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Ein Tobel im ständigen Wandel

Das Mülibachtobel verändert sich immer wieder, ist in „Bewegung“. Das hat vielerlei Gründe, wie Förster Patrick Jordil erklärt.

Text: Reni Bircher
Bild: Patrick Jordil

Generell sind Tobel, auch Senken und Schluchten genannt, ständiger Veränderung unterworfen. Das liegt unter anderem daran, dass es ein breites «Einzugsgebiet» für Oberflächenwasser gibt, welches die Hänge über- und unterspült, bis sie beim tiefsten Punkt – in der Regel ein Bach – angelangt sind. Die Beschaffenheit des Erdreiches im Mülibachtobel ist zudem besonders sandig. Kommt es zu starken Regen- oder Schneefällen, so kann sich ein Baum, der besonders gross und schwer ist, nicht mehr im Boden festhalten, weil sich dieser durch die Umstände anfängt zu lösen. 

Eine Windböe kann den Prozess noch beschleunigen: «Wir haben seit ein paar Jahren immer mehr und auch stärkere Winde in den Wintermonaten», sagt Patrick Jordil. Früher kamen heftige Stürme mit Böenspitzen über 200 km/h alle paar Jahre vor, sie häufen sich jedoch (1990 Vivian, 1999 Lothar, 2004 Gerda, 2007 Kyrill, 2008 Emma, 2012 Andrea, 2018 Burglind). «Die Kräfte, die dann wirken, sind enorm, und ein über 30 Meter hoher Baum unterliegt bei Wind einer Art Hebelwirkung und wird entwurzelt.»

Trockenperioden zu lang

Ein weiterer Grund für die erosionsgefährdete Bodenstruktur (Moränenbedeckung mit weichem, instabilen Kies-Lehm- und Sand-Material) sind die immer längeren Hitzeperioden mit wenig Niederschlag, welche den Boden austrocknen und rissig machen. Wenn es dann gelegentlich regnet, wird die Nässe vom Erdreich nicht aufgesaugt, sondern kanalisiert sich vorerst in den Rissen im Boden und trägt nach und nach Material ab, was die Stabilität der Pflanzen und das betroffene Erdreich schwächt. «Im letzten Jahr war es besser mit den Niederschlägen den Sommer durch», erläutert der Förster, «aber eine einzige Saison kann nicht beheben, was in den Jahren davor war.» Das bedeutet aber nicht, dass der Boden schlecht oder ungesund ist: «Es ist ein Zusammenspiel all dieser Elemente, dem das Waldtobel unterworfen ist.»

Reidholzwald

Der Wald auf über 500 m ü.M. hat nur einen rutschgefährdeten Hang, gegen die Einsiedlerstrasse hin. Ansonsten ist das ganze Gebiet ziemlich flach und keiner Gravitation ausgesetzt. Durch die Grösse des Waldes kann sich die Feuchtigkeit im Boden besser regulieren, und das Klima ist immer recht kühl, was sich besonders in den Sommermonaten bemerkbar macht. Die Pflanzen verankern sich gut in der vitalen und tiefen Braunerde. Gefahr droht den Bäumen durch den Wind, weil sie höher und breiter wachsen und somit mehr Angriffsfläche bieten. 

Göldibachtobel

Der lange und schmale Tobelwald, der nur im unteren Teil öffentlich begehbar ist, hat ebenfalls mit den Elementen zu kämpfen. «Der Wald ist so schmal entlang des Baches, dass er weder vor Hitze, Schnee oder Sturm geschützt ist.» Oder schützt: «Ob man sich im Tobel oder auf der Strasse befindet, macht vom Gefühl her kaum einen Unterschied», erläutert Patrick Jordil.

Auch wenn der Boden nicht so sand- und lehmreich ist wie im Mülibachtobel, so droht auch hier den Bäumen durch ihren hohen Wuchs Gefahr durch den Wind. «Am sichersten verankert sind die Baumriesen auf der Seite der ‹Bachmannwiese›, weil sie dank der Braunerde einen besseren Halt haben. Die vielen Regenwürmer, Insekten und Bakterien fördern die Bodenbelüftung und die guten Erdeigenschaften und versorgen sie mit Nährstoffen. Es ist im ‹Göldi› bei weitem nicht so steil wie im Mülibachtobel.» Der Höhenunterschied zum Bach beträgt dort an die 40 Meter, wo es bei seiner kleinen Schwester gerade mal 12 bis 15 Meter sind. Trotzdem sind auch hier schon mehrere Bäume umgekippt.

Mülibachtobel gesperrt

Momentan ist das Mülibachtobel gesperrt. Zahlreiche Bäume, die durch den starken Schneefall im Januar geknickt wurden oder umgestürzt sind, müssen mit einem Helikopter wegtransportiert werden. «Die hängen teilweise in der Luft oder stehen derart unter Spannung, dass es für uns zu gefährlich ist, dort zu räumen», erklärt Jordil. Die Wege sind unpassierbar, das Betreten des Waldes ist bis auf Weiteres untersagt. «Die Sicherheit des Wanderweges muss gewährleistet sein, aber bis Mitte März sollten wir den Wald geräumt haben.»

Der Förster sieht das «Unglück» auch als Chance: «Die Bäume stehen in dieser Schlucht zu eng beieinander, deshalb streben sie fast ausschliesslich in die Höhe, dem Licht entgegen, und nicht in die Breite, was eine bessere Stabilität bedeuten würde». Nun dürften sich die anderen Bäume etwas ausbreiten, neue natürliche Pflanzen wachsen. Eine Verjüngungskur für den Wald.

Patrick Jordil ist gerne Förster hier in Richterswil-Samstagern. «Es ist ein spannendes Gebiet. Zum einen ist da der Zürichsee, die vielen Bäche sowie die voralpinen Höhronen, das macht das Gebiet ungemein interessant», meint der Mann, der seit 2011 hier verwurzelt ist.

www.sturmarchiv.ch

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