Richterswil

Kunst im Schulhaus

Im Rahmen der Grossveranstaltung «RICHTIg Kunst» fand am 10. Juni eine Führung im Schulhaus Boden statt, wo es drei Kunstwerke zu entdecken gab.

Text & Bild: Reni Bircher

Wer in Richterswil die Schulbank gedrückt hat, der dürfte sich mehr oder minder an das grosse Fresko in der Eingangshalle des Oberstufenschulhauses erinnern. Der dazugehörige Name des Künstlers, Alois Carigiet (1902–1985), wurde womöglich erst im Erwachsenenalter zu einem Begriff. Dieses Fresko aus dem Jahr 1956 wurde den zahlreich erschienen Besucherinnen und Besuchern von Heinz Jucker – einem wandelnden Lexikon der Richterswiler Geschichte(n) – vorgestellt. Zu sehen sind vier Stationen von «Pankraz, der Schmoller», aus Gottfried Kellers erstem Novellenzyklus «Die Leute von Seldwyla» (1856). Es wird gemunkelt, dass dies alles in Wädenswil und Richterswil spielen würde …
Unterstützt wurde Alois von seinem jüngeren Bruder Zarli Carigiet (1907–1981), dem Volksschauspieler und gelernten Dekorationsmaler. Gewohnt haben die Brüder als Untermieter in der Abwartswohnung von Heiri und Betli Wild. Aus diesem Arrangement wurde eine langjährige Freundschaft.
Die Skizze zu diesem Wandgemälde hängt heute im Lehrerzimmer – dazu gab es eine haarsträubende Geschichte. Der anwesende Kurt Wild erzählte, dass sein Vater, der in dem neu gebauten Schulhaus Abwart war, den handgefertigten Entwurf von Alois Carigiet im Abfall gefunden und gerettet hat. Für ungläubiges Staunen sorgte auch Juckers Bericht über den vor vielen Jahren geplanten Eingang zum ehemaligen Lehrerzimmer, den man mitten durch das Fresko rausbrechen wollte. Auch dort erwies sich Schulhausabwart Wild als Retter des Kunstwerkes.
Das Fresko musste zweimal von Carigiet restauriert werden – einmal wegen einer «Comella»-Attacke. Heute ist das Gemälde durch eine Glasabdeckung geschützt.

Sticken und sprayen

Als nächstes wurden die Gäste in den Singsaal geführt, wo die Richterswiler Textilkünstlerin Maja Dürst ihr Werk, ein Quilt, gleich selbst vorstellen konnte. Dabei erfuhr die Zuhörerschaft wie ein solcher Quilt überhaupt entsteht, mit einer Vorder- und Rückseite und einem Flies in der Mitte, welche durch diverse Näh- und Stickarbeit zusammengefügt werden. Normalerweise färbt die anwesende Künstlerin ihre Stoffe selber, wendet diverse Sieb- und Stempeltechniken zu deren Gestaltung an. Auf dem vorliegenden Werk «Musik ist rot» (2019) benutzte sie fertigen Stoff, welche Musiksymbole und Rosen aufweisen, sowie Tüll, um die Leichtigkeit von Musik zu symbolisieren. Die mit Stoffen und Faden angebrachten Muster wiederholen sich, weil auch jedes Musikstück Passagen hat, die sich repetieren.
Der Artquilt von Maja Dürst hängt hinter Glas – eine absolute Ausnahme in diesem Kunstbereich – weil er in einem Raum hängt, wo viele Menschen sind und auch Veranstaltungen stattfinden.
Für die letzte Station der Kunstführung begaben sich die Leute in die Garderoben unter der alten Turnhalle. Dort sind von Diego Gambon, Mitarbeiter bei der Kinder- und Jugendarbeit Richterswil (kuja), und Pascal Evard, ehemaliger Zivildienstleistender bei der kuja, im Auftrag der Gemeinde Graffitis gesprayt worden. In der Garderobe der Jungs wurde ein Sujet von Keith Haring (1985–1990) gewählt, und Diego verriet, dass sie mit einem Beamer gearbeitet hätten. Das Sujet wird auf die Wand projiziert und
«nachgesprayt». Die leicht irritierte Anmerkung des jungen Mannes: «So mit dem Wandfön habe ich es noch nie gesehen», löste Gelächter aus, aber die Farbe würde schon passen … Diego und Pascal sind in ihrer Freizeit leidenschaftliche Sprayer und nehmen auch Aufträge an.
In der Mädchengarderobe ist ein Popart-Graffiti zu sehen, das in knalligen Farben eine sommerlich angehauchte junge Frau zeigt. Beide Werke prangen seit über zwei Jahren an der Wand, und der aktuelle Schulhauswart Urs Hinder fügte
an, dass es in dieser Zeit nie jemand gewagt hat, die Bilder zu verunstalten: «Es wurde von Jugend für Jugend gemacht, und ich unterstütze solche Projekte total. Wir sollten schauen, dass das Schulhaus auch weiterhin so bunt wird». Diego betonte, dass legal besprayte Wände viel weniger mit Schmierereien von Vandalismus verunstaltet würden.
Dieser spannende Rundgang wurde von den Besucherinnen und Besucher mit viel Applaus bei den Organisatoren und Künstlern verdankt.

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