Wädenswil

Das Geld neu erfinden – geht das?

Das Geld neu erfinden – geht das?

Am 6. März organisierte die Transition-Wädenswil-Bewegung eine Podiumsdiskussion mit zwei Inputreferaten zum Thema «Genial lokal – Geld & Gemeinwohl». Thema war «eine zukunftsfähige, solidarische und partizipative Regionalentwicklung, frei von den Zwängen des globalen Geldsystems». Chancen und Möglichkeiten wurden rege diskutiert – wie zum Beispiel eine eigene Lokalwährung. Durchgeführt wurde der Abend von der Transition-Projektgruppe Oikonomia, deren Ziel es ist, konkrete Impulse für den ökologisch-sozialen Wandel zu geben und reale Projekte für eine lebenswerte und «enkeltaugliche» Region umzusetzen.

Statt destruktiver Wachstumszwang in einer globalisierten Wirtschaft eine zukunftsfähige, selbstbestimmte Regionalentwicklung. Geht das?

Zwei Referenten erzählten vor etwa 60 interessierten Gästen, wie bürgergetragene Initiativen die lokalwirtschaftliche Entwicklung demokratisieren und solidarischer gestalten können und warum dabei das Geld eine zentrale Funktion einnimmt. 

Die im Rahmen der Zürcher Nachhaltigkeitswoche durchgeführte Veranstaltung begann mit dem Referat von Jens Martignoni, Autor des Buches «Das Geld neu erfinden». Martignoni, Jahrgang 1963, ist Dozent für Innovationsmanagement und Mathematik an verschiedenen Fachhochschulen und arbeitet seit vielen Jahren an der Entwicklung von alternativen Wirtschaftsformen und neuen Geldsystemen. 

Jens Martignoni

Martignoni erklärte in seinem Referat, wieso seiner Meinung nach eine Region eine eigene Währung, abgelöst vom globalen Geldsystem, braucht. Er führt wirtschaftliche, soziale und Umweltprobleme auf ein «falsches» Geldsystem zurück und bezeichnet dieses als «Monokultur». Preise für Waren oder Dienstleistungen würden in eine falsche Richtung zeigen, Martignoni führte als Beispiel sinkende Flugpreise und steigende Immobilienpreise an. «Je billiger etwas ist, umso höher sind die externen unbezahlten Kosten und der Energieverbrauch», meinte der Ökonom. Als anschauliches Beispiel führte er das fiktive Dorf «Immerwil» an, zeigte ein funktionierendes und ein nicht funktionierendes System der Geldflüsse auf und wie Immerwil mittels Nachhaltigkeitsprozess zu einer Region im ökonomischen Gleichgewicht werden könnte. Ausserdem führte Martignoni Beispiele von Regionen an, die sich bereits intensiv mit sich und ihrer ökonomischen Zukunft auseinandergesetzt haben; so etwa Langenegg oder Sardinien. Die Vorarlberger Gemeinde hat mit den «Talenten» ihre eigene Währung. Die Talente fördern das Einkaufen im Ort, womit ein möglichst geschlossener Kreislauf entsteht. Auf Sardinien rollt statt des Euro der Sardex. Auf der italienischen Insel haben kreative Unternehmer mit der Ersatzwährung Sardex ein Rezept gegen die Folgen der Euro- und Bankenkrise gefunden. Sardex ist alternatives Zahlungsmittel, das der von der Rezession gebeutelten sardischen Wirtschaft wieder auf die Sprünge helfen soll. Dabei haben sich Unternehmen auf der Insel zu einem Netzwerk zusammengeschlossen und zahlen für Dienstleistungen sowie Güter in Sardex statt in Euro. 

«Eine Region braucht eine eigene Währung, um sich im globalen System Eigenständigkeit zurückzuerobern», meinte Martignoni abschliessend. Sein Fazit: «Wir müssen ganz neu zusammenarbeiten!»

Uwe Burka

Das zweite Referat hielt Uwe Burka. Burka ist ausgebildeter biodynamischer Entwicklungshelfer und internationaler Berater und Planer für sozial-ökologische Landschafts-, Siedlungs- und Stadtentwicklungen. Er ist Mitbegründer von zwei sozial-ökologischen Dorfgemeinschaften (Camphill) mit neuen Geld- und Wirtschaftssystemen in England und Thüringen und ausserdem Autor des Buches «Jeder kann die Zukunft mitgestalten». Burka ist überzeugt, dass unser globales Geldsystem zusammenbrechen wird. Er erinnerte an die letzte grosse globale Finanzkrise und meinte, dass die Blase wieder platzen könne und deshalb Parallelwirtschaften installiert werden sollen. Burka machte auch darauf aufmerksam, dass bis 1980 anteilsmässig mehr Geld in der Realwirtschaft als in der Spekulationswirtschaft im Umlauf war. Heute habe sich das verschoben: jetzt würden 60 bis 70 Mal mehr Geld in der Spekulationswirtschaft gehandelt. «Wir handeln mit Mitteln, die wir gar nicht haben», stellt er fest. Burka ist sich aber bewusst, das eine grundlegende Veränderung nicht einfach wird: «Es ist nicht so einfach, mit einer Lokalwährung zu beginnen, weil wir noch zu viel Geld haben.» Für einen Sinneswandel brauche es Bewusstsein und Betroffenheit. Den Ansatz dazu sieht er auch in unserem Bildungssystem: «Wir müssen ein Bildungssystem stärken, das die intuitiven Fähigkeiten mehr fördert.»

Schliesslich stellten sich die beiden Referenten den Fragen des Publikums.

Zu ihnen gesellten sich noch Raphael Bünter und Lucas Meile von Transition sowie Ralf Nacke, Diplom-Volkswirt und vertraut mit den Herausforderungen in den Themenbereichen Ökologie, Umweltschutz und Organisationsentwicklung.

Die Fragen betrafen vor allem die praktische Umsetzung einer möglichen Lokalwährung und wie man überhaupt beginnen solle. Uwe Burka meinte dazu, dass man einerseits Konsumenten und Produzenten brauche – und andererseits den Handel, der mitzieht. Auch Ralf Nacke bestätigte: «Es braucht Unternehmer, die das überhaupt anpacken!» Jens Martignoni machte darauf aufmerksam, dass der Schweizer Franken weiter nebenher bestehen würde, dass die genaue Umsetzung im Vorfeld bei der Planung geklärt werden müsse. 

Transition Wädenswil schliesslich warb noch für ihre Anliegen, insbesondere die Projektgruppe Oikonomia, die Ideen konzeptioniert und konkrete Umsetzungsmassnahmen für eine zukunftsfähige Entwicklung der regionalen Wirtschaftskreisläufe gestaltet. Sie sucht noch weitere «Visionäre» für ihre Anliegen. (stb)

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