Der Gnadenhof der Familie Blümlein-Hugentobler heisst enerQi – wie die homöopathische Praxis von Astrid Blümlein und ihre Tierpension. Es wird schnell klar, dass man sich in dieser Familie der Ganzheitlichkeit verpflichtet fühlt, den Tieren und auch den Menschen, einem guten Zusammenleben in gegenseitigem Respekt, auch gegenüber dem Land, auf dem dieses Leben stattfindet.
Text & Bilder: Ingrid Eva Liedtke
«Wir sind ein Gnadenhof, aber trotzdem dem Leben zugeneigt.» Dies ist einer der ersten Sätze von Astrid Blümlein; gesagt, während sie mir an einem stürmischen Nachmittag ihren Hof zeigt.
Hier leben in ihrer Art, Grösse und Alter völlig unterschiedliche Tiere friedlich und zufrieden miteinander. Sie sind hier, weil sie ihre Funktion nicht mehr optimal erfüllen konnten. Sei es die Stute, die nach etlichen Besamungen doch nicht tragend wurde, das Stierkälbli, das gleich nach der Geburt misshandelt wurde, das Springreitpferd, das nicht mehr reitbar ist, weil es jeden Reiter abwirft, das Dressurpferd, das sich nicht mehr willig unter dem Sattel zeigt, ein Reitschulpferd, das nicht mehr täglich so oft seine Runden mit Kindern drehen kann wie von ihm erwartet wird, weil sein Rücken nicht mehr mitmacht oder der Hengst, der nur Zweiter wurde bei der Fohlenschau und deshalb in dieser Welt keinen Platz mehr zu haben scheint. All diesen Tieren, die aus solchen und ähnlichen Gründen kurz davorstanden zum Metzger zu müssen oder tierärztlich euthanasiert zu werden, wird hier eine Daseinsberechtigung gegeben und ein Lebensplatz geschaffen.
Nach langer Suche hat Astrid Blümlein schliesslich diesen Hof gefunden, um jedem Lebewesen die bestmöglichen, seiner Art nahen Lebensumstände zu bieten. Alle Familienmitglieder sollen hier in einer glücklichen Gemeinschaft leben können: Mensch, Tier, Pflanzen und Land, denn auch dem Boden, auf dem die Gemeinschaft lebt, wird Sorge getragen.
Der Wind ist beissend, die Temperaturen sind rasant gesunken und es schneit quer. Das riesige Shirepferd lässt sich vom Unwetter nicht beeindrucken und neigt freundlich seinen massiven Kopf zu mir herunter, damit ich ihm über die Nüstern streichen kann. Im Innern des Stalls erwartet uns Babsi, das Schwein. «Babsi meint, sie sei ein Pferd», erklärt mir Astrid Blümlein schmunzelnd den eher seltenen Umstand, dass ein Schwein selbst entschieden hat, dass sein Lebensraum der Pferdestall sein soll. Das kommt daher, dass Babsi als kleines Schweinchen schon auf einem Pferdehof aufwuchs, nachdem es vom Kinderzoo im Alter von drei Monaten an eine Privatperson abgegeben wurde. Im Stall des Gnadenhofes in der Au Schönenberg erwartet uns die alte Sau, ein Hängebauchschwein, mit freundlichem Gegrunze. Daneben strecken fünf Pferde ihre langen Hälse durch natürlich geschwungene Pfähle und beäugen mich neugierig.
Ich bewundere den wunderschön gestalteten Stall, wie vorher schon die Aussenfassade der Scheune mit ihren vielen kleinen Schnitzereien an den Giebel-Abschlüssen und den Rändern der Tore. Alle Gebäude, die erhalten werden konnten, wurden mit natürlichen Materialien saniert. Die Zäune, draussen wie drinnen, sind aus hartem Akazienolz. Ganze Stämme in ihrer natürlichen Form wurden verwendet. Und Holz musste es sein, meint Astrid Blümlein, die Pferde mögen Holz. Zudem wurde bedacht, dass ein Pferd nicht nur gerne seinen Hals streckt bei der Futteraufnahme, sondern dies auch sehr förderlich ist für einen gesunden Rücken. «Meistens fressen Pferde aus Futterraufen, die nicht bis zum Boden reichen. Dadurch frisst das Pferd auf einer gewissen Höhe, was nicht dem natürlichen Bewegungsablauf bei der Futteraufnahme eines Pferdes in der Natur entspricht», erfahre ich von Astrid Blümlein. Das habe ich nicht gewusst.
Die Tierheilpraktikerin und Homöopathin hat sich intensiv mit Pferden und, wie sich noch zeigen wird, mit all den Tieren, die auf ihrem Hof leben, auseinandergesetzt. Sie kennt ihre Bedürfnisse. Darum hat die Familie beim Umbau des Hofes jedes Detail bedacht. «Die Renovation dieses Landguts war ein intensiver und langer Prozess. Wir haben uns Zeit gelassen und alles mehrfach durchdacht, um allen Bedürfnissen auf natürliche Art und Weise gerecht zu werden.» Deshalb recken jetzt die fünf Pferde ihre Köpfe durch die Holzpfähle, um das Heu, das in einem Mittelgang, liegt zu fressen. Sie können sich frei im Stall bewegen und die, die sich besonders gut mögen, die befreundet sind, können beieinanderstehen. «Unsere mittlerweile 21 Pferde leben in der Gruppe, Herde ist dafür ein falscher Ausdruck. Eine Herde bildet sich natürlich und wird nicht über den Menschen zusammengestellt», erklärt mir Astrid Blümlein.
Unter den Pferden gibt es eine Rangordnung. Kendra, die Freibergerstute führt die Herde in den meisten Bereichen an und sie bestimmt nun auch, wo sie sich hinstellen will. Die anderen weichen zur Seite. Das läuft alles sehr friedlich ab, obwohl das Aushandeln der Rangordnung eine durchaus kämpferische Angelegenheit sein kann.
Astrid Blümlein kennt jedes der Pferde mit Namen. Jedes hat seine, oft traurige Geschichte, wie es auf den Hof gekommen ist.
Draussen heult der Wind und ich stehe da im warmen Stall, auf Waldboden-Streu und bin umringt von Pferden, die neugierig an mir schnuppern und sich den Kopf streicheln lassen oder entspannt an ihrem Heu kauen – das ist Tiefenentspannung pur.
Auch der «Waldboden» ist etwas Besonderes und hat eine Funktion. Er «verdaut» sich von unten her selbst. «Es müssen jeweils also nur die Pferdeäpfel entfernt werden und nicht die ganze Streu und so gibt es weniger Mist, im Sommer sind eindeutig weniger Stechmücken im Stall.»
Wieder draussen im Freilaufgehege der Pferde zeigt mir Astrid Blümlein das Pferd ihrer Tochter Lisamarie. «Sie wollte immer so ein Pferd haben wie Pipi Langstrumpf. So haben wir ihr eines Tages erzählt, wir würden mit ihr Eis essen fahren ins Tessin. Sie fährt nicht gern Auto, ihr wird meistens schlecht. Sie fand das zwar keine tolle Idee, hat sich aber doch ins Auto gesetzt. Was haben ihre Augen gestrahlt, als sie schliesslich vor dem Pferd stand!» Und wirklich sieht das Pferd aus wie «kleiner Onkel». Lisamarie reitet es ohne Sattel. Sie ist 15 Jahre alt und arbeitet wie die ganze Familie auch auf dem Landgut. Sie hat sich nach der Sekundarschule für ein Zwischenjahr zur Berufsfindung entschieden. Momentan steht sie mitten in der Kuhherde. Nur eine militärgrüne Kapuze ist zu erkennen.
Ihre um ein Jahr ältere Schwester Rosalie macht eine Lehre als Tierpflegerin in der Tierpension ihrer Mutter. Gerade arbeitet sie auf dem Hof, damit sie auch mit so grossen Tieren wie Kuh und Pferd Erfahrungen sammeln kann.
Der Sturm hat zugenommen. Die Kühe zwängen sich unters Scheunenvordach. Ein riesiger, alter Ochse leckt mit seiner grauen, rauhen Zunge meine Hand. Zwischen grossen Kühen, alle mit Hörnern, schlängeln sich ein paar kleine schwarze hindurch. Es sind keine Kälber, sondern Dahomey-Zwergrinder – die kleinste Rinderrasse der Welt und vom Aussterben bedroht. Sie verursachen wegen ihres geringen Gewichtes kaum Trittschäden und eignen sich hervorragend zur Weidepflege.
Das Landgut enerQi liegt mitten in der Drumlin-Landschaft am Rande des Golfplatzes Schönenberg. Die urwüchsige Gletscherlandschaft mit den natürlichen Feuchtwiesen bietet ideale Bedingungen für die ursprüngliche und naturnahe Tierhaltung. Das Tier ist nicht nur Nutztier, ein Tier ist etwas wert, es ist ein Familienmitglied. Darum bekommen die Tiere hier einen Lebensplatz. Sie werden in die Gruppe integriert und finden ihren Platz, den sie nie mehr wechseln müssen. Die Familie achtet auf ausgewogene Ernährung – sowohl für Mensch als auch für das Tier. Reinigung und Pflege erfolgen möglichst ohne Chemikalien. So werden auch Boden und Grundwasser geschont. Das Beste für Mensch, Tier, Pflanzen, Boden und Wasser. Nach dieser Philosophie lebt die Familie Blümlein-Hugentobler.
Patenschaften bieten Unterstützung
Das ist nachhaltig, aber auch sehr zeitintensiv und «finanziell anstrengend», wie es Astrid Blümlein, die Betriebsleiterin, ausdrückt. Grosstiere so frei zu halten erfordert viel Fingerspitzengefühl, Flexibilität und Erfahrung. «Das ist jedes unserer Tiere uns wert. Es ist keine einseitige Sache. Die Tiere geben unglaublich viel zurück.» Sie hat sich bis 2019 zur Bäuerin ausbilden lassen, um den Hof zu einem produktiven Landwirtschaftsbetrieb umzuwandeln. «Es gibt doch einige Menschen, die unsere Philosophie und den natürlich partnerschaftlichen Umgang mit Tieren unterstützen. Patenschaften für die aufgenommenen Tiere des Gnadenhofbereichs werden gerne übernommen und helfen das Vorhaben zu tragen. Verschiedene Konzepte werden ausgebrütet und teilweise schon ausprobiert, einzelne Produkte wie Süssmost, Zwetschgenkonfi und Johannisbeergelee kann man ab Hof kaufen, ein Hofladen und eine Besenbeiz sind in Planung. Immer wieder finden Kurse und Seminare statt. Geführte Ausflüge auf Pferden und Ponys können ebenfalls gebucht werden. Kindergeburtstage machen hier besonders viel Spass. Von der fast schon meditativen, sicher heilenden Stimmung im Austausch mit den Tieren/Pferden profitieren schon regelmässig einige Gruppen, wie Senioren («Altersheim besucht Tieraltersheim»), Schulen und Familien, Kinder der Region und einfach interessierte Spaziergänger, die den enerQi-Hof besuchen. Auch in der Ausbildung befindliche Pferdebetreuer nehmen hier wertvolle Erfahrungen zur natürlichen Haltung von Tieren mit. Der Hof soll auch Anschauungs- und Erlebnisort sein, ein Ort, der aufzeigt, wie es funktionieren kann, dass Mensch und Tier in einer fruchtbaren und artnahen Weise zusammenleben und dabei auch dem Boden Sorge tragen.
Individuelle Freizeitgestaltung? Dafür bleibt kaum Zeit. «Am Wochenende spielen wir manchmal zusammen Spiele oder schauen uns einen Film an. Doch wir sind alle glücklich mit diesem Leben… und wir haben noch viele Ideen, die wir umsetzen möchten. Das Ziel ist, dass der Betrieb sich irgendwann selbst trägt.»
Astrid Blümlein und ihre Familie haben sich mit viel Überzeugung und Leidenschaft der nachhaltigen Landwirtschaft und dem Leben mit Tieren verschrieben. Sie zeigen auf, wie man einen respektvollen Umgang mit der Natur finden kann. Ihr Hof in Schönenberg ist wirklich einen Besuch wert und solche Projekte sind es auf jeden Fall wert, unterstützt zu werden.
www.enerqi-ag/landgut.ch
Patenschaften und Events
Informationen unter Telefon 043 811 88 33
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Der Gnadenhof der Familie Blümlein-Hugentobler heisst enerQi – wie die homöopathische Praxis von Astrid Blümlein und ihre Tierpension. Es wird schnell klar, dass man sich in dieser Familie der Ganzheitlichkeit verpflichtet fühlt, den Tieren und auch den Menschen, einem guten Zusammenleben in gegenseitigem Respekt, auch gegenüber dem Land, auf dem dieses Leben stattfindet.
Text & Bilder: Ingrid Eva Liedtke
«Wir sind ein Gnadenhof, aber trotzdem dem Leben zugeneigt.» Dies ist einer der ersten Sätze von Astrid Blümlein; gesagt, während sie mir an einem stürmischen Nachmittag ihren Hof zeigt.
Hier leben in ihrer Art, Grösse und Alter völlig unterschiedliche Tiere friedlich und zufrieden miteinander. Sie sind hier, weil sie ihre Funktion nicht mehr optimal erfüllen konnten. Sei es die Stute, die nach etlichen Besamungen doch nicht tragend wurde, das Stierkälbli, das gleich nach der Geburt misshandelt wurde, das Springreitpferd, das nicht mehr reitbar ist, weil es jeden Reiter abwirft, das Dressurpferd, das sich nicht mehr willig unter dem Sattel zeigt, ein Reitschulpferd, das nicht mehr täglich so oft seine Runden mit Kindern drehen kann wie von ihm erwartet wird, weil sein Rücken nicht mehr mitmacht oder der Hengst, der nur Zweiter wurde bei der Fohlenschau und deshalb in dieser Welt keinen Platz mehr zu haben scheint. All diesen Tieren, die aus solchen und ähnlichen Gründen kurz davorstanden zum Metzger zu müssen oder tierärztlich euthanasiert zu werden, wird hier eine Daseinsberechtigung gegeben und ein Lebensplatz geschaffen.
Nach langer Suche hat Astrid Blümlein schliesslich diesen Hof gefunden, um jedem Lebewesen die bestmöglichen, seiner Art nahen Lebensumstände zu bieten. Alle Familienmitglieder sollen hier in einer glücklichen Gemeinschaft leben können: Mensch, Tier, Pflanzen und Land, denn auch dem Boden, auf dem die Gemeinschaft lebt, wird Sorge getragen.
Der Wind ist beissend, die Temperaturen sind rasant gesunken und es schneit quer. Das riesige Shirepferd lässt sich vom Unwetter nicht beeindrucken und neigt freundlich seinen massiven Kopf zu mir herunter, damit ich ihm über die Nüstern streichen kann. Im Innern des Stalls erwartet uns Babsi, das Schwein. «Babsi meint, sie sei ein Pferd», erklärt mir Astrid Blümlein schmunzelnd den eher seltenen Umstand, dass ein Schwein selbst entschieden hat, dass sein Lebensraum der Pferdestall sein soll. Das kommt daher, dass Babsi als kleines Schweinchen schon auf einem Pferdehof aufwuchs, nachdem es vom Kinderzoo im Alter von drei Monaten an eine Privatperson abgegeben wurde. Im Stall des Gnadenhofes in der Au Schönenberg erwartet uns die alte Sau, ein Hängebauchschwein, mit freundlichem Gegrunze. Daneben strecken fünf Pferde ihre langen Hälse durch natürlich geschwungene Pfähle und beäugen mich neugierig.
Ich bewundere den wunderschön gestalteten Stall, wie vorher schon die Aussenfassade der Scheune mit ihren vielen kleinen Schnitzereien an den Giebel-Abschlüssen und den Rändern der Tore. Alle Gebäude, die erhalten werden konnten, wurden mit natürlichen Materialien saniert. Die Zäune, draussen wie drinnen, sind aus hartem Akazienolz. Ganze Stämme in ihrer natürlichen Form wurden verwendet. Und Holz musste es sein, meint Astrid Blümlein, die Pferde mögen Holz. Zudem wurde bedacht, dass ein Pferd nicht nur gerne seinen Hals streckt bei der Futteraufnahme, sondern dies auch sehr förderlich ist für einen gesunden Rücken. «Meistens fressen Pferde aus Futterraufen, die nicht bis zum Boden reichen. Dadurch frisst das Pferd auf einer gewissen Höhe, was nicht dem natürlichen Bewegungsablauf bei der Futteraufnahme eines Pferdes in der Natur entspricht», erfahre ich von Astrid Blümlein. Das habe ich nicht gewusst.
Die Tierheilpraktikerin und Homöopathin hat sich intensiv mit Pferden und, wie sich noch zeigen wird, mit all den Tieren, die auf ihrem Hof leben, auseinandergesetzt. Sie kennt ihre Bedürfnisse. Darum hat die Familie beim Umbau des Hofes jedes Detail bedacht. «Die Renovation dieses Landguts war ein intensiver und langer Prozess. Wir haben uns Zeit gelassen und alles mehrfach durchdacht, um allen Bedürfnissen auf natürliche Art und Weise gerecht zu werden.» Deshalb recken jetzt die fünf Pferde ihre Köpfe durch die Holzpfähle, um das Heu, das in einem Mittelgang, liegt zu fressen. Sie können sich frei im Stall bewegen und die, die sich besonders gut mögen, die befreundet sind, können beieinanderstehen. «Unsere mittlerweile 21 Pferde leben in der Gruppe, Herde ist dafür ein falscher Ausdruck. Eine Herde bildet sich natürlich und wird nicht über den Menschen zusammengestellt», erklärt mir Astrid Blümlein.
Unter den Pferden gibt es eine Rangordnung. Kendra, die Freibergerstute führt die Herde in den meisten Bereichen an und sie bestimmt nun auch, wo sie sich hinstellen will. Die anderen weichen zur Seite. Das läuft alles sehr friedlich ab, obwohl das Aushandeln der Rangordnung eine durchaus kämpferische Angelegenheit sein kann.
Astrid Blümlein kennt jedes der Pferde mit Namen. Jedes hat seine, oft traurige Geschichte, wie es auf den Hof gekommen ist.
Draussen heult der Wind und ich stehe da im warmen Stall, auf Waldboden-Streu und bin umringt von Pferden, die neugierig an mir schnuppern und sich den Kopf streicheln lassen oder entspannt an ihrem Heu kauen – das ist Tiefenentspannung pur.
Auch der «Waldboden» ist etwas Besonderes und hat eine Funktion. Er «verdaut» sich von unten her selbst. «Es müssen jeweils also nur die Pferdeäpfel entfernt werden und nicht die ganze Streu und so gibt es weniger Mist, im Sommer sind eindeutig weniger Stechmücken im Stall.»
Wieder draussen im Freilaufgehege der Pferde zeigt mir Astrid Blümlein das Pferd ihrer Tochter Lisamarie. «Sie wollte immer so ein Pferd haben wie Pipi Langstrumpf. So haben wir ihr eines Tages erzählt, wir würden mit ihr Eis essen fahren ins Tessin. Sie fährt nicht gern Auto, ihr wird meistens schlecht. Sie fand das zwar keine tolle Idee, hat sich aber doch ins Auto gesetzt. Was haben ihre Augen gestrahlt, als sie schliesslich vor dem Pferd stand!» Und wirklich sieht das Pferd aus wie «kleiner Onkel». Lisamarie reitet es ohne Sattel. Sie ist 15 Jahre alt und arbeitet wie die ganze Familie auch auf dem Landgut. Sie hat sich nach der Sekundarschule für ein Zwischenjahr zur Berufsfindung entschieden. Momentan steht sie mitten in der Kuhherde. Nur eine militärgrüne Kapuze ist zu erkennen.
Ihre um ein Jahr ältere Schwester Rosalie macht eine Lehre als Tierpflegerin in der Tierpension ihrer Mutter. Gerade arbeitet sie auf dem Hof, damit sie auch mit so grossen Tieren wie Kuh und Pferd Erfahrungen sammeln kann.
Der Sturm hat zugenommen. Die Kühe zwängen sich unters Scheunenvordach. Ein riesiger, alter Ochse leckt mit seiner grauen, rauhen Zunge meine Hand. Zwischen grossen Kühen, alle mit Hörnern, schlängeln sich ein paar kleine schwarze hindurch. Es sind keine Kälber, sondern Dahomey-Zwergrinder – die kleinste Rinderrasse der Welt und vom Aussterben bedroht. Sie verursachen wegen ihres geringen Gewichtes kaum Trittschäden und eignen sich hervorragend zur Weidepflege.
Das Landgut enerQi liegt mitten in der Drumlin-Landschaft am Rande des Golfplatzes Schönenberg. Die urwüchsige Gletscherlandschaft mit den natürlichen Feuchtwiesen bietet ideale Bedingungen für die ursprüngliche und naturnahe Tierhaltung. Das Tier ist nicht nur Nutztier, ein Tier ist etwas wert, es ist ein Familienmitglied. Darum bekommen die Tiere hier einen Lebensplatz. Sie werden in die Gruppe integriert und finden ihren Platz, den sie nie mehr wechseln müssen. Die Familie achtet auf ausgewogene Ernährung – sowohl für Mensch als auch für das Tier. Reinigung und Pflege erfolgen möglichst ohne Chemikalien. So werden auch Boden und Grundwasser geschont. Das Beste für Mensch, Tier, Pflanzen, Boden und Wasser. Nach dieser Philosophie lebt die Familie Blümlein-Hugentobler.
Patenschaften bieten Unterstützung
Das ist nachhaltig, aber auch sehr zeitintensiv und «finanziell anstrengend», wie es Astrid Blümlein, die Betriebsleiterin, ausdrückt. Grosstiere so frei zu halten erfordert viel Fingerspitzengefühl, Flexibilität und Erfahrung. «Das ist jedes unserer Tiere uns wert. Es ist keine einseitige Sache. Die Tiere geben unglaublich viel zurück.» Sie hat sich bis 2019 zur Bäuerin ausbilden lassen, um den Hof zu einem produktiven Landwirtschaftsbetrieb umzuwandeln. «Es gibt doch einige Menschen, die unsere Philosophie und den natürlich partnerschaftlichen Umgang mit Tieren unterstützen. Patenschaften für die aufgenommenen Tiere des Gnadenhofbereichs werden gerne übernommen und helfen das Vorhaben zu tragen. Verschiedene Konzepte werden ausgebrütet und teilweise schon ausprobiert, einzelne Produkte wie Süssmost, Zwetschgenkonfi und Johannisbeergelee kann man ab Hof kaufen, ein Hofladen und eine Besenbeiz sind in Planung. Immer wieder finden Kurse und Seminare statt. Geführte Ausflüge auf Pferden und Ponys können ebenfalls gebucht werden. Kindergeburtstage machen hier besonders viel Spass. Von der fast schon meditativen, sicher heilenden Stimmung im Austausch mit den Tieren/Pferden profitieren schon regelmässig einige Gruppen, wie Senioren («Altersheim besucht Tieraltersheim»), Schulen und Familien, Kinder der Region und einfach interessierte Spaziergänger, die den enerQi-Hof besuchen. Auch in der Ausbildung befindliche Pferdebetreuer nehmen hier wertvolle Erfahrungen zur natürlichen Haltung von Tieren mit. Der Hof soll auch Anschauungs- und Erlebnisort sein, ein Ort, der aufzeigt, wie es funktionieren kann, dass Mensch und Tier in einer fruchtbaren und artnahen Weise zusammenleben und dabei auch dem Boden Sorge tragen.
Individuelle Freizeitgestaltung? Dafür bleibt kaum Zeit. «Am Wochenende spielen wir manchmal zusammen Spiele oder schauen uns einen Film an. Doch wir sind alle glücklich mit diesem Leben… und wir haben noch viele Ideen, die wir umsetzen möchten. Das Ziel ist, dass der Betrieb sich irgendwann selbst trägt.»
Astrid Blümlein und ihre Familie haben sich mit viel Überzeugung und Leidenschaft der nachhaltigen Landwirtschaft und dem Leben mit Tieren verschrieben. Sie zeigen auf, wie man einen respektvollen Umgang mit der Natur finden kann. Ihr Hof in Schönenberg ist wirklich einen Besuch wert und solche Projekte sind es auf jeden Fall wert, unterstützt zu werden.
www.enerqi-ag/landgut.ch
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