Immer häufiger begegnet man heutzutage dem Schamanismus, lernt Menschen kennen, die sich in diesem Bereich Unterstützung holen oder sich darin weiterbilden. Mar Wieland ist eine schamanisch Praktizierende, die ihr Wissen und ihre Kraft in den Dienst von Menschen stellt, um sie auf ihrem Weg zu begleiten. Sogenannt ausserzeitliche Spirits und die Natur als grosse Heilerin machen ihre Arbeit möglich.
Text: Ingrid Eva Liedtke
Bilder: zvg
Ist es Ihnen auch schon passiert, dass Sie durch den Wald streifen und plötzlich das Gefühl haben, es sei gerade etwas oder jemand vorbeigehuscht? Oder geht da jemand ein paar Schritte hinter Ihnen?
Es sind nur kurze Augenblicke, die sich solchen Wahrnehmungen öffnen, und man erklärt es sich dann damit, dass der Wind ein paar Blätter gekräuselt hat, dass ein Vogel vorbeigeflogen ist, vielleicht sogar, ein Fuchs oder ein Reh durchs Unterholz gehuscht ist.
Für Mar Wieland ist der Wald ein Raum der Begegnung. Die Steine, die Bäume, die Pflanzen und die Tiere waren schon lange vor uns Menschen da. Man muss die Naturgeister nicht sehen, man kann sie spüren, ihre Präsenz fühlen. Da ist so viel mehr, als mit blossem Auge zu erkennen ist. Aus schamanischer Sicht ist alles beseelt. Aus diesem Grund ist es möglich mit allem zu kommunizieren.
Die Natur ist beseelt
Schon als Kind spürte Mar Wieland diese tiefe Verbundenheit mit der Natur. «Nach der Schule wollte ich immer sehr schnell in den Wald – um zuhause zu sein.»
Der Schamanismus versteht diese «mittlere» Welt als belebt von Menschen, Naturgeistern und weiteren Geistern, die, wie auch wir Menschen, in der Dualität von Licht und Schatten leben. Alle indigenen Völker weltweit und auch die sogenannt zivilisierten Gesellschaften kannten in Urzeiten diese animistische Weltsicht. Die Indigenen, die noch oder wieder (weil sie deswegen nicht mehr verfolgt werden) diese alte schamanischen Sichtweise haben, sprechen weltweit von drei Welten: Der mittleren Welt, in der wir leben, der unteren und der oberen Welt, die beide ausserzeitlich sind. Diese beiden Welten sind bevölkert von Spirits, transzendierten Ahnen und Krafttieren, die ohne Schatten (negative Aspekte) sind. Sie sind nicht mehr gebunden an Zeit, wissen von Vergangenheit und Zukunft, und sie sind bedingungslos, in Liebe, Mitgefühl und Humor. Mit diesen Spirits arbeiten die core-schamanisch Praktizierenden vor allem zusammen.
Der Wald, altes Wissen und die Projektionen des eigenen Geistes
Der Wald ist ein Kosmos und dient nun auch der Wissenschaft als anschauliches Beispiel dafür, wie alles miteinander verbunden ist. Unsere Urahnen hatten ihre Kraftplätze, besondere Bäume, Felsen, Orte, die man in Zeiten der Not und der Freude aufgesucht hat. Kinder spüren und wissen das intuitiv. Viele sprechen mit den Zwergen, Feen, Elfen und Geistern oder haben unsichtbare Freunde, die sie begleiten. Stösst ihre Wahrnehmung nicht auf Resonanz und wird von den Eltern, in der Schule nicht ernst genommen, verblasst dieses ursprüngliche Wissen und geht verloren.
Durch unsere christliche Prägung, dem rein wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Denken, haben wir den Zugang zu unserem alten Wissen verloren und damit unser Verständnis, dass alles mit allem verbunden ist.
«Hat man Glück», so Mar Wieland, «dann hat man jemand in seinem Umfeld, der in seiner Wahrnehmung einen offenen Raum dafür hat. Das kann einfach ein Mensch sein, der ein tieferes Verständnis hat für die Natur. Jemand der weiss: In allem wohnt Lebendigkeit und Schönheit inne.»
Im Gegensatz zu den Weltreligionen kennt der Schamanismus keine Hierarchie. An der Stelle des reinen Glaubens steht die direkte Erfahrung, die Begegnung und Zusammenarbeit mit den ausserzeitlichen Spirits. «Sie sind so real wie du und ich. Gewisse Menschen wissen das intuitiv, schon seit sie Kinder sind. Wenn sie zu meinem Kollegen Roman Steiner und mir in die Seminare der FSS kommen, werden sie in ihren Ahnungen und Gefühlen bestätigt. Für sie fühlt sich das an wie ein Heimkommen.»
Der Schamanismus und spirituelle Heilkräfte
Der Schamanismus erlebt in der heutigen Zeit eine Art Wiederauferstehung und erfreut sich wachsender Beliebtheit, auch hier in der Schweiz. Unser Alltag ist eingefärbt von Konsum, Wachstumswahn, Erfolgsstreben, digitalen Welten, die Zerstörung der Natur, Krisen und Entfremdung. Viele Menschen sehnen sich nach einer tieferen Bedeutung des Lebens, suchen sich selbst und sehnen sich nach spirituellen Erfahrungen.
Ist Mar Wieland eine Schamanin?
«Nein, das bin ich nicht. Ich bin eine Schamanisch Praktizierende. Das ist eine sehr wichtige Frage. Aus meiner Sicht wäre es anmassend, wenn Menschen, die hier, in der westlichen Welt, aufgewachsen und geprägt wurden, sich selbst diesen Titel gäben. Nach dem gründlichen Flächenbrand im Spätmittelalter sind hier in Europa nur noch Spuren (Sagen, Märchen, Bräuche, Inschriften in alten Häusern…) vorhanden. Wir sind keine lebendige schamanische Kultur mehr. In der Foundation for Shamanic Studies Europe, für die ich tätig bin, finden wir, dass nur indigene Schamanen sich als solche bezeichnen dürfen.
Core-Schamanismus
Mar Wieland unterrichtet den Core-Schamanismus als Faculty Member der Foundation for Shamanic Studies Europe. Dieser «Kern-Schamanismus» basiert auf der Forschung des Antropologen Michael Harner und seiner Frau Sandra Harner und ihren unzähligen Studentinnen und Studenten. Sie haben ihr Leben der Frage gewidmet: «What ist the core?» – Was ist der Kern in der Kosmologie und in den Heilmethoden der indigenen Völker weltweit? Tatsächlich fanden sie globale Übereinstimmungen und schälten nach und nach den Kern heraus – befreit von allen lokalen Prägungen. In respektvoller Zusammenarbeit mit verschiedenen indigenen Tribes entwickelte Michael Harner eine Struktur des Lehrens und des Lernens, die uns wissenschaftlich geprägten Menschen zugänglich ist. Der Core-Schamanismus bietet einen praxisorientierten und auf das Wesentliche konzentrierten Zugang zur schamanischen Heilarbeit und mehr.
Mar Wieland ist eine Schamanisch Praktizierende, die dieses Wissen mit Freude vermittelt und es den Menschen zugänglich macht. Sie sagt: «Der Core-Schamanismus, den ich praktiziere und unterrichte, ist nicht ausschliessend, sondern offen für alle, unabhängig von Herkunft, Religion, Kultur …
Lebenslauf
Die Zürcherin ist 1974 im Kanton Freiburg geboren und aufgewachsen. «Ich war immer bei meinen Grosseltern in Zürich in den Ferien. Dort war für mich das Paradies, und es war für mich immer klar, dass ich eines Tages in Zürich leben möchte. Im Kanton Freiburg fühlte ich mich nie ganz zugehörig. Das lag vielleicht an meinem fremden Dialekt, der etwas anderen Erziehung, unserem Haushalt ohne Fernseher, aber wohl auch daran, dass der Kanton sehr katholisch war, ich aber schon als Kind ein anderes Denken hatte.»
Mar Wieland absolvierte in Freiburg das Lehrerseminar und war schon mit 20 diplomierte Primarschullehrerin. Dann besuchte sie in Bern den Vorkurs der Kunstgewerbeschule. «Zeichnen, alle musischen Fächer, waren meine Lieblingsfächer. Ich las und schrieb auch immer sehr gerne und viel.»
Sie hat das, was man einen offenen Geist nennt.
Da Mar Wieland ihre Lieblingsfächer unterrichten wollte, ging sie nach dem Vorkurs nach Basel und absolvierte das Lehramt in bildender Kunst für Oberstufe und Mittelschule.
«Dann wollte ich eigentlich nach Holland auswandern, wegen der Sprache, der Kultur und der Nähe zum Meer.»
Doch es kam anders! Wielands Grosstanten mussten in ein Pflegeheim. Deren Wohnung wurde frei und die Erben vermieteten sie an Mar Wieland.
«Da habe ich mich intuitiv umentschieden und zog im Jahr 2000 nach Zürich und gründete eine Wohngemeinschaft in dieser Wohnung. Da ich immer wieder berufsbegleitende Ausbildungen absolvierte, war das WG-Leben für mich die einzige Option. Ich habe immer sehr einfach gelebt. Andere machten Reisen, ich bildete mich weiter.» Sie lacht! Mar Wieland lacht viel, Humor ist ihr wichtig und allgegenwärtig. Auch die Geister seien durchaus humorvolle Wesen.
Es war ein Schüler mit besonderen Bedürfnissen und Lebensumständen, der Wieland zur Erkenntnis brachte, dass ihre Fähigkeiten eher im psychologischen Bereich liegen als im pädagogischen.
«Es war dieser Junge mit den perlgrauen Augen. Er hat mich tief berührt. Mir wurde bewusst, dass meine Fähigkeiten eher im psychologischen Bereich, als im pädagogischen, liegen. Ich entschied mich Psychologie zu studieren. Ich gab weiterhin Schule, um mir dieses Studium und einige weitere zu finanzieren.»
Wieland studierte Individualpsychologie am Alfred-Adler-Institut in Zürich. Dann noch Körperorientierte Psychotherapie am Zentrum für Form und Wandlung und bildete sich schliesslich weiter in Traumatherapie (Somatic Experiencing).
Unterdessen erhält diese Trauma-Therapieform auch hier in der Schweiz immer mehr Beachtung. Neben dem Gespräch liegt das Nervensystem und seine Regulation im Fokus, der Körper wird miteinbezogen. Ein Trauma ist immer eine körperliche Erfahrung – deshalb kann es nur mit Denken und Reden nicht im Zellgedächtnis neu verhandelt werden.
Eigenverantwortung – niemand macht einen heil
«Wichtig für meine Arbeit ist die Eigenverantwortung des Menschen», erklärt Wieland, die so sehr in sich zu ruhen scheint, dass es ansteckend wirkt. «Niemand macht einen anderen heil. Darum liebe ich meine Arbeit so. Ich bin eine Art Hebamme. Ich helfe dem Menschen sich selbst in die Welt zu bringen. Es gibt für mich nichts Schöneres als diese Prozesse der Wandlung zu unterstützen und zu bezeugen. Es ist wunderbar, wenn Menschen in die eigene Kraft und Authentizität finden. Die gewählte Methode ist schlussendlich gar nicht so relevant. Ich habe mein Wissen, meine Erfahrung und meine Methoden, die wunderbare Zusammenarbeit mit den Spirits, doch ich habe immer diesen Antrieb noch mehr zu lernen, zu forschen, Zusammenhänge zu erkennen, um damit für andere hilfreich zu sein. Lernen macht mich glücklich.»
«Das Schamanische hilft mir die Traumaarbeit anders, tiefer zu verstehen und umgekehrt.» Sie begleitet Menschen jeden Alters. Die Begleitung kann alle Themen umfassen: Prüfungsangst, Standortbestimmung, Liebeskummer, Trennungen, Krebsdiagnose und so weiter. Alles findet Raum und Zeit. Wieland arbeitet abwechslungsweise in ihrer Praxis in der Stadt Zürich und in ihrem Praxisraum in Schönenberg, wo sie neuerdings auch wohnt.
«Und natürlich liebe ich es für die FSS (Foundation vor Shamanic Studies) Seminare zu unterrichten – vor allem auch auf dem schönen Schluchtalhof in Wädenswil!», erklärt sie mit diesem grossen Lachen und diesem überzeugenden Leuchten, das von innen heraus strahlt.
Ein Geschenk an das Leben
Im Schamanischen Verständnis ist jeder Mensch ein Geschenk für die Welt. Wieland erklärt: «Im indigenen Kontext fragt man ein Kind nicht: Was willst du mal werden? Sondern: Hej, hast du schon etwas herausgefunden über den Traum, den du mitgebracht hast in dieses Leben? Dadurch entsteht Begegnungsraum. Ein jedes Kind will wahrgenommen, gehört und gesehen werden. Würde jeder darum wissen, dass es seine Aufgabe ist, seine mitgebrachten Fähigkeiten in sich zu finden und zum Besten aller zu entwickeln und würde jede die Verantwortung für das eigene Glück und Unglück übernehmen, die Liebe für sich selbst in sich finden … wir wären im Flow und ein Geschenk für die Wesen um uns herum, ein Geschenk für die Welt!»
Sehr viel Konjunktiv! Doch den will Mar Wieland nicht so stehen lassen, sondern Hilfestellung leisten beim Finden dieser neuen Wege.
Persönliches Heimkommen
Mar Wielands persönliches erstes spirituelles Heimkommen war das Sich-Wiederfinden im Vajrayana Buddismus (Karma Kagyü-Linie). Es war auch eine Schulung des Geistes. Durch die Erfahrung der Meditation lernte sie ihren Geist ruhig zu halten und Langsamkeit zuzulassen.
«Ich wurde in meinen vielen Fragen abgeholt», sagt sie. «Der tibetische Buddhismus ist eine Erfahrungsreligion. Das allmorgendliche Meditieren ist meine spirituelle Nabelschnur. Die schamanische Arbeit lässt mich auch den Buddhismus und seine Zeremonien besser verstehen. Irgendwann ist das Verstehen im Körper, wird zum Gefühl. Das ist durch Üben und Erfahren zu erreichen.»
Der Zweifel gehöre dazu, damit man sich immer wieder überprüfe und sorgfältig bleibe.
Wie prägt der Schamanismus das eigene Leben?
«Mein Leben ist davon durchwoben. Schamanismus ist für mich eine Lebensweise. Sie bestimmt die Art und Weise, wie ich mich in der Natur bewege, wie ich wahrnehme. Ich habe meine alltäglichen Rituale, die ich für mich privat ausführe. Sind Menschen in meiner biologischen oder in meiner Herzensfamilie krank oder in schwierigen Situationen, dann nehme ich, wenn sie das wünschen, meine Trommel und gehe für sie auf eine Reise. Die Trommel ist das Transportmittel, das Pferd der schamanisch Praktizierenden. Sie wird in einem bestimmten Rhythmus geschlagen, sodass man vom Tagesbewusstsein in einen schamanischen Bewusstseinszustand wechseln kann, der es erlaubt auf die Reise zu seinen Spirits zu gehen.
Man kann die Hinwendung zum Schamanismus auch als Wiederentdeckung unserer ursprünglichen Spiritualität verstehen. Ein Heimkommen in ein gutes Leben?
Mar Wielands Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Für sie ist es ganz klar: «Ein gutes Leben ist ein Leben in Neugier und Vertrauen und in einem tiefen Wissen, dass man nicht alleine ist – nie. Da ist eine Lebenskraft, die in allem innewohnt – ein göttlicher Funke. Alles ist beseelt und voller Schönheit, ist erleuchtet oder vom Erleuchtungsgeist bewohnt, je nach Tradition sind die Benennungen verschieden. Im urchristlichen oder christlich-mystischen Verständnis ist es Gott, der in allem innewohnt. Der Schamanismus ist Leben in Verbindung und Entwicklung. Wir sind Teil eines Ganzen, verbunden mit allem, was uns umgibt. Da ist auch die Sehnsucht, seinen Platz zu finden in der Welt und in sich, zu wissen, dass man ein Geschenk ist, einfach, weil man ist.»
Man glaubt Mar Wieland gerne, was sie erzählt und vertritt, denn es sind keine Kopfgeburten, sondern gelebte Wirklichkeit, und tatsächlich fühlt man sich in ihrer Gegenwart gesehen …. und als Geschenk für die Welt.
www.shamanism.eu
www.schamanismus-schweiz.ch
www.wieweiter.com
Immer häufiger begegnet man heutzutage dem Schamanismus, lernt Menschen kennen, die sich in diesem Bereich Unterstützung holen oder sich darin weiterbilden. Mar Wieland ist eine schamanisch Praktizierende, die ihr Wissen und ihre Kraft in den Dienst von Menschen stellt, um sie auf ihrem Weg zu begleiten. Sogenannt ausserzeitliche Spirits und die Natur als grosse Heilerin machen ihre Arbeit möglich.
Text: Ingrid Eva Liedtke
Bilder: zvg
Ist es Ihnen auch schon passiert, dass Sie durch den Wald streifen und plötzlich das Gefühl haben, es sei gerade etwas oder jemand vorbeigehuscht? Oder geht da jemand ein paar Schritte hinter Ihnen?
Es sind nur kurze Augenblicke, die sich solchen Wahrnehmungen öffnen, und man erklärt es sich dann damit, dass der Wind ein paar Blätter gekräuselt hat, dass ein Vogel vorbeigeflogen ist, vielleicht sogar, ein Fuchs oder ein Reh durchs Unterholz gehuscht ist.
Für Mar Wieland ist der Wald ein Raum der Begegnung. Die Steine, die Bäume, die Pflanzen und die Tiere waren schon lange vor uns Menschen da. Man muss die Naturgeister nicht sehen, man kann sie spüren, ihre Präsenz fühlen. Da ist so viel mehr, als mit blossem Auge zu erkennen ist. Aus schamanischer Sicht ist alles beseelt. Aus diesem Grund ist es möglich mit allem zu kommunizieren.
Die Natur ist beseelt
Schon als Kind spürte Mar Wieland diese tiefe Verbundenheit mit der Natur. «Nach der Schule wollte ich immer sehr schnell in den Wald – um zuhause zu sein.»
Der Schamanismus versteht diese «mittlere» Welt als belebt von Menschen, Naturgeistern und weiteren Geistern, die, wie auch wir Menschen, in der Dualität von Licht und Schatten leben. Alle indigenen Völker weltweit und auch die sogenannt zivilisierten Gesellschaften kannten in Urzeiten diese animistische Weltsicht. Die Indigenen, die noch oder wieder (weil sie deswegen nicht mehr verfolgt werden) diese alte schamanischen Sichtweise haben, sprechen weltweit von drei Welten: Der mittleren Welt, in der wir leben, der unteren und der oberen Welt, die beide ausserzeitlich sind. Diese beiden Welten sind bevölkert von Spirits, transzendierten Ahnen und Krafttieren, die ohne Schatten (negative Aspekte) sind. Sie sind nicht mehr gebunden an Zeit, wissen von Vergangenheit und Zukunft, und sie sind bedingungslos, in Liebe, Mitgefühl und Humor. Mit diesen Spirits arbeiten die core-schamanisch Praktizierenden vor allem zusammen.
Der Wald, altes Wissen und die Projektionen des eigenen Geistes
Der Wald ist ein Kosmos und dient nun auch der Wissenschaft als anschauliches Beispiel dafür, wie alles miteinander verbunden ist. Unsere Urahnen hatten ihre Kraftplätze, besondere Bäume, Felsen, Orte, die man in Zeiten der Not und der Freude aufgesucht hat. Kinder spüren und wissen das intuitiv. Viele sprechen mit den Zwergen, Feen, Elfen und Geistern oder haben unsichtbare Freunde, die sie begleiten. Stösst ihre Wahrnehmung nicht auf Resonanz und wird von den Eltern, in der Schule nicht ernst genommen, verblasst dieses ursprüngliche Wissen und geht verloren.
Durch unsere christliche Prägung, dem rein wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Denken, haben wir den Zugang zu unserem alten Wissen verloren und damit unser Verständnis, dass alles mit allem verbunden ist.
«Hat man Glück», so Mar Wieland, «dann hat man jemand in seinem Umfeld, der in seiner Wahrnehmung einen offenen Raum dafür hat. Das kann einfach ein Mensch sein, der ein tieferes Verständnis hat für die Natur. Jemand der weiss: In allem wohnt Lebendigkeit und Schönheit inne.»
Im Gegensatz zu den Weltreligionen kennt der Schamanismus keine Hierarchie. An der Stelle des reinen Glaubens steht die direkte Erfahrung, die Begegnung und Zusammenarbeit mit den ausserzeitlichen Spirits. «Sie sind so real wie du und ich. Gewisse Menschen wissen das intuitiv, schon seit sie Kinder sind. Wenn sie zu meinem Kollegen Roman Steiner und mir in die Seminare der FSS kommen, werden sie in ihren Ahnungen und Gefühlen bestätigt. Für sie fühlt sich das an wie ein Heimkommen.»
Der Schamanismus und spirituelle Heilkräfte
Der Schamanismus erlebt in der heutigen Zeit eine Art Wiederauferstehung und erfreut sich wachsender Beliebtheit, auch hier in der Schweiz. Unser Alltag ist eingefärbt von Konsum, Wachstumswahn, Erfolgsstreben, digitalen Welten, die Zerstörung der Natur, Krisen und Entfremdung. Viele Menschen sehnen sich nach einer tieferen Bedeutung des Lebens, suchen sich selbst und sehnen sich nach spirituellen Erfahrungen.
Ist Mar Wieland eine Schamanin?
«Nein, das bin ich nicht. Ich bin eine Schamanisch Praktizierende. Das ist eine sehr wichtige Frage. Aus meiner Sicht wäre es anmassend, wenn Menschen, die hier, in der westlichen Welt, aufgewachsen und geprägt wurden, sich selbst diesen Titel gäben. Nach dem gründlichen Flächenbrand im Spätmittelalter sind hier in Europa nur noch Spuren (Sagen, Märchen, Bräuche, Inschriften in alten Häusern…) vorhanden. Wir sind keine lebendige schamanische Kultur mehr. In der Foundation for Shamanic Studies Europe, für die ich tätig bin, finden wir, dass nur indigene Schamanen sich als solche bezeichnen dürfen.
Core-Schamanismus
Mar Wieland unterrichtet den Core-Schamanismus als Faculty Member der Foundation for Shamanic Studies Europe. Dieser «Kern-Schamanismus» basiert auf der Forschung des Antropologen Michael Harner und seiner Frau Sandra Harner und ihren unzähligen Studentinnen und Studenten. Sie haben ihr Leben der Frage gewidmet: «What ist the core?» – Was ist der Kern in der Kosmologie und in den Heilmethoden der indigenen Völker weltweit? Tatsächlich fanden sie globale Übereinstimmungen und schälten nach und nach den Kern heraus – befreit von allen lokalen Prägungen. In respektvoller Zusammenarbeit mit verschiedenen indigenen Tribes entwickelte Michael Harner eine Struktur des Lehrens und des Lernens, die uns wissenschaftlich geprägten Menschen zugänglich ist. Der Core-Schamanismus bietet einen praxisorientierten und auf das Wesentliche konzentrierten Zugang zur schamanischen Heilarbeit und mehr.
Mar Wieland ist eine Schamanisch Praktizierende, die dieses Wissen mit Freude vermittelt und es den Menschen zugänglich macht. Sie sagt: «Der Core-Schamanismus, den ich praktiziere und unterrichte, ist nicht ausschliessend, sondern offen für alle, unabhängig von Herkunft, Religion, Kultur …
Lebenslauf
Die Zürcherin ist 1974 im Kanton Freiburg geboren und aufgewachsen. «Ich war immer bei meinen Grosseltern in Zürich in den Ferien. Dort war für mich das Paradies, und es war für mich immer klar, dass ich eines Tages in Zürich leben möchte. Im Kanton Freiburg fühlte ich mich nie ganz zugehörig. Das lag vielleicht an meinem fremden Dialekt, der etwas anderen Erziehung, unserem Haushalt ohne Fernseher, aber wohl auch daran, dass der Kanton sehr katholisch war, ich aber schon als Kind ein anderes Denken hatte.»
Mar Wieland absolvierte in Freiburg das Lehrerseminar und war schon mit 20 diplomierte Primarschullehrerin. Dann besuchte sie in Bern den Vorkurs der Kunstgewerbeschule. «Zeichnen, alle musischen Fächer, waren meine Lieblingsfächer. Ich las und schrieb auch immer sehr gerne und viel.»
Sie hat das, was man einen offenen Geist nennt.
Da Mar Wieland ihre Lieblingsfächer unterrichten wollte, ging sie nach dem Vorkurs nach Basel und absolvierte das Lehramt in bildender Kunst für Oberstufe und Mittelschule.
«Dann wollte ich eigentlich nach Holland auswandern, wegen der Sprache, der Kultur und der Nähe zum Meer.»
Doch es kam anders! Wielands Grosstanten mussten in ein Pflegeheim. Deren Wohnung wurde frei und die Erben vermieteten sie an Mar Wieland.
«Da habe ich mich intuitiv umentschieden und zog im Jahr 2000 nach Zürich und gründete eine Wohngemeinschaft in dieser Wohnung. Da ich immer wieder berufsbegleitende Ausbildungen absolvierte, war das WG-Leben für mich die einzige Option. Ich habe immer sehr einfach gelebt. Andere machten Reisen, ich bildete mich weiter.» Sie lacht! Mar Wieland lacht viel, Humor ist ihr wichtig und allgegenwärtig. Auch die Geister seien durchaus humorvolle Wesen.
Es war ein Schüler mit besonderen Bedürfnissen und Lebensumständen, der Wieland zur Erkenntnis brachte, dass ihre Fähigkeiten eher im psychologischen Bereich liegen als im pädagogischen.
«Es war dieser Junge mit den perlgrauen Augen. Er hat mich tief berührt. Mir wurde bewusst, dass meine Fähigkeiten eher im psychologischen Bereich, als im pädagogischen, liegen. Ich entschied mich Psychologie zu studieren. Ich gab weiterhin Schule, um mir dieses Studium und einige weitere zu finanzieren.»
Wieland studierte Individualpsychologie am Alfred-Adler-Institut in Zürich. Dann noch Körperorientierte Psychotherapie am Zentrum für Form und Wandlung und bildete sich schliesslich weiter in Traumatherapie (Somatic Experiencing).
Unterdessen erhält diese Trauma-Therapieform auch hier in der Schweiz immer mehr Beachtung. Neben dem Gespräch liegt das Nervensystem und seine Regulation im Fokus, der Körper wird miteinbezogen. Ein Trauma ist immer eine körperliche Erfahrung – deshalb kann es nur mit Denken und Reden nicht im Zellgedächtnis neu verhandelt werden.
Eigenverantwortung – niemand macht einen heil
«Wichtig für meine Arbeit ist die Eigenverantwortung des Menschen», erklärt Wieland, die so sehr in sich zu ruhen scheint, dass es ansteckend wirkt. «Niemand macht einen anderen heil. Darum liebe ich meine Arbeit so. Ich bin eine Art Hebamme. Ich helfe dem Menschen sich selbst in die Welt zu bringen. Es gibt für mich nichts Schöneres als diese Prozesse der Wandlung zu unterstützen und zu bezeugen. Es ist wunderbar, wenn Menschen in die eigene Kraft und Authentizität finden. Die gewählte Methode ist schlussendlich gar nicht so relevant. Ich habe mein Wissen, meine Erfahrung und meine Methoden, die wunderbare Zusammenarbeit mit den Spirits, doch ich habe immer diesen Antrieb noch mehr zu lernen, zu forschen, Zusammenhänge zu erkennen, um damit für andere hilfreich zu sein. Lernen macht mich glücklich.»
«Das Schamanische hilft mir die Traumaarbeit anders, tiefer zu verstehen und umgekehrt.» Sie begleitet Menschen jeden Alters. Die Begleitung kann alle Themen umfassen: Prüfungsangst, Standortbestimmung, Liebeskummer, Trennungen, Krebsdiagnose und so weiter. Alles findet Raum und Zeit. Wieland arbeitet abwechslungsweise in ihrer Praxis in der Stadt Zürich und in ihrem Praxisraum in Schönenberg, wo sie neuerdings auch wohnt.
«Und natürlich liebe ich es für die FSS (Foundation vor Shamanic Studies) Seminare zu unterrichten – vor allem auch auf dem schönen Schluchtalhof in Wädenswil!», erklärt sie mit diesem grossen Lachen und diesem überzeugenden Leuchten, das von innen heraus strahlt.
Ein Geschenk an das Leben
Im Schamanischen Verständnis ist jeder Mensch ein Geschenk für die Welt. Wieland erklärt: «Im indigenen Kontext fragt man ein Kind nicht: Was willst du mal werden? Sondern: Hej, hast du schon etwas herausgefunden über den Traum, den du mitgebracht hast in dieses Leben? Dadurch entsteht Begegnungsraum. Ein jedes Kind will wahrgenommen, gehört und gesehen werden. Würde jeder darum wissen, dass es seine Aufgabe ist, seine mitgebrachten Fähigkeiten in sich zu finden und zum Besten aller zu entwickeln und würde jede die Verantwortung für das eigene Glück und Unglück übernehmen, die Liebe für sich selbst in sich finden … wir wären im Flow und ein Geschenk für die Wesen um uns herum, ein Geschenk für die Welt!»
Sehr viel Konjunktiv! Doch den will Mar Wieland nicht so stehen lassen, sondern Hilfestellung leisten beim Finden dieser neuen Wege.
Persönliches Heimkommen
Mar Wielands persönliches erstes spirituelles Heimkommen war das Sich-Wiederfinden im Vajrayana Buddismus (Karma Kagyü-Linie). Es war auch eine Schulung des Geistes. Durch die Erfahrung der Meditation lernte sie ihren Geist ruhig zu halten und Langsamkeit zuzulassen.
«Ich wurde in meinen vielen Fragen abgeholt», sagt sie. «Der tibetische Buddhismus ist eine Erfahrungsreligion. Das allmorgendliche Meditieren ist meine spirituelle Nabelschnur. Die schamanische Arbeit lässt mich auch den Buddhismus und seine Zeremonien besser verstehen. Irgendwann ist das Verstehen im Körper, wird zum Gefühl. Das ist durch Üben und Erfahren zu erreichen.»
Der Zweifel gehöre dazu, damit man sich immer wieder überprüfe und sorgfältig bleibe.
Wie prägt der Schamanismus das eigene Leben?
«Mein Leben ist davon durchwoben. Schamanismus ist für mich eine Lebensweise. Sie bestimmt die Art und Weise, wie ich mich in der Natur bewege, wie ich wahrnehme. Ich habe meine alltäglichen Rituale, die ich für mich privat ausführe. Sind Menschen in meiner biologischen oder in meiner Herzensfamilie krank oder in schwierigen Situationen, dann nehme ich, wenn sie das wünschen, meine Trommel und gehe für sie auf eine Reise. Die Trommel ist das Transportmittel, das Pferd der schamanisch Praktizierenden. Sie wird in einem bestimmten Rhythmus geschlagen, sodass man vom Tagesbewusstsein in einen schamanischen Bewusstseinszustand wechseln kann, der es erlaubt auf die Reise zu seinen Spirits zu gehen.
Man kann die Hinwendung zum Schamanismus auch als Wiederentdeckung unserer ursprünglichen Spiritualität verstehen. Ein Heimkommen in ein gutes Leben?
Mar Wielands Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Für sie ist es ganz klar: «Ein gutes Leben ist ein Leben in Neugier und Vertrauen und in einem tiefen Wissen, dass man nicht alleine ist – nie. Da ist eine Lebenskraft, die in allem innewohnt – ein göttlicher Funke. Alles ist beseelt und voller Schönheit, ist erleuchtet oder vom Erleuchtungsgeist bewohnt, je nach Tradition sind die Benennungen verschieden. Im urchristlichen oder christlich-mystischen Verständnis ist es Gott, der in allem innewohnt. Der Schamanismus ist Leben in Verbindung und Entwicklung. Wir sind Teil eines Ganzen, verbunden mit allem, was uns umgibt. Da ist auch die Sehnsucht, seinen Platz zu finden in der Welt und in sich, zu wissen, dass man ein Geschenk ist, einfach, weil man ist.»
Man glaubt Mar Wieland gerne, was sie erzählt und vertritt, denn es sind keine Kopfgeburten, sondern gelebte Wirklichkeit, und tatsächlich fühlt man sich in ihrer Gegenwart gesehen …. und als Geschenk für die Welt.
www.shamanism.eu
www.schamanismus-schweiz.ch
www.wieweiter.com