Richterswil

Littering – ein gesellschaftliches Problem

Abfälle landen regelmässig auf Wiesen, Gärten, Gehwegen, Sträuchern, Gewässern, Bahngeleisen oder direkt neben dem Abfalleimer. Littering* ist ein Gesellschaftsproblem und wird als solches auch nicht nur von einer bestimmten Gruppierung verursacht.

Text & Bild: Reni Bircher

Aludosen, Petflaschen, Zigarettenstummel, Take-away-Boxen, seit längerem nun auch noch Gesichtsmasken und vieles andere wird fahrlässig und unsachgemäss «entsorgt». Über die Schäden, welche dadurch für Mensch, Tier und Natur entstehen, denkt kaum jemand nach. Und dass die «Abfallklaubereien» in den Zuständigkeitsbereich der Gemeindeangestellten fällt, ist ganz sicher nicht korrekt. 

Seit Oktober bzw. November ste­hen vor dem ­Gemeindehaus an der Seestrasse und dem Häuschen beim Schiffsteg Plakate der Kinder- und Jugendarbeit Richterswil (kuja), die auf das Litteringproblem aufmerksam machen. Die Platzierung wurde auf Wunsch der Jugendlichen gewählt, welche bei dieser Aktion mitgewirkt haben. Die Plätze sind 24 Stunden zugänglich, teils witterungsgeschützt und werden von den jungen Leuten gerne genutzt. «Die Gemeinde kam dem Wunsch der Jugendlichen nach und platzierte Sitzbänke und einen grossen Abfalleimer beim Schiffsteghäuschen», erklärt die kuja. Das Plakat weise darauf hin, dass die Plätze sauber gehalten werden sollen. 

Junge engagieren sich

Das Problem mit dem Littering hat sich seit der Coronakrise noch verschärft. Hinzu kommen die fehlenden Veranstaltungen, geschlossene Bars und Kinos, Abwechslung in der Freizeit. Damit die Jugendlichen weiterhin vor dem Gemeindehaus toleriert werden, mussten die Probleme durch das kuja-Team thematisiert und entschärft werden. Die Jugendlichen zeigten sich dabei interessiert und wollten sich für eine saubere «Zone 53», wie Richterswil im Jugendvokabular auch genannt wird, einsetzen. So entstand durch Zusammenarbeit diese Plakataktion, bei der junge Leute auch bereit waren, sich mit ihrem Namen zu zeigen. Dass durch Fehlverhalten Probleme entstehen, scheint ihnen klar zu sein.

«Teilweise fehlt ihnen noch das Wissen, wie sie sich im öffentlichen Raum adäquat zu verhalten haben», erklärt die Kinder- und Jugendbeauftragte Salome Brander. Das korrekte Verhalten müssen sie noch lernen. In erster Linie wollen Jugendliche einfach «sein», und in ihrem Verhalten steckt keine böse Absicht. «Gundsätzlich ist es ihr Ziel, dass sie an dem Ort bleiben dürfen, wo sie sind», sagt Brander weiter.

Vorbildfunktion?

Im Gegensatz zum Littering, ist das Dilemma, in dem sich junge Menschen gerade befinden, nicht sichtbar: ihnen fehlt der Kontakt zu Gleichaltrigen, was eminent wichtig ist für deren Identitätsbildung respektive -findung. Im öffentlichen Raum würden sie zwar meist als Erwachsene angesehen, sind es aber noch nicht. Aktuell fehlt ihnen das Lernfeld, um erwachsen zu werden. «Das Jugendalter ist eine Zeit, in der es zu einer gesunden Entwicklung gehört, Grenzen zu testen und sich den Regeln der Autorität zu widersetzen», weiss die Psychologin Sabine Zehnder. Die Herausforderung bestehe vor allem darin, dass sie lernen für ihr Handeln auch die Verantwortung zu übernehmen. 

Was auch für Erwachsene nicht einfach sei: «Wir alle müssen lernen, dass mit dem Benutzen der öffentlichen Ressourcen sorgsam und nachhaltig umgegangen werden muss. Das eigene unmittelbare Interesse darf nicht ausschliesslich entscheidend sein für Handlungen», erklärt Zehnder. «Man muss erkennen, dass die Perspektive der anderen auch relevant ist und es möglich ist, dass eine gedankenlose Handlung negative Konsequenzen für jemand anders haben kann. Das ist ein wichtiger Lernschritt in Richtung Erwachsenwerden.»

Dass dieser Prozess für Jugendliche in ihrem unmittelbaren, überschaubaren Umfeld der Wohngemeinde stattfinden kann, erscheint der Psychologin sehr wichtig. Dabei bräuchten sie aber die Unterstützung und Anleitung der Erwachsenen. «Parallel zu diesem Entwicklungsschritt müssen wir Erwachsenen ebenfalls einen solchen im grösseren Rahmen durchlaufen und lernen, Verantwortung zu übernehmen», weiss Sabine Zehnder, «etwa mit unserem Konsumverhalten oder dem ökologischen Fussabdruck – dort, wo die Konsequenzen nicht so offensichtlich sind, wie bei einer weggeworfenen Dose.»

Falsches Bild

Dass vor allem Jugendliche durch Littering negativ auffallen, mag vor allem daran liegen, dass sie sich häufig in Gruppen und «im Dunkeln» bewegen. Verlassen sie nachts den Treffpunkt wieder, bleibt gerne mal etwas liegen. Inzwischen fühlt sich die an der Plakatinitiative beteiligte Jungschar mitverantwortlich, dass «ihre» Orte sauber bleiben. Es sei aber nochmals erwähnt, dass Littering «hausgemacht» und ein Gesellschaftsproblem ist. Allein die weggeworfenen Zigarettenstummel machen 66 Prozent von allen unsachgemäss «entsorgten» Gegenständen aus.

Abschliessend sagt Jugendbeauftragte Salome Brander: «Für die Gesellschaft ist es wichtiger denn je, dass wir uns gegenseitig tolerant begegnen. Unsere Welt braucht mehr Akzeptanz unter den Menschen.»

Im Frühling startet kuja zusammen mit den Gemeindewerken das Projekt «RICHTIg suuber».

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