Vom 13. August an zeigt Merve Carisch ihre farbintensiven Bilder im Kunstschaufenster Schönenberg. Die ältere Dame hat als Witwe von Sepp Carisch ein Leben mit der Kunst verbracht. Nun ist die Gelegenheit gekommen, das Eigene ins Schaufenster zu stellen.
Text und Bild: Ingrid Eva Liedtke
Wie so manche kreative Frau stand sie wohl immer ein wenig im Schatten ihres Mannes. Nichtsdestotrotz hat sie ihr eigenes künstlerisches Schaffen nie aufgegeben und ihm immer ihr ganz eigenes Fühlen und Beobachten geschenkt.
Die Frage, was ihr die Malerei bedeute hat ein Strahlen zur Folge. Vielleicht deshalb, weil sich hier endlich ein interessierter Raum auftut, in dem sie sich zeigen darf. Trotzdem sagt sie: «Ich hatte nie das Interesse mit meiner Malerei bekannt zu werden. Es kommt einfach aus mir heraus. Ich liebe Farben und das Darstellen von inneren Zuständen. Manchmal sind es geheimnisvolle Dinge, die sich zum Beispiel in einer Landschaft manifestieren. Oder auch Beobachtungen, die dann Assoziationen und Fragen hervorrufen. Ich will nicht nur einfach etwas darstellen, sondern hinter die Dinge schauen. Der Prozess des Malens ist schön. Man ist wie weg vom Übrigen. Darum nimmt man das wohl auch als Therapieform. Man kann sich von allem lösen».
Der Prozess
Der künstlerische Prozess ist ein intuitiver: «Ich fange einfach mal an und irgendwann überlege ich mir dann vielleicht schon noch, ob noch etwas hinzuzufügen ist, um die Spannung im Bild zu erhöhen. Ich habe angefangen mit Aquarell nach der Natur zu malen. Ich wollte die Lichtverhältnisse, Hell und Dunkel studieren. Ich habe viele Techniken ausprobiert, auch Acryl und Öl. Für die Ölmalerei habe ich zu wenig Geduld. Es braucht so lange, bis die Farben getrocknet sind».
Spannung und Stimmung und das Geheimnis, das dahinter liegt
Merve Carisch ist eine feine Beobachterin, ist fasziniert, wenn plötzlich ein Baum quer wächst. Es sind diese speziellen Ausschnitte, die sie zeigen will, natürlich auch durch ein entsprechendes Farbenspiel.
«Ein Bahnhof, der nicht mehr benutzt wird, ein Hotel, das im Niedergang ist, und Hunde, die herausbellen – Stimmungen des Zerfalls und deren Schönheit faszinieren mich. In all diesen besonderen Stimmungen und Beobachtungen kann ich mich verlieren».
Carisch zählt immer neue Beispiele auf. Ihr Leben ist voll von diesen Beobachtungen, Erfahrungen. «Ein Waldrand voller Eichen», erinnert sie sich «eine Kuhle, ein Ast der darüber hängt, und darüber hängt eine Gummimatte. Ich nahm an, da schlief einer. Und tatsächlich war da einer! – Ich nannte ihn Diogenes. Wie ich erfahren habe, war er mal Lehrer gewesen, aber man habe ihn nicht gebrauchen können, also wurde er Obdachloser. Nun war er grauhaarig und braungebrannt, lag nackig im Gras. Als ich da schauen ging, bin ich leicht erschrocken und habe mich entschuldigt und nachher alles gemalt in Anlehnung an Diogenes im Fass, ein Aussenseiter der Gesellschaft. Die Szenerie hatte auch einen humorvollen Aspekt», Merve Carisch kichert. Sie hat einen feinen Sinn für den Humor solcher Situationen.
Sie erzählt von Kompositionen und den Hintergedanken, die sie oft zum Lachen bringen. «Das Feine, das Hintergründige, das hat meinen Mann und mich verbunden», sagt sie.
Was gibt ihr die Malerei?
«Ich bin glücklich im Prozess und auch wenn das Bild fertig ist und es mir gefällt. Man konnte mich nie vom Malen abhalten. Mein Mann war anfangs kritisch, aber das konnte mich nicht hindern, auch Kritik nicht. Ich habe meine Sache durchgezogen».
Trotzdem war dieses Künstlerleben mit Familie auch eine Zerreissprobe gewesen. Die Aufgabe der heute 85-Jährigen war es, den Haushalt zu führen und das Kind grosszuziehen, das Familienzentrum zu sein. Das weiss man aus anderen Künstlerinnen-Biografien. «Ich hatte eher wenig Ehrgeiz im Kunstleben mitzumachen. Mein Mann hat mich dann später oft animiert auch mitzutun, zum Beispiel bei der Bushäuschenaktion in Wädenswil».
Doch nun ist die Stunde von Merve Carisch gekommen, wo sie ihre Werke zeigt: ab 13. August im Kunstfenster Schönenberg.
Lebensdaten: kreativer Lebenslauf
Geboren ist Merve Carisch 1937 in Weeze. Sie wuchs dann auf in Köln, wo sie und ihre Familie im 2. Weltkrieg ausgebombt wurde. Dann kam sie zum Grossvater in die Mark-Brandenburg, nach Niemeck, wo sie noch heute hinfährt, in das Haus, das sie von ihrem Grossvater geerbt hat.
Sie sagt: «Köln war ein Schwarz-Weiss-Film und die Mark-Brandenburg und mein Grossvater, das war farbig, da konnte ich mich ausbreiten und entfalten, meine Kreativität ausleben».
Die ersten Schuljahre waren abenteuerlich. Die Lehrer waren jung, kamen geradewegs aus der Kriegsgefangenschaft. «Der Schulbetrieb war locker und improvisiert. Wir sassen auf Gartenstühlen».
1950 ging die Familie heimlich aus der DDR über die Grenze. Merve Carisch war wieder bei ihren Eltern, in Köln. Zuerst wohnte die Familie in einer Ruine, alle zusammen in einem Raum.
Merve erhielt ein Stipendium für das Gymnasium, machte Abitur mit Latein, kein Pudding-Abitur mit Haushaltsfächern – wie sie sagt. «Ich liebte Sprachen».
1958 beginnt sie an der Kölner Werkschule eine Goldschmiedelehre und kam dann in die Werkklasse. «Ich hatte eine sehr berühmte und gute Lehrerin, Elisabeth Treskow!»
An der Werkschule in Köln hat Merve dann Sepp Carisch kennengelernt. Als die Schule in Köln aufgehoben wurde, sagte Sepp: «Wir heiraten, komm mit in die Schweiz!» Sie hatte sich nie so wohl gefühlt in Köln. Also ging sie mit.
1963 gingen die beiden in die Schweiz und heirateten. «Ich bin jetzt etwa 60 Jahre Schweizerin», sagt sie und schmunzelt.
In der Schweiz arbeitete Merve Carisch als selbständige Goldschmiedin von zuhause aus. «Da hatte ich gut zu tun. Gemalt habe ich immer, schon als Kind. Es war immer das Malen, was ich gerne gemacht habe. In Zürich habe ich dann Kurse an der Kunstgewerbeschule besucht». Und dann war sie Mutter und Hausfrau …
Ihre Schmuckstücke hat sie jeweils im Fenster ihres Ateliers in Langnau ausgestellt.
In späteren Jahren, ab 2000, zeigte Merve Carisch ihre Bilder in Ausstellungen, die sie zusammen mit ihrem Mann bestritt.
Vom 13. August an zeigt Merve Carisch ihre farbintensiven Bilder im Kunstschaufenster Schönenberg. Die ältere Dame hat als Witwe von Sepp Carisch ein Leben mit der Kunst verbracht. Nun ist die Gelegenheit gekommen, das Eigene ins Schaufenster zu stellen.
Text und Bild: Ingrid Eva Liedtke
Wie so manche kreative Frau stand sie wohl immer ein wenig im Schatten ihres Mannes. Nichtsdestotrotz hat sie ihr eigenes künstlerisches Schaffen nie aufgegeben und ihm immer ihr ganz eigenes Fühlen und Beobachten geschenkt.
Die Frage, was ihr die Malerei bedeute hat ein Strahlen zur Folge. Vielleicht deshalb, weil sich hier endlich ein interessierter Raum auftut, in dem sie sich zeigen darf. Trotzdem sagt sie: «Ich hatte nie das Interesse mit meiner Malerei bekannt zu werden. Es kommt einfach aus mir heraus. Ich liebe Farben und das Darstellen von inneren Zuständen. Manchmal sind es geheimnisvolle Dinge, die sich zum Beispiel in einer Landschaft manifestieren. Oder auch Beobachtungen, die dann Assoziationen und Fragen hervorrufen. Ich will nicht nur einfach etwas darstellen, sondern hinter die Dinge schauen. Der Prozess des Malens ist schön. Man ist wie weg vom Übrigen. Darum nimmt man das wohl auch als Therapieform. Man kann sich von allem lösen».
Der Prozess
Der künstlerische Prozess ist ein intuitiver: «Ich fange einfach mal an und irgendwann überlege ich mir dann vielleicht schon noch, ob noch etwas hinzuzufügen ist, um die Spannung im Bild zu erhöhen. Ich habe angefangen mit Aquarell nach der Natur zu malen. Ich wollte die Lichtverhältnisse, Hell und Dunkel studieren. Ich habe viele Techniken ausprobiert, auch Acryl und Öl. Für die Ölmalerei habe ich zu wenig Geduld. Es braucht so lange, bis die Farben getrocknet sind».
Spannung und Stimmung und das Geheimnis, das dahinter liegt
Merve Carisch ist eine feine Beobachterin, ist fasziniert, wenn plötzlich ein Baum quer wächst. Es sind diese speziellen Ausschnitte, die sie zeigen will, natürlich auch durch ein entsprechendes Farbenspiel.
«Ein Bahnhof, der nicht mehr benutzt wird, ein Hotel, das im Niedergang ist, und Hunde, die herausbellen – Stimmungen des Zerfalls und deren Schönheit faszinieren mich. In all diesen besonderen Stimmungen und Beobachtungen kann ich mich verlieren».
Carisch zählt immer neue Beispiele auf. Ihr Leben ist voll von diesen Beobachtungen, Erfahrungen. «Ein Waldrand voller Eichen», erinnert sie sich «eine Kuhle, ein Ast der darüber hängt, und darüber hängt eine Gummimatte. Ich nahm an, da schlief einer. Und tatsächlich war da einer! – Ich nannte ihn Diogenes. Wie ich erfahren habe, war er mal Lehrer gewesen, aber man habe ihn nicht gebrauchen können, also wurde er Obdachloser. Nun war er grauhaarig und braungebrannt, lag nackig im Gras. Als ich da schauen ging, bin ich leicht erschrocken und habe mich entschuldigt und nachher alles gemalt in Anlehnung an Diogenes im Fass, ein Aussenseiter der Gesellschaft. Die Szenerie hatte auch einen humorvollen Aspekt», Merve Carisch kichert. Sie hat einen feinen Sinn für den Humor solcher Situationen.
Sie erzählt von Kompositionen und den Hintergedanken, die sie oft zum Lachen bringen. «Das Feine, das Hintergründige, das hat meinen Mann und mich verbunden», sagt sie.
Was gibt ihr die Malerei?
«Ich bin glücklich im Prozess und auch wenn das Bild fertig ist und es mir gefällt. Man konnte mich nie vom Malen abhalten. Mein Mann war anfangs kritisch, aber das konnte mich nicht hindern, auch Kritik nicht. Ich habe meine Sache durchgezogen».
Trotzdem war dieses Künstlerleben mit Familie auch eine Zerreissprobe gewesen. Die Aufgabe der heute 85-Jährigen war es, den Haushalt zu führen und das Kind grosszuziehen, das Familienzentrum zu sein. Das weiss man aus anderen Künstlerinnen-Biografien. «Ich hatte eher wenig Ehrgeiz im Kunstleben mitzumachen. Mein Mann hat mich dann später oft animiert auch mitzutun, zum Beispiel bei der Bushäuschenaktion in Wädenswil».
Doch nun ist die Stunde von Merve Carisch gekommen, wo sie ihre Werke zeigt: ab 13. August im Kunstfenster Schönenberg.
Lebensdaten: kreativer Lebenslauf
Geboren ist Merve Carisch 1937 in Weeze. Sie wuchs dann auf in Köln, wo sie und ihre Familie im 2. Weltkrieg ausgebombt wurde. Dann kam sie zum Grossvater in die Mark-Brandenburg, nach Niemeck, wo sie noch heute hinfährt, in das Haus, das sie von ihrem Grossvater geerbt hat.
Sie sagt: «Köln war ein Schwarz-Weiss-Film und die Mark-Brandenburg und mein Grossvater, das war farbig, da konnte ich mich ausbreiten und entfalten, meine Kreativität ausleben».
Die ersten Schuljahre waren abenteuerlich. Die Lehrer waren jung, kamen geradewegs aus der Kriegsgefangenschaft. «Der Schulbetrieb war locker und improvisiert. Wir sassen auf Gartenstühlen».
1950 ging die Familie heimlich aus der DDR über die Grenze. Merve Carisch war wieder bei ihren Eltern, in Köln. Zuerst wohnte die Familie in einer Ruine, alle zusammen in einem Raum.
Merve erhielt ein Stipendium für das Gymnasium, machte Abitur mit Latein, kein Pudding-Abitur mit Haushaltsfächern – wie sie sagt. «Ich liebte Sprachen».
1958 beginnt sie an der Kölner Werkschule eine Goldschmiedelehre und kam dann in die Werkklasse. «Ich hatte eine sehr berühmte und gute Lehrerin, Elisabeth Treskow!»
An der Werkschule in Köln hat Merve dann Sepp Carisch kennengelernt. Als die Schule in Köln aufgehoben wurde, sagte Sepp: «Wir heiraten, komm mit in die Schweiz!» Sie hatte sich nie so wohl gefühlt in Köln. Also ging sie mit.
1963 gingen die beiden in die Schweiz und heirateten. «Ich bin jetzt etwa 60 Jahre Schweizerin», sagt sie und schmunzelt.
In der Schweiz arbeitete Merve Carisch als selbständige Goldschmiedin von zuhause aus. «Da hatte ich gut zu tun. Gemalt habe ich immer, schon als Kind. Es war immer das Malen, was ich gerne gemacht habe. In Zürich habe ich dann Kurse an der Kunstgewerbeschule besucht». Und dann war sie Mutter und Hausfrau …
Ihre Schmuckstücke hat sie jeweils im Fenster ihres Ateliers in Langnau ausgestellt.
In späteren Jahren, ab 2000, zeigte Merve Carisch ihre Bilder in Ausstellungen, die sie zusammen mit ihrem Mann bestritt.