Feuilleton Wädenswil

Die Schiegl-Geschwister rocken die Gastro-Szene

Georg und Bianca Schiegl führen zusammen das Restaurant Wädi-Brau-Huus und sind in der Geschäftsleitung. Auch ihre Schwester ist in der Gastro-Branche tätig. Ursprünglich arbeiteten alle zusammen im Restaurant Engel. Haben die Geschwister ein Gastro-Gen?

Text: Ingrid Eva Liedtke
Bild: zvg

Seit Jahrzehnten ist die Wädi-Brau-Huus AG ein Teil des Wädenswiler Gewerbes. Das im Volksmund als «Wädi-Bräu» bekannte Restaurant wird seit 2019 vom Österreicher Georg Schiegl geleitet. Seit 2019 ist er auch Mitglied der Geschäftsleitung. Seine Schwester Bianca Schiegl arbeitet schon sei 2018 im Wädi-Bräu. Seit 2019 leiten die Beiden das Restaurant, seit 2021 ist auch sie in die Geschäftsleitung.

Drei Geschwister im «Engel»

Es scheint, als ob die Geschwister Schiegl ein Gastro-Gen hätten. Auch die dritte im Bunde, Magdalena, ist in der Gastro-Szene von Wädenswil keine Unbekannte. Sie war sogar die Erste, die von Österreich in die Schweiz kam, um in Wädenswil, im «Engel», zu arbeiten. Das war 2008.
Sie erinnert sich: «Das war damals eher ein Zufall. Ich war an einer Tourismusschule in Österreich und musste ein Praktikum absolvieren. Ich habe viele Bewerbungen in alle möglichen Ecken der Schweiz verschickt. Per Zufallsprinzip traf dann meine Entscheidung auf den ‹Engel› in Wädenswil. Vielleicht hat mich aber auch damals schon das Panorama vom Zürichsee überzeugt. Auch mag ich das ‹Dorfleben› hier in Wädenswil, man kennt und grüsst sich. Es ist nicht zu gross, nicht zu klein, gut gelegen, und es hat ein paar wirklich schöne Flecken zum Verweilen. Es hat mir hier so gut gefallen, dass ich verlängert habe und schliesslich hängen geblieben bin. Das ist jetzt knapp 15 Jahre her.»
Magdalena Schiegl war es, die ihrer Schwester Bianca eine Sommer-Saisonstelle auf dem Wädenswiler Seeplatz vermittelte. Die Seeplatz-Beiz wird vom Hotel Engel betrieben.
Bianca Schiegl: «Ich wollte immer schon mal im Ausland arbeiten. Nach Abschluss der Hotelfachschule in Österreich hat es sich aber nicht ergeben und ich arbeitete einige Jahre in Wien. 2010 war ich unzufrieden mit meinem Job. Meine Schwester arbeitete da bereits in Wädenswil. Über sie wurde mir eine Sommer-Saisonstelle am Seeplatz angeboten.»
Auch Bianca Schiegl gefiel es so gut, dass sie schliesslich blieb. «Die Lage von Wädenswil ist für mich ideal. Man hat den See vor der Türe, die Berge sind nicht weit entfernt. Ich liebe den ländlichen Charakter und bin aber trotzdem in zwanzig Minuten in Zürich.»
Nun arbeiteten beide Schwestern im Engel, und als es Bruder Georg in seinem Beruf als Bankkaufmann nicht mehr gefiel, trat auch er eine Stelle im «Engel» an.
«Ich kam im April 2015. Acht Jahre lang habe ich als Bankkaufmann gearbeitet, in meinem Heimatdorf Gars am Kamp. Ich wollte, wie auch meine Schwestern, mal etwas anderes sehen, einfach weg vom ganz kleinen, ländlichen. Die Arbeit auf der Bank war mir wirklich gar zu anspruchslos, immer dasselbe. In der Gastronomie hingegen ist alles viel unregelmässiger. Das mag ich. Man arbeitet flexibel. Es lebt mehr. Und ich wollte immer gerne in Kontakt mit Leuten sein. Ich mach das Organisatorische gerne. Für meinen Fussballclub habe ich mich schon früher gerne engagiert, wenn es darum ging, ein Fest zu organisieren. Als meine Schwestern sagten, sie bräuchten Verstärkung im ‹Engel›, folgte ich gerne ihrem Ruf. Ohne Ausbildung und Erfahrung bin ich ins kalte Wasser gesprungen. Ich dachte, es sei für einen Sommer und ich geh dann wieder zurück.»
Georg Schiegl lag der Job, und es gefiel ihm immer besser in Wädenswil. Für ihn ist Wädenswil ein guter Kompromiss zu der sehr ländlichen Gegend, aus der er stammt. «Wir kommen aus Niederösterreich, unser Dorf liegt 50 km von der tschechischen Grenze und 80 km von Wien entfernt. Wädenswil ist keine Grossstadt, aber nah bei Zürich. Es ist alles noch persönlicher. Man kennt die Gäste.» Anfangs schienen ihm die Schweizer ziemlich reserviert, auch wenn er von Anfang an gut aufgenommen worden ist. «Doch kennt man sich mal», so sinniert Georg Schiegl, «sind die Beziehungen, respektive Freundschaften mit Schweizern tiefer und verlässlicher.» Und dann kam die Liebe! Georg Schiegl wollte bleiben. Er fand eine Stelle im «Wädi-Bräu» und wurde auch von diesem Team sofort aufgenommen.
Aber wie ist das nun mit diesem Gastro-Gen? Bianca Schiegl: «Unsere Grosseltern hatten in Österreich einen Landgasthof, den mittlerweile meine Tante führt. Unsere Eltern arbeiteten hauptberuflich nicht in der Gastronomie, allerdings haben sie oft an den Wochenenden im Gasthof ausgeholfen.» Georg ergänzt: «Wir waren dann auch oft da.»

Leidenschaftliche Gastgeber

Ob das genetisch ist, weiss niemand so recht. Aber alle Drei sind sich über die Gründe, warum sie gerne in dieser Branche arbeiten, einig, auch wenn es, wie überall, ein paar negative Aspekte zu benennen gibt.
«Es ist nie langweilig. Kein Tag ist wie der andere. Man hat mit vielen verschiedenen Menschen zu tun – Gäste, Mitarbeiter, Lieferanten. Daraus entwickeln sich oft interessante Gespräche und Bekanntschaften. Ich arbeite gerne und ich arbeite gerne viel – und auch der Stress, den der Job mit sich bringt, stört mich nicht – im Gegenteil. Es ärgert mich aber, dass wir in unserem Job oftmals eine geringe Wertschätzung erfahren müssen», so Bianca Schiegl.
Magdalena Schiegl sieht es so: «Es ist super, dass jeder Tag anders ist. Man erlebt viel, lernt immer wieder neue Leute kennen und gewinnt dadurch auch enorm an Menschenkenntnis. Der oft tolle Zusammenhalt im Team gibt sehr viel Motivation für die täglichen Stresssituationen. Womit man sich in der Gastronomie abfinden muss, sind die speziellen Arbeitszeiten. Man muss sich dadurch ein wenig anders organisieren und ab und zu auf Dinge verzichten. Leider hatte ich dadurch bis jetzt noch nicht die Gelegenheit einem Verein beizutreten.»
Für Georg Schiegl ist es eine Leidenschaft, den Leuten etwas Gutes zu tun. «Wenn der Service und das Essen stimmen, ist es eigentlich ein Leichtes, die Leute glücklich zu machen. Ich denke, das sehen meine Schwestern auch so.»

Geschwister-Team

Dass Geschwister gut zusammenarbeiten, ist nicht selbstverständlich. Doch die Schiegls scheinen das Erfolgsrezept zu kennen. Was ist ihr Geheimnis?
«Ja, wir sind ein gutes Team», so Bianca. «Ich höre immer wieder von anderen, dass es für sie unvorstellbar wäre, mit ihren Geschwistern zusammenzuarbeiten. Bei uns funktioniert das sehr gut, sonst würden wir es nicht schon jahrelang tun und uns auch privat noch gut verstehen. Der Vorteil ist, dass wir uns extrem gut kennen und wissen, dass wir uns zu 100% auf den anderen verlassen können.»
Magdalena sagt: «Oft reicht ein Blick und wir wissen genau, was der andere denkt oder braucht.»
Magdalena Schiegl arbeitet unterdessen nicht mehr mit ihren Geschwistern. Sie arbeitet heute in der Stiftung Bühl mit Auszubildenden im Gastrobereich.
Bianca: «Da wir alle schon einige Zeit in der Gastronomie arbeiten, kennen wir die Herausforderungen, die der Job mit sich bringt. Somit können wir uns dementsprechend unterstützen.
Es ist aber nicht immer einfach, Arbeit und Freizeit zu trennen. Aber wir versuchen, im Privaten so wenig wie möglich über die Arbeit zu sprechen. Allerdings ist gemeinsame Freizeit ohnehin eher Mangelware.
Wir drei hatten auch als Kinder ein gutes Verhältnis. Durch die Auswanderung ist unsere Beziehung aber noch viel intensiver geworden, was ich sehr schön finde.»
Georg: «Dies ist der erste Job, den Bianca und ich zusammen ausüben. Im Engel war sie meine Chefin. Hier war es zuerst umgekehrt. Wir wussten nicht, ob es so klappt, doch es hat von Anfang an super funktioniert. Wenn wir anderer Meinung sind, sagen wir dies, aber auf sachlicher Ebene, ohne dass wir gerade einen Familienzwist haben. Wir haben meistens nicht so unterschiedliche Meinungen.» Er grinst.

Nachteile

Eines der Probleme, mit dem alle drei zu kämpfen haben, ist die rare Möglichkeit, die Familie in Österreich zusammen zu besuchen. «Dass wir nie zusammen frei haben, ist wirklich ein Nachteil», sinniert Georg Schiegl.
«Trotzdem gehen wir alle regelmässig nach Hause, um unsere Eltern zu besuchen – oder sie kommen in die Schweiz, um uns zu sehen. Wir können uns aufeinander verlassen. Wir wurden sehr familiär erzogen. Meine Mutter ist mit ihren Schwestern auch in einem Gasthaus aufgewachsen. Die Familie hat einen sehr hohen Stellenwert. Auch meine Freundin hat viele Jahre im Gastgewerbe gearbeitet. Wir sind alle einfach gerne an der Front.» Er überlegt einen Moment. «Ein Koch fehlt noch in der Familie!»

Heimweh?

Obwohl die Geschwister Schiegl alle sehr gerne in Wädenswil leben und sich hier gut eingelebt und beruflich gut entwickelt haben, fühlen sie sich weiterhin als Österreicher, und ab und zu überkommt sie ein wenig Heimweh.
Magdalena: «Ab und zu überkommt mich immer noch ein bisschen Heimweh. Dann weiss ich, dass es wieder an der Zeit ist für einen Heimaturlaub. Manchmal reicht zur Überbrückung auch schon über die Grenze zu fahren, um dort auf ein Leberkässemmerl zu gehen. Ich kann es aber nicht ganz ausschliessen irgendwann wieder zurück nach Österreich, also nach Hause, zu gehen.»
Bianca kann es sich im Moment nicht vorstellen zurück nach Österreich zu gehen. «Was aber in ein paar Jahren sein wird, kann ich nicht sagen. Ich habe kein Heimweh, aber natürlich gibt es Situationen, in denen ich Österreich, beziehungsweise meine Familie, vermisse. Österreich wird immer meine Heimat sein, aber derzeit fühle ich mich in Wädenswil zuhause.»
Auch Georg Schiegl sieht sich nach wie vor als Österreicher, aber es gefällt ihm so gut in der Schweiz, in Wädenswil, dass er hierbleiben will. «Ich bin dabei, hier sesshaft zu werden und mich zu integrieren», sagt er.
Andere Interessen

Für Bianca Schiegl ist die Gastronomie nicht das einzig Sinnstiftende im Leben. Sie wollte noch etwas anderes kennenlernen. «Vor ein paar Jahren wollte ich etwas Neues ausprobieren und machte die Ausbildung zur FaBe in einer Kinderkrippe. Seither arbeite ich 80% im ‹Wädi-Bräu› und 20% in der Kinderbetreuung. Das ist mein Ausgleich, und ich liebe diese andere Tätigkeit, weil ich durch die Kinder ganz anders gefordert werde und mir dadurch gar keine Zeit bleibt, ans ‹Wädi-Bräu› zu denken.»

Den Gästen etwas Gutes tun

Den Gästen, den Menschen etwas Gutes zu tun, ist den Geschwistern das wichtigste Anliegen überhaupt.
Magdalena Schiegl drückt es so aus: «Es macht mir Freude, Gästen eine Freude zu machen. Wenn man im Team sein Bestes gibt und die Zufriedenheit und Dankbarkeit von Gästen erfährt, ist das ein richtig schönes Gefühl.»
Dieser Grundgedanke gilt auch für Bianca: «Ich sehe es als meine Aufgabe, die individuellen Bedürfnisse eines Gastes zu erkennen und – so gut es geht – auch zu erfüllen. Wichtig dabei ist, dass man sich auf ein eingespieltes Team verlassen kann. Es ist schön zu sehen, dass Gäste immer wieder kommen und sich zu Stammgästen entwickeln. Manchmal können dadurch auch gute Bekanntschaften entstehen. Ausserdem finde ich es spannend immer wieder neue Menschen, sowohl Gäste als auch Mitarbeiter, aus anderen Ländern bzw. Kulturen kennen zu lernen.»

Bruder Georg geht ganz in dieser Aufgabe auf. Er liebt es Menschen mit wenig Aufwand glücklich zu machen. Wenn dies wertgeschätzt wird, umso besser! Auch unfreundliche Gäste können ihn nicht abschrecken – im Gegenteil – dann bemüht er sich umso mehr, die Miese­petrigen glücklich zu machen.
Da er selber gerne gut isst, ist ihm ein abwechslungsreiches Angebot ein Anliegen. Auf die kommende Fasnacht freuen sich alle.

Fasnacht

Es ist Fasnachtszeit, was gerade für das Gastgewerbe in Wädenswil jährlich zur besonderen Herausforderung wird. Das «Wädi-Bräu» zeichnet dieses Jahr auch verantwortlich für die Konfetti-Bar im Haus zur Sonne.
Georg Schiegl: «Hier im ‹Wädi-Bräu› läuft derweil der normale Betrieb. Natürlich ist alles dekoriert – wir sind präsent als ‹Fasnachtsbeiz›. Am Hauptwochenende werden viele Gruppen kommen, um hier zu essen. Vor ein paar Jahren waren wir noch nicht so involviert, doch es war uns ein Anliegen bei der Fasnacht mitzumachen, da die Fasnacht für Wädenswil wichtig ist, wie das ‹Wädi-Bräu› auch. Bei uns können auch grosse Gruppen essen. Bis zu sechs Gruppen! Da geht’s dann halt hoch her. Es gibt in dieser Zeit natürlich längere Öffnungszeiten, alles wird dekoriert und wir müssen für die Bar zusätzliches Personal einstellen. Aber wie gesagt: ich liebe das! Lieber ein wenig Stress, als sich zu langweilen, denn das ist negativer Stress! Als die Konfetti-Bar neu ausgeschrieben wurde, dachte ich: das machen wir jetzt auch noch. Ich persönlich liebe Chilbi und Fasnacht und mach deshalb auch gerne mit. Auch bei uns in Österreich gibt es den Fasching, aber hier wird er viel intensiver gelebt.»
Magdalena Schiegl wird die Fasnacht vor allem als Privatperson erleben und ist deshalb ziemlich entspannt. «Ich bin wohl schon eine richtige Wädenswilerin. Ich freue mich immer auf die Fasnacht. Nachdem ich dieses Jahr in keinem Betrieb arbeite, der an der Fasnacht dabei ist, bin ich theoretisch mehr am Feiern als am Arbeiten. Bei meinen Geschwistern geht es allerdings in die andere Richtung, und sie werden in dieser Zeit alle Hände voll zu tun haben, daher ist klar für mich, dass ich sie so gut ich kann, unterstützen werde.»
Bianca Schiegl: «Fasnacht ist eindeutig ein Grund für mehr Arbeit. Zum Feiern bleibt dieses Jahr wenig bis keine Zeit. Obwohl wir als Kinder auch in Österreich ‹Fasching› gefeiert haben, fand ich, ehrlich gesagt, nie grossen Gefallen daran. In Wädenswil hat sich das ein wenig verändert und – wenn ich nicht arbeiten muss – gehe ich gerne an die Fasnacht und dann selbstverständlich auch verkleidet!»
Die Schiegls sind aus Wädenswils Gastroszene nicht mehr wegzudenken. Georg Schiegl kann sich vorstellen, irgendwann mit seinen Schwestern hier in der Gegend etwas Eigenes aufzuziehen. Darum kann man gespannt sein, womit die Geschwister Schiegl die Wädenswilerinnen und Wädenswiler noch überraschen werden.n

2022 wurde der grösste Schweizer Publikumspreis «Best of Swiss Gastro» (BOSG) verliehen. In sieben Kategorien wurden die Besten der Besten der Schweizer Gastronomie gekürt. In der Kategorie «Classic» holte sich das Wädi-Brau-Huus den grossartigen 2. Platz.

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