Feuilleton History Wädenswil

Seniorengedanken zur Chilbi

Als Primarschüler aus der Au fuhren wir Kinder 1935 um 14 Uhr mit dem Zug ins Dorf. Das Billett kostete damals 25 Rappen für beide Wege. Ein paar Batzen waren unsere Barschaft, die Rössli-Reitschule war der grosse Renner und steht heute noch am gleichen Platz wie früher. Nebenan hatte ein alter Mann einen Quadratmeter abgesteckt und drei Äfflein führten kleine Kunststücke vor. Grossmütig zahlten wir gerne zehn oder zwanzig Rappen in seinen Hut. Am Seeplatz standen auch Schaubuden mit unheimlichen Programm­ansagen: «Das Leopardenweib», «Die dicke Berta» oder die «Dame ohne Unterleib» lockten Besucher ins Zelt. Das Riesenrad und der «Chetteliflüüger» haben bis in die heutige Zeit kaum an Beliebtheit eingebüsst! Am Bahnhofplatz stand eine Geisterbahn für besonders Mutige. Als Sensation war die Raupenbahn auf dem Postplatz – das war etwa 1938. Der Autoscooter hat sich auch bis jetzt erhalten.
Wir dürfen natürlich das Kulinarische nicht vergessen: Glacé wurde damals nicht verkauft; dafür gab es klebrige Schleckstängel, Magenbrot und Türkenhonig. Die 20er-Mocken waren viel grösser als jene, die in den örtlichen Bäckereien angeboten wurden. Immer waren sie mit Wespenschwärmen umgeben.
Mit dem Vier-Uhr-Zug mussten wir wieder heim, doch durften wir am Abend mit den Eltern wieder durch das Gedränge. Eine Bratwurst war uns sicher, und unsere Mutter kaufte jeweils bei Bettios Früchtestand die ersten Trauben der Saison. Oft zog noch gegen Abend ein Gewitter auf, und so war der Chilbiplatz innert fünf Minuten geleert – zur Freude der umliegenden Gastwirtschaften. In den Hotels Du Lac und Engel, Im Gasthof Hirschen sowie im Restaurant Eintracht wurde zum Tanz aufgespielt. Ein Brauch, der
im Verlaufe der Jahre verschwand.
Möge die Wättischwiler Chilbi auch in vielen weiteren Jahren noch so jung und attraktiv weiterleben!

* 2017 zeichnete Erika Haltmeier aus Naglikon diese Chilbi-Erinnerungen
für den Wädenswiler Anzeiger auf.
Als Erinnerung – Erika verstarb im Juli 2021 – lassen wir die Leserinnen und Leser nochmals an diesen Gedanken teilhaben.

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