Kolumne

Sommerferienzeit – ein Ärgernis

Es ist ein emotionales Überbleibsel aus meiner Kindheit, dass ich mich zu dieser Zeit immer ein wenig freue. Ein Sommergefühl stellt sich ein, ein Sehnen nach Ferien am Meer, sich sonnen am Strand. Vor sich hindösen, bis man zu heiss hat und sich dann einfach in die Wellen fallen lassen, den Geschmack von Salz auf den Lippen und ein feines Kratzen auf der Haut. Abends Fisch und Meeresfrüchte essen in einem hübschen Restaurant an einem malerischen Hafen und später im Garten des gemieteten Ferienhauses dem Zirpen der Grillen lauschen und die ätherischen Düfte von Thymian, Lavendel und Pinien inhalieren. Davon träume ich immer noch.

Leider habe ich im Sommer nie Ferien. Das letzte Mal, als ich im Hochsommer am Meer war, da war ich elf Jahre alt. Aber diese Ferien waren prägend für mein Sommersehnen. Ich war kaum noch vom Meer wegzubekommen.

Doch nun, über vierzig Jahre später, wäre es mir wahrscheinlich sommers, irgendwo an einem südlichen Meer, viel zu heiss. Ich würde hecheln vor lauter Hitze, auf die Handlung meines Buches könnte ich mich nicht mehr konzentrieren, weil bei Temperaturen über 25 Grad bei mir ein gewisser Leidensdruck aufkommt. Ich würde wohl immer nur im Meer liegen, mir so einen Sonnenbrand holen, nachts nie schlafen und wäre nach zwei Wochen ziemlich erschöpft anstatt erholt. 

Darum verreisen wir nicht mehr während der Sommerferien. Wir buchen dann keine Ferien. Es gibt auch wirklich genügend Gründe, warum man als ältere Person nicht mehr in dieser Schulferienzeit ans Meer reisen sollte. Zuhause bleiben, im schönen kühlen Garten, wo es auch nach Lavendel riechen kann. Oder die Kühle in den Bergen suchen.
Man arrangiert sich, alles so weit gut, wäre da nicht auch ein gewisser Ärger darüber, dass sich während dieser Schulsommerferienzeit das Leben insgesamt irgendwie verlangsamt oder reduziert. Da ist Sommerpause, dort findet kein Yoga mehr statt, Termine werden so vereinbart, dass sie entweder vor oder nach den Sommerferien sind. Es scheint mir, als ob ziemlich vieles warten müsste, bis diese Ferien durch sind. Ich frage mich gerade, wie viele Menschen, prozentual gesehen, wirklich in den Ferien sind. Eltern mit Kindern und Lehrer? Alle anderen, arbeitstätigen Menschen, haben etwa fünf Wochen Ferien im Jahr, und die nehmen sie wohl tendenziell nicht in der Schulferienzeit. Warum also dieser Fokus auf die Sommerferien?

Ich ärgere mich – ein wenig – und ich bin auch neidisch, wenn dann alle weg sind und ihre Standfotos posten und ich an meine alten Träume vom Sommer erinnert werde, die ich nicht mehr leben kann. Trotzdem bleiben diese Sehnsuchtsgefühle.

Schöne Sommerferien wünscht Ihnen Ihre Ingrid Eva Liedtke

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