History Wädenswil

Sepp Carisch – Ein Leben für die Kunst

Am 17. Mai dieses Jahres ist Sepp Carisch (geb. 28.1.1935) gestorben. Er war ein Künstler, ein Bildhauer, der sich mit Leib und Seele seiner künstlerischen Entfaltung verschrieben hat.
Über 20 Jahre lang hatte Josef Carisch sein Atelier an der Einsiedlerstrasse 30 in Wädenswil, zusammen mit seiner Frau Merve, was wichtig ist, da das Paar gemeinsam und in voller Konsequenz ein Leben geführt hat, das sich der künstlerischen Auseinandersetzung widmete.

Betritt man jetzt das Atelier, stehen immer noch einige von Carischs Skulpturen da und legen Zeugnis ab von seiner Leidenschaft für die Bildhauerei. Auf Regalen sind frühere Werke aufgereiht und geben einen Überblick über die verschiedenen Schaffensperioden. Immer ist die Formensprache organisch, auch wenn das Material Kunststoff ist. Seine Liebe zur Natur und das Interesse an allem Menschlichen wird offenbar.
«Sepp liebte die Natur. Er hat sogar im Vogelschutzverein mitgemacht», erinnert sich seine Frau. Die Natur war prägend, organisch seine Formensprache.
Es ging ihm um die Form, darum, seine eigene Form zu finden und auszubilden. Es musste die richtige Form für das Menschliche und das Tierische, für das Verbindende von Natur und Mensch gefunden werden. Dazu schien dem Bildhauer in späteren Jahren Holz der geeignete Werkstoff zu sein. «Holz hat nur den Brennwert. Alles andere ist das, was man als Künstler daraus macht», zitiert Merve Carisch ihren verstorbenen Mann.

Am Anfang von Sepp Carischs künstlerischem Leben stand Metall. Das rührt wohl daher, dass er ursprünglich Goldschmied gelernt hatte. Schon früh zeichnete der begabte Junge und entdeckte seine kreative Ader. Doch in der Schweiz war es damals schwierig, einen gestalterischen Beruf zu erlernen. Es gab sehr wenig Möglichkeiten.
Merve Carisch erzählt: «Ein Kollege riet Sepp an die Kölner Werkschule zu gehen. Diesen Rat befolgte er und besuchte zuerst die Fachklasse für Silberschmiede. Sie bekamen viele Aufträge für Kirchen, grosse Gegenstände für Altäre zum Beispiel. Dies führte dazu, dass Sepp danach noch in die Bildhauerklasse von Ludwig Gies ging, um sich weitere Techniken anzueignen.» Auch Merve Carisch ging an die Kölner Werkschule, um Goldschmiedin zu werden. Dort haben die beiden sich kennengelernt.

Die Vorstellungen von einer romantischen Künstlerehe, von dem «farbigen» Familienleben mit dem gemeinsamen Sohn, kann und will die Witwe Carisch nicht untermalen, sie, die, trotz Mutterschaft und Familie, auch ihren eigenen Weg gehen wollte, die ihren Ausdruck in der Malerei gefunden hat. «Wir haben uns jeder für sich weiterentwickelt.» Das hat das Künstlerpaar nicht daran gehindert, auch Ausstellungen zusammen zu machen.
Wie ist es, wenn die Kunst alles zusammenhält? «Alles floss ineinander», so erklärt sie ihr Leben, das wirtschaftlich teilweise schon «ziemlich erbärmlich» gewesen sei.
«Aber natürlich lebten auch wir nicht nur von Luft und Kunst», gesteht Merve Carisch schmunzelnd. «Wir waren es gewohnt, uns den lebensnotwendigen Gegebenheiten anzupassen. Mein Mann hatte dann mit der Zeit schon seine Fans und Kunstliebhaber, von denen er immer auch wieder Aufträge bekam. Wir sind nicht diese Wege gegangen über Kulturförderung, wir sind keiner Bewegung gefolgt. Wir haben einfach für uns selber gesorgt. Doch wir haben immer wieder interessante Leute kennengelernt, wodurch neue Anregungen kamen, etwas zu gestalten.»
So wird die Erinnerung an allfällige Entbehrungen schnell ersetzt durch den Reichtum des Erlebten und die Erinnerung an das grosse gegenseitige Verständnis. «Wir haben uns in unseren individuellen Interessen und der jeweiligen Selbstverwirklichung unterstützt und verstanden. Dabei durfte der Humor nie fehlen: Humor ist, wenn man trotzdem lacht; lacht, auch wenn man es nicht auf die Reihe kriegt. Wir haben wirklich viel zusammen gelacht. Das ist durch nichts zu ersetzen.» In dem Moment ist bei dieser gefassten, aufrechten Frau das Ausmass ihres Verlustes zu spüren.

Was für ein Mensch war Sepp Carisch? «Er war ein sehr witziger, humorvoller Mensch, sehr gradlinig auch. Er hat immer seine Linie durchgezogen, seinen künstlerischen Weg verfolgt, der kommerzielle Aspekt war für ihn immer sekundär. Als Vater musste er sich dann damit abfinden, dass sein Sohn nicht Künstler werden, kein solches Leben führen wollte. Er – wir – waren eher Einzelgänger, das grosse Vergnügen unter vielen Leuten war nie unser Ding. Dafür ist auch keine Zeit, wenn man sich entwickeln muss. Gute Filme; Kultur, das hat uns interessiert.»
Abschliessend sagt sie ganz bestimmt: «Er hat sein Leben genau so gelebt, wie er wollte.» So bleibt nichts offen: Die Selbstentfaltung hat stattgefunden und endet mit dem Vergehen – wie in der Natur.

Ingrid Eva Liedtke

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