die Geschichte der Wädenswiler Seidenfabrikation machte. Der Vortrag «Swiss Silk Made in Wädenswil» macht dies deutlich.
Text & Bilder: Ingrid Eva Liedtke
Die Ausstellung in der Kulturgarage scheint allgemein viel Anklang zu finden und in diesem Zusammenhang auch dieser Vortrag. Es kamen so viele Leute, dass weitere Stuhlreihen aufgebaut werden mussten.
Christian Winkler, Präsident der Historischen Gesellschaft Wädenswil, die Organisatorin der Ausstellung «Industriegeschichte Wädenswils – vom Seidentuch zum Landistuhl» begrüsste das zahlreich erschienene Publikum, um sodann das Wort zum Vortrag an Dr. Roman Wild weiterzugeben. Wild ist Experte der Seidenindustriegeschichte und arbeitet seit 2015 an der Hochschule Luzern an einem Projekt zur Aufarbeitung der Geschichte der Seidenindustrie. Er spricht von vielen Akten, Musterbüchern und Bildern, die gesammelt wurden und dem Auftrag, einen roten Faden zu identifizieren und damit schliesslich ein Buch zu verfassen. Unterstützt wird das Projekt von der Zürcherischen Seidenindustrie.
Erkenntnisse auf die Ausstellung ausgerichtet
Da in Wädenswil viele wichtige wirtschaftliche Produkte hergestellt wurden, ist die Ausstellung in der Kulturgarage allgemein eine Anschauungsmöglichkeit für Entwicklungen, die im ganzen Kanton Zürich und teilweise auch in anderen Regionen der Schweiz stattgefunden haben.
Am Beispiel der Seidenweberei Gessner liessen sich allgemeine Entwicklungstendenzen aufzeichnen, so Wild.
Die Geschichte lässt sich bis 1841 zurückverfolgen. Dann war der Spatenstich zur ersten Fabrik, die einer der wichtigsten Arbeitgeber im Kanton Zürich war.
Gessner – eine Weltfirma
Schnell erwies sich der Export von Stoffen als sehr wichtig. Made in Wädenswil bedeutete ein Gütesiegel über die Landesgrenze hinaus. Man exportierte nach Europa, bis Amerika, die Nachfrage vor Ort wäre zudem zu klein gewesen.
Schliesslich exportierte man ganze Fabriken: Es gab Niederlassungen in Waldshut, Rovereto, Villeurbanne, Dunfermline (Schottland). Die Firma Gessner war eine Weltfirma mit Sitz in Wädenswil. Es war der Ort, wo alle Fäden zusammengezogen wurden. Eine Zeit lang verlegte man den Firmensitz nach Zürich.
Im Jahr 1929 hatte der Betrieb 2200 Angestellte! Die Zeit vor dem 1. Weltkrieg war eine regelrechte Boomphase. Danach folgte die Weltwirtschaftskrise und man musste zurückspecken – der Konzern wurde redimensioniert.
1991 wies der Personalstand nur noch 227 Personen auf, und schliesslich wurde die Seidenweberei ganz aufgegeben.
Gessner war nicht die einzige Seidenfabrikantin. Es gab 16 Zürcher Webereien mit internationalem Renommee.
Ein Webstuhl in jedem Haus
Roman Wild beginnt die Geschichte mit einem Foto von Seline Schorno-Götz. 1882 hat sie eine Lehre bei Gessner gemacht. Sie war, sozusagen, der Prototyp der Heimweberin und wurde berühmt als die letzte Heimweberin.
Einst stand in jedem zweiten Haus ein Webstuhl und mindestens eine Person im Dienst der Seidenindustrie. In den Gemeinden rund um den Zürichsee war dies ein grosser Anteil. Es waren teilweise bis zu 30 Prozent der Bevölkerung von dieser Industrie abhängig, vor allem am linken Zürichsee-Ufer, aber auch im Kernland, von Meilen bis ins Zürcher Oberland.
Die grossen Webstühle standen in den Wohnstuben der Bauernhäuser. Sie verschafften den Landwirten und Rebbauern ein willkommenes Nebeneinkommen. Die Fensterreihen im Untergeschoss zeugen noch heute davon, dass man die Häuser so gebaut hat, dass für das Weben genügend Tageslicht vorhanden war. Der grosse Webstuhl stand vornehmlich am besten Platz in der Wohnstube, denn das Weben war ein anspruchsvoller Vorgang und genügend Licht und Platz waren essenziell.
Seline Schorno-Götz hat bis 1951 gewoben. Sie arbeitete, sozusagen, als Einzelunternehmerin, die Rohseide beziehen konnte, um daraus in einer bestimmten Zeitspanne ein Gewebe herzustellen.
Mechanische Webstühle – Automatisierung
In den 1880er Jahren gab es immer mehr Webstühle, bis zu 30 000 Stück – eine ansteigende Erfolgsgeschichte. Doch dann kamen die mechanischen Webstühle auf, und 1904 war schliesslich ein Wendepunkt. Die mechanischen Webstühle waren zweieinhalb- bis dreimal produktiver.
Fortan wurde in der Fabrik, im Websaal, gewoben. Diese Automatisierung stellte eine ganz neue Dimension dar. Man setzte Wasserkraft, Dampfkraft und Elektrizität ein. Es wurde weniger Personal benötigt. Dieses arbeitete nun in den grossen Hallen, unter grossem Lärm der Maschinen. Der Produktivitätsfortschritt war sehr gross.
Jacquardstoffe
Schon 1805 steuerte der Franzose Joseph-Marie Jacquard seine Webstühle mit Lochkarten. Die Seidenweberei Gessner setzte ab 1890 auf diese Technologie und arbeitete bis 1998 mit dem binären Code auf Papier. Hochkomplexe Stoffe entstanden, für deren Produktion es einiges an Vorbereitung brauchte. Die Firma Gessner war begeistert und hat 1968 den ganzen Maschinenpark umgestellt für die Jacquard-Produktion. Diese ermöglichte auch eine grosse Flexibilität. Das war wichtig, um jederzeit möglichst schnell auf Kundenwünsche reagieren zu können.
Krawattenstoffe wurden zum Aushängeschild der Firma. Nun war es auch möglich, diese mit kleinen stofflichen Spielereien (das Modische für den Herrn) herzustellen.
Zeitzeugen
Zu jeder Stoffkollektion wurden Musterbücher mit Mustern und mit den technischen Angaben hergestellt. Damit ist man auch herumgereist, um sie den Kunden zu präsentieren.
Diese Musterbücher sind und waren der wichtigste Schatz der Firma, sozusagen ihr Gedächtnis. Sie dienten als Archiv. Auch nach der Computerisierung waren sie hilfreich, um zu sehen und zu spüren wie ein Material beschaffen ist. Sie sind auch jetzt noch ein wichtiger Inspirationsspeicher. Aus diesem Erbe kann man schöpfen und Neues daraus entwickeln und hervorbringen.
Globalisierung
1967/68 war eine schwierige Zeit der Globalisierung. Aus Asien entstand die Billiglohnkonkurrenz. Die Antwort darauf waren exklusive Stoffe, Nischenprodukte. Gessner setzte auf exklusive Kleider-, Dekorations- und Krawattenstoffe in Jacquardtechnik.
Nischendasein
Die Kleiderstoffe produzierte man für Prêt-à-porter-Kollektionen vieler bekannter Labels. Der Name Gessner stand dabei nicht im Fokus der Öffentlichkeit. Vielmehr wurden das allerhöchste Segment beliefert und Namen von bekannten Designhäusern wie Dior, Karl Lagerfeld, Versace, Yves Saint Laurent in die Öffentlichkeit getragen. Man hatte für den Auftritt der Modeschöpfer produziert. Dass die Stoffe von Gessner waren, war kaum bekannt. Es war nicht üblich den Namen der Produktionsfirma zu nennen.
Dieses Nischendasein der Textilindustrie war wohl darauf begründet, dass man eigentlich ein Halbfabrikat und nicht ein Endprodukt herstellte.
Es gab verschiedene Nischen, wie zum Beispiel die Headties, den spektakulären nigerianischen Kopfschmuck. Er ist ein Statussymbol für grosse Familienfeste. Damals gab es in Nigeria den Ölboom. Darum diese textile Prachtentfaltung. Dieses Produkt war für einen fremden Markt produziert worden.
Ein weiteres Nischenprodukt waren Tschador-Stoffe für den Iran, fürs Pilgern nach Mekka. Der Stoff musste in einem speziellen schwarzen Farbton eingefärbt sein. Solche Märkte waren aber sehr anfällig. Eine Karikatur im Tagesanzeiger brachte den Tschador-Export zum Erliegen! Ein unsicheres Geschäft also, das schnell wegbrechen konnte.
Deshalb musste man immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten sein, um sich ein neues Standbein aufzubauen.
Wohnen bei Gessner – Umnutzung von Immobilien als Standbein der Zukunft
Das Wohnen der Angestellten von Gessner war schon früh ein Thema, und damit verbunden auch eigene Immobilien. Einst hatte man Arbeiterhäuser, eine ganze Arbeitersiedlung gebaut. Man lockte die Arbeiterinnen aus dem Süden mit Wohnungen, die sogar eine Zentralheizung hatten. Man bemühte sich den Ausländern gute Umstände zu bieten.
Aus diesen Angestelltenwohnungen sind Mietwohnungen entstanden. Die Fabrikgebäude wurden und werden auch in Zukunft umgenutzt. In der Alten Fabrik entstand ab 1979 eine Geschäftspassage, eine Gärtnerei und das Wädibräu.
Eigener Stoffladen – Créasphère
Die Firma Gessner verkaufte ihre Stoffe auch selbst. 1966 hat man in einer Ladenpassage in Zürich einen Stoffmarkt untergebracht, um das Geschäft zu testen. Es wurden Restposten mit kleinen Webfehlern verkauft. Es war damals üblich, dass sich Frauen den Stoff für ein Kleid kauften, um ihn dann zur Schneiderin zu bringen oder sich selbst ein Kleid daraus zu nähen.
Der Verkauf von Stoffen wurde professionalisiert, und ab 1992 war der Stoffladen in der Alten Fabrik. Mit der Zeit hat man ein Detailladennetz in der ganzen Schweiz aufgebaut, die Céasphère.
Auch bei anderen Seidenfabrikanten gab und gibt es grosse Areale, für die neue Gestaltungspläne bestehen. Aus Fabrikanten werden in der Neuzeit Immobilienbewirtschafter oder Architekten, die sich für die Ortsbildung und -entwicklung einsetzen. Es gibt sogar einen Verein, den Verein umnutzer.ch, bei dem auch die Gessners mit dabei sind.
Auch wenn es mit der Seidenstoffweberei vorbei ist, sollen doch die ehemaligen Fabrikareale sinnstiftend genutzt werden. In diesem Sinne wird die Firma Gessner weiterhin einen gewissen Einfluss auf die Stadtentwicklung von Wädenswil haben.
Vom beschaulichen Wädenswil in die grosse Welt. Dies ist die Bewegung, die die Geschichte der Wädenswiler Seidenfabrikation machte. Der Vortrag «Swiss Silk Made in Wädenswil» macht dies deutlich.
Text & Bilder: Ingrid Eva Liedtke
Die Ausstellung in der Kulturgarage scheint allgemein viel Anklang zu finden und in diesem Zusammenhang auch dieser Vortrag. Es kamen so viele Leute, dass weitere Stuhlreihen aufgebaut werden mussten.
Christian Winkler, Präsident der Historischen Gesellschaft Wädenswil, die Organisatorin der Ausstellung «Industriegeschichte Wädenswils – vom Seidentuch zum Landistuhl» begrüsste das zahlreich erschienene Publikum, um sodann das Wort zum Vortrag an Dr. Roman Wild weiterzugeben. Wild ist Experte der Seidenindustriegeschichte und arbeitet seit 2015 an der Hochschule Luzern an einem Projekt zur Aufarbeitung der Geschichte der Seidenindustrie. Er spricht von vielen Akten, Musterbüchern und Bildern, die gesammelt wurden und dem Auftrag, einen roten Faden zu identifizieren und damit schliesslich ein Buch zu verfassen. Unterstützt wird das Projekt von der Zürcherischen Seidenindustrie.
Erkenntnisse auf die Ausstellung ausgerichtet
Da in Wädenswil viele wichtige wirtschaftliche Produkte hergestellt wurden, ist die Ausstellung in der Kulturgarage allgemein eine Anschauungsmöglichkeit für Entwicklungen, die im ganzen Kanton Zürich und teilweise auch in anderen Regionen der Schweiz stattgefunden haben.
Am Beispiel der Seidenweberei Gessner liessen sich allgemeine Entwicklungstendenzen aufzeichnen, so Wild.
Die Geschichte lässt sich bis 1841 zurückverfolgen. Dann war der Spatenstich zur ersten Fabrik, die einer der wichtigsten Arbeitgeber im Kanton Zürich war.
Gessner – eine Weltfirma
Schnell erwies sich der Export von Stoffen als sehr wichtig. Made in Wädenswil bedeutete ein Gütesiegel über die Landesgrenze hinaus. Man exportierte nach Europa, bis Amerika, die Nachfrage vor Ort wäre zudem zu klein gewesen.
Schliesslich exportierte man ganze Fabriken: Es gab Niederlassungen in Waldshut, Rovereto, Villeurbanne, Dunfermline (Schottland). Die Firma Gessner war eine Weltfirma mit Sitz in Wädenswil. Es war der Ort, wo alle Fäden zusammengezogen wurden. Eine Zeit lang verlegte man den Firmensitz nach Zürich.
Im Jahr 1929 hatte der Betrieb 2200 Angestellte! Die Zeit vor dem 1. Weltkrieg war eine regelrechte Boomphase. Danach folgte die Weltwirtschaftskrise und man musste zurückspecken – der Konzern wurde redimensioniert.
1991 wies der Personalstand nur noch 227 Personen auf, und schliesslich wurde die Seidenweberei ganz aufgegeben.
Gessner war nicht die einzige Seidenfabrikantin. Es gab 16 Zürcher Webereien mit internationalem Renommee.
Ein Webstuhl in jedem Haus
Roman Wild beginnt die Geschichte mit einem Foto von Seline Schorno-Götz. 1882 hat sie eine Lehre bei Gessner gemacht. Sie war, sozusagen, der Prototyp der Heimweberin und wurde berühmt als die letzte Heimweberin.
Einst stand in jedem zweiten Haus ein Webstuhl und mindestens eine Person im Dienst der Seidenindustrie. In den Gemeinden rund um den Zürichsee war dies ein grosser Anteil. Es waren teilweise bis zu 30 Prozent der Bevölkerung von dieser Industrie abhängig, vor allem am linken Zürichsee-Ufer, aber auch im Kernland, von Meilen bis ins Zürcher Oberland.
Die grossen Webstühle standen in den Wohnstuben der Bauernhäuser. Sie verschafften den Landwirten und Rebbauern ein willkommenes Nebeneinkommen. Die Fensterreihen im Untergeschoss zeugen noch heute davon, dass man die Häuser so gebaut hat, dass für das Weben genügend Tageslicht vorhanden war. Der grosse Webstuhl stand vornehmlich am besten Platz in der Wohnstube, denn das Weben war ein anspruchsvoller Vorgang und genügend Licht und Platz waren essenziell.
Seline Schorno-Götz hat bis 1951 gewoben. Sie arbeitete, sozusagen, als Einzelunternehmerin, die Rohseide beziehen konnte, um daraus in einer bestimmten Zeitspanne ein Gewebe herzustellen.
Mechanische Webstühle – Automatisierung
In den 1880er Jahren gab es immer mehr Webstühle, bis zu 30 000 Stück – eine ansteigende Erfolgsgeschichte. Doch dann kamen die mechanischen Webstühle auf, und 1904 war schliesslich ein Wendepunkt. Die mechanischen Webstühle waren zweieinhalb- bis dreimal produktiver.
Fortan wurde in der Fabrik, im Websaal, gewoben. Diese Automatisierung stellte eine ganz neue Dimension dar. Man setzte Wasserkraft, Dampfkraft und Elektrizität ein. Es wurde weniger Personal benötigt. Dieses arbeitete nun in den grossen Hallen, unter grossem Lärm der Maschinen. Der Produktivitätsfortschritt war sehr gross.
Jacquardstoffe
Schon 1805 steuerte der Franzose Joseph-Marie Jacquard seine Webstühle mit Lochkarten. Die Seidenweberei Gessner setzte ab 1890 auf diese Technologie und arbeitete bis 1998 mit dem binären Code auf Papier. Hochkomplexe Stoffe entstanden, für deren Produktion es einiges an Vorbereitung brauchte. Die Firma Gessner war begeistert und hat 1968 den ganzen Maschinenpark umgestellt für die Jacquard-Produktion. Diese ermöglichte auch eine grosse Flexibilität. Das war wichtig, um jederzeit möglichst schnell auf Kundenwünsche reagieren zu können.
Krawattenstoffe wurden zum Aushängeschild der Firma. Nun war es auch möglich, diese mit kleinen stofflichen Spielereien (das Modische für den Herrn) herzustellen.
Zeitzeugen
Zu jeder Stoffkollektion wurden Musterbücher mit Mustern und mit den technischen Angaben hergestellt. Damit ist man auch herumgereist, um sie den Kunden zu präsentieren.
Diese Musterbücher sind und waren der wichtigste Schatz der Firma, sozusagen ihr Gedächtnis. Sie dienten als Archiv. Auch nach der Computerisierung waren sie hilfreich, um zu sehen und zu spüren wie ein Material beschaffen ist. Sie sind auch jetzt noch ein wichtiger Inspirationsspeicher. Aus diesem Erbe kann man schöpfen und Neues daraus entwickeln und hervorbringen.
Globalisierung
1967/68 war eine schwierige Zeit der Globalisierung. Aus Asien entstand die Billiglohnkonkurrenz. Die Antwort darauf waren exklusive Stoffe, Nischenprodukte. Gessner setzte auf exklusive Kleider-, Dekorations- und Krawattenstoffe in Jacquardtechnik.
Nischendasein
Die Kleiderstoffe produzierte man für Prêt-à-porter-Kollektionen vieler bekannter Labels. Der Name Gessner stand dabei nicht im Fokus der Öffentlichkeit. Vielmehr wurden das allerhöchste Segment beliefert und Namen von bekannten Designhäusern wie Dior, Karl Lagerfeld, Versace, Yves Saint Laurent in die Öffentlichkeit getragen. Man hatte für den Auftritt der Modeschöpfer produziert. Dass die Stoffe von Gessner waren, war kaum bekannt. Es war nicht üblich den Namen der Produktionsfirma zu nennen.
Dieses Nischendasein der Textilindustrie war wohl darauf begründet, dass man eigentlich ein Halbfabrikat und nicht ein Endprodukt herstellte.
Es gab verschiedene Nischen, wie zum Beispiel die Headties, den spektakulären nigerianischen Kopfschmuck. Er ist ein Statussymbol für grosse Familienfeste. Damals gab es in Nigeria den Ölboom. Darum diese textile Prachtentfaltung. Dieses Produkt war für einen fremden Markt produziert worden.
Ein weiteres Nischenprodukt waren Tschador-Stoffe für den Iran, fürs Pilgern nach Mekka. Der Stoff musste in einem speziellen schwarzen Farbton eingefärbt sein. Solche Märkte waren aber sehr anfällig. Eine Karikatur im Tagesanzeiger brachte den Tschador-Export zum Erliegen! Ein unsicheres Geschäft also, das schnell wegbrechen konnte.
Deshalb musste man immer auf der Suche nach neuen Möglichkeiten sein, um sich ein neues Standbein aufzubauen.
Wohnen bei Gessner – Umnutzung von Immobilien als Standbein der Zukunft
Das Wohnen der Angestellten von Gessner war schon früh ein Thema, und damit verbunden auch eigene Immobilien. Einst hatte man Arbeiterhäuser, eine ganze Arbeitersiedlung gebaut. Man lockte die Arbeiterinnen aus dem Süden mit Wohnungen, die sogar eine Zentralheizung hatten. Man bemühte sich den Ausländern gute Umstände zu bieten.
Aus diesen Angestelltenwohnungen sind Mietwohnungen entstanden. Die Fabrikgebäude wurden und werden auch in Zukunft umgenutzt. In der Alten Fabrik entstand ab 1979 eine Geschäftspassage, eine Gärtnerei und das Wädibräu.
Eigener Stoffladen – Créasphère
Die Firma Gessner verkaufte ihre Stoffe auch selbst. 1966 hat man in einer Ladenpassage in Zürich einen Stoffmarkt untergebracht, um das Geschäft zu testen. Es wurden Restposten mit kleinen Webfehlern verkauft. Es war damals üblich, dass sich Frauen den Stoff für ein Kleid kauften, um ihn dann zur Schneiderin zu bringen oder sich selbst ein Kleid daraus zu nähen.
Der Verkauf von Stoffen wurde professionalisiert, und ab 1992 war der Stoffladen in der Alten Fabrik. Mit der Zeit hat man ein Detailladennetz in der ganzen Schweiz aufgebaut, die Céasphère.
Auch bei anderen Seidenfabrikanten gab und gibt es grosse Areale, für die neue Gestaltungspläne bestehen. Aus Fabrikanten werden in der Neuzeit Immobilienbewirtschafter oder Architekten, die sich für die Ortsbildung und -entwicklung einsetzen. Es gibt sogar einen Verein, den Verein umnutzer.ch, bei dem auch die Gessners mit dabei sind.
Auch wenn es mit der Seidenstoffweberei vorbei ist, sollen doch die ehemaligen Fabrikareale sinnstiftend genutzt werden. In diesem Sinne wird die Firma Gessner weiterhin einen gewissen Einfluss auf die Stadtentwicklung von Wädenswil haben.