Richterswil

Die Suche nach Lösungen bei Streitigkeiten

Seit 20 Jahren übt Monika Gerber die Tätigkeit der Friedensrichterin in Richterswil aus und übernimmt dabei eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Streitigkeiten zu schlichten und damit gleichzeitig das Bezirksgericht zu entlasten.

Interview & Bild: Reni Bircher

Jede politische Gemeinde hat einen oder mehrere Friedensrichterinnen/Friedensrichter, möglich sind auch Zusammenschlüsse mehrerer – gemeinhin kleinerer – Gemeinden im Bezirk, die eine gemeinsame Friedensrichterin oder einen Friedensrichter wählen. Sie sind mit wenigen Ausnahmen zwingend die erste Anlaufstelle auf dem Gerichtsweg für Zivilklagen. 

Die Friedensrichterinnen und Friedensrichter stehen unter Aufsicht der Bezirksgerichte und dem Obergericht. Laut dessen Rechenschaftsbericht liegt im Geschäftsjahr 2021 die definitive Erledigungsquote der Friedensrichterämter bei 78 Prozent. Diese Zahlen dokumentieren deutlich den grossen Mehrwert, den Friedensrichterinnen und Friedensrichter bei der Streitbeilegung schaffen. Im Kanton Zürich arbeiten an die 120 Friedensrichterinnen und Friedensrichter.

2003 wurde bei einer Kampfwahl die parteilose Richterswilerin Monika Gerber in das Amt gewählt und erfüllt dieses noch immer mit viel Enthusiasmus und Überzeugung.

Frau Gerber, welchen beruflichen Werdegang haben Sie genommen?
Bis vor drei Jahren war ich als Primarlehrerin im Teilzeit-Pensum tätig. Vor zwanzig Jahren stand ich vor der Entscheidung, ob ich mehr in der Schule unterrichten oder gar eine andere Richtung einschlagen soll. Zu dem Zeitpunkt wurde mir zugetragen, dass die Stelle des Friedensrichteramtes Richterswil frei wird, und ein Amtskollege berichtete mir begeistert von dieser Aufgabe, von der Herausforderung dabei und der Genugtuung, wenn man aktiv zwischen den Parteien vermitteln und schlichten kann. Und da ich ein Mensch bin, der gerne Streitigkeiten schlichtet, habe ich mich ein Jahr lang auf diese Aufgabe vorbereitet und die Wahl gewonnen.

Wo üben Sie Ihr Amt aus?
Die Verhandlungen finden im Gemeindehaus Richterswil statt, das Büro habe ich zu Hause.

Welche Streitigkeiten werden an Sie herangetragen?
Meist Forderungs- und Nachbarschaftsklagen, aber auch erbrechtliche oder arbeitsrechtliche Klagen und in bestimmten Fällen Unterhaltsklagen bei unverheirateten Paaren mit unmündigen Kindern. Strafrechtliche Themen sind nicht beim Friedensrichter.

Wo sehen Sie den Vorteil des Friedensrichteramtes?
Wir arbeiten kostengünstig, effizient und schnell. Wenn ein Fall nicht geschlichtet werden kann, muss dieser an das Bezirksgericht weitergezogen werden, und das kann Monate oder auch Jahre dauern. Mir liegt viel daran, die Streitigkeiten der Parteien bereits auf Stufe des Friedensrichteramtes zu lösen.

Haben Sie in all den Jahren «Zeiterscheinungen» erlebt, also Streitigkeiten, welche kaum mehr in Erscheinung treten, oder andere, die sich mehren?
Einige Bereiche wurden ans Bezirksgericht übertragen, somit fallen Familien- und Bauhandwerkerpfandrecht oder Ehrverletzungsklagen weg. Ich hatte früher mehr Arbeitsrechtsfälle zu klären. Was das Phänomen des stark angestiegenen Onlinehandels betrifft, vermute ich, werden sich künftig Klagen häufen.

Welchen Ursprungs sind die Klagen?
Häufig sind es Kommunikationsprobleme, ungenaue Verträge und Missverständnisse, welche Streitigkeiten verursachen. Beispielsweise hat eine Partei eine Dienstleistung in Anspruch genommen, die im Vornherein nicht als solche definiert wurde und so entsprechend will sie der Zahlungsaufforderung nicht nachkommen. Genau definierte Leistungen, die erbracht wurden, müssen jedoch bezahlt werden, so ist das nun mal. Klare Abmachungen sind elementar! Was im Laufe einer Verhandlung häufig ans Licht kommt, ist, dass der Schuldner nicht über das nötige Geld verfügt … dann kann eine Ratenzahlung vereinbart werden. Als Problem sehe ich, dass die Leute oftmals gar nichts von unserer Schlichtungsstelle wissen und damit die Möglichkeit verpassen, die ihnen geschuldeten Gelder einzufordern. Sie nehmen also eine Ungerechtigkeit einfach hin, dabei könnte ein Schlichtungsgesuch eingereicht, der Fall mit uns bearbeitet und gelöst werden. 

Hat sich Ihre Einstellung zum Menschen an sich verändert, seitdem Sie dieses Amt ausführen?
Eigentlich nicht. Ich bin erstaunt, wie oft die Leute bemüht sind, die Konflikte ruhig und gesittet zu lösen. Im Zuge der Gespräche sehe ich beide Seiten, kann für beide Verständnis aufbringen und sie verstehen – dann muss ich den gemeinsamen Nenner finden.In der Regel gibt es kaum «den» Schuldigen. Trotzdem sassen mir schon Leute gegenüber, die anscheinend in einer eigenen Wirklichkeit leben, fern jeder Vernunft und Einsicht.

Ist es schwierig, die Probleme anderer von sich fernzuhalten, um die Objektivität nicht zu beeinträchtigen?
Ich bemühe mich immer objektiv zu sein, ist wohl auch eine Übung. Manchmal ist es schwierig, weil man doch immer Mensch ist und Emotionen entwickelt. Mir tut es leid, wenn keine Lösung gefunden werden kann. Oder etwa bei einem Vergleich, den ich nicht als gerecht empfinde, fällt es mir schwer, das auszuhalten. Dann bin ich unzufrieden, dass es so herausgekommen ist. Aber die abschliessende Entscheidung treffen die Parteien, da kann ich nichts mehr daran ändern. Ich kann selber nur bei Streitigkeiten von bis zu CHF 2000 entscheiden, wenn keine Einigung absehbar ist. Oder einen so genannten Urteilsvorschlag (bis CHF 5000) unterbreiten, den die Parteien annehmen oder ablehnen können. Ziel wäre schon, dass beide Parteien mit der Lösung leben und sagen können, sie haben einen guten Kompromiss geschlossen.

Was mögen Sie an Ihrer Arbeit?
Ich schätze die Begegnungen mit verschiedensten Persönlichkeiten und die variablen Themenkreise, mit welchen ich mich auseinandersetzen darf, plus die diversen Lösungsmöglichkeiten, welcher jeder einzelne Fall bietet. Dabei hilft meine Lebenserfahrung, eigene Erkenntnisse und Auseinandersetzungen mit bestimmten Themen. Ich bin hartnäckig und nehme mir die nötige Zeit, denn ich will den Konflikt lösen. Notfalls sistiere ich den Fall, damit die Parteien selber nochmals für sich über die Bücher gehen können, oder um aussergerichtlich eine Lösung zu finden. Der Fall sollte aber in einer einzigen Sitzung gelöst und abgeschlossen werden.

Und was stresst Sie?
Was ich nicht dulde, ist, wenn jemand ausfällig oder aggressiv wird, da muss ich intervenieren und ich kann dann auch autoritär auftreten. Stressen tut mich die Arbeit nicht, aber es stört mich , wenn sich jemand in Widersprüche verstrickt und offensichtlich die Unwahrheit sagt. Und ich kann es nicht leiden, wenn jemand versucht, mich auf seine Seite zu ziehen oder den Streit über mich abzuwälzen.

Wer kann Ihre Hilfe in ­Anspruch nehmen?
Alle, die ein zivilprozessliches Problem haben.

www.friedensrichter-zh.ch

www.vfzh.ch

 

Die Kosten eines Schlichtungsverfahrens belaufen sich je nach zeitlichem Aufwand und Höhe des Streitwertes etwa auf CHF 250 bis 1240. Bei einem Streitwert von beispielsweise CHF 500–1000 kann man mit Gerichtsgebühren von ungefähr CHF 250; bei CHF 5000–10 000 mit CHF 375; und bei CHF 100 000–500 000 mit Kosten von CHF 950 rechnen.

Die Prozesskosten werden der unterliegenden Partei auferlegt; bei einem Vergleich ist es gängig, die Gerichtskosten zu teilen.

Unentgeltliche Rechtspflege:

Eine Person kann auf dem Bezirksgericht ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege stellen, wenn sie nicht über die erforderlichen Mittel verfügt. Dies umfasst die Befreiung von Vorschussleistungen und Gerichtskosten oder die gerichtliche Bestellung einer Rechtsbeiständin oder eines Rechtbeistandes.

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