Allgemein Wädenswil

Ein Sgraffito ist Geschichte

Während beinahe 70 Jahren gehörte das Kindergartengebäude auf dem Areal der Schulanlage Glärnisch in Wädenswil zum vertrauten Ortsbild. Seit Januar 2020 sind der Rückbau und die Vorbereitungen für den Ersatzneubau in Gang. 

Mit dem Abbruch ist leider auch ein wertvoller Zeitzeuge vergangener Baukultur entschwunden. Die Erinnerungen daran sind jedoch nachhaltig.

Das nach den damaligen Bedürfnissen konzipierte zweigeschossige Gebäude an der Glärnischstrasse 7 wurde in den Jahren 1949 bis 1950 nach den Plänen des Wädenswiler Architekten Heinrich Kübler (1908–1968) erbaut und galt als modernes, durchdachtes Objekt. Im Hanggeschoss mit Zugang auf der Nordseite fand sich Platz für den Hort, im Erdgeschoss darüber war der Kindergarten beheimatet. Dank des überdachten Vorbaus auf der Südseite konnte der Kindergarten stets wind- und wettergeschützt sowie trockenen Fusses erreicht werden. Eine hier installierte Sitzbank, der kleine runde Wasserbrunnen davor und die nach Osten in die idyllische Umgebung eingebettete Spielwiese waren bei den Kindergartenschülern äusserst beliebt und inspirierend.

Interessantes Zeugnis der Nachkriegskultur

Die Nordfassade des Gebäudes zierte ein reizvolles Sgraffito, das Schüler und Passanten während Jahrzehnten gleichermassen fas­zi­nierte und in seinen Bann zog. Die verklärenden Blicke auf die Jugend mögen heute zwar etwas befremden, doch gerade deshalb stellte das Wandbild ein interessantes Zeugnis der Nachkriegskultur dar. Es regte zum Nachdenken an und hatte eine wohlbehütete und beschützende Wirkung auf die Schüler wie auf die Betrachter. 

Und dies war auch vonnöten. Das Einzugsgebiet des «Chindsgis» erstreckte sich damals vor allem über den westlichen Dorfteil wie etwa die Quartiere Glärnisch, Krähbach, Neudorf, Büelen, Gulmen, Musli, Hangenmoos, Stoffel, die Seferen bis hin zur Arbeitersiedlung im Gwad in der Au, was zu Klassengrössen mit mehr als 35 Kindern führte. Die teils kilometerweiten Wegstrecken mussten täglich zweimal hin und zurück – ohne Elterntaxi wohlverstanden – auf Schusters Rappen gemeistert werden. Heute wohl eher unvorstellbar.

Letztes Werk eines Wädenswiler Künstlers

Nach Auskunft des Wädenswiler Historikers Prof. Dr. h. c. Peter Ziegler wurde das Sgraffito durch den Wädenswiler Künstler Paul Haldimann (1893–1951) geschaffen. Haldimann war Theater- und Kunstmaler und Lehrer an der Malerfachschule Wädenswil. Er bevorzugte Aquarelle, doch gehörten ebenfalls Federzeichnungen und Ölgemälde mit Sujets aus der Umgebung zu seinen Werken. Beim Wohnzentrum Fuhr (Sonnenuhr) und eben beim Kindergarten Glärnisch betätigte er sich als Fassadenmaler. Gemäss Peter Ziegler, war dieses Sgraffito das letzte Werk des bekannten und geschätzten Künstlers, der am 26. Mai 1951 viel zu früh verstarb. (Bi.) 

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