Wädenswil

Da ist jemand, der mich versteht

Liebe Rita, ich fühle mich geehrt, dass ich heute zu dir kommen kann, zu jemanden der so viele Jahre bei uns mitgearbeitet hat.
Rita: (lacht)

Wenn du dich an die Anfänge erinnerst, was kommt dir in den Sinn?
Damals, 1989, begannen wir mit dem sogenannten HGU, dem Heimgruppenunterricht. Ich war eine von 10 Müttern, die mit 5-6 Kindern sich einmal pro Woche für den Religionsunterricht trafen. Wir wurden dafür vorher in einem Kurs ausgebildet.

Was war deine Motivation?
Als ich damals mit der Familie vom Bündnerland nach Wädenswil kam, habe ich mich erkundigt, wie das mit dem Religionsunterricht hier stattfindet. Selber hatte ich nicht gerade schöne Zeiten im Unti erlebt. Da wollte ich wissen, was meine Kinder hier erwartet.

Da hat es dich gerade gepackt?
Marlene Zocci und Jolanda Despont haben Leute rekrutiert und uns motiviert, die katechetische Ausbildung zu machen. Mein Vater war einmal zu Besuch und hat auch gesagt: «Mach doch das. Das kannst du!» Es brauchte damals eine dreijährige Ausbildung. Mit den anderen Frauen zusammen hat es mir sehr viel Spass gemacht und wir haben uns auch nachher gegenseitig unterstützt und ausgeholfen.
Die Pfarrkirche war ähnlich wie heute. Den Kreuzweg gab es noch nicht. Ich erinnere mich etwa, wie Margrit Bingisser und ich gemeinsam unterrichteten und auch geputzt haben. Wir feierten einmal im Monat Schülergottesdienst an einem Abend unter der Woche und viele Kinder kamen. Allmählich wurden einem die kirchlichen Räume und Menschen vertrauter.
Es gab nebst vielen guten Jahren aber auch eine Zeit, wo ich mich allein gelassen fühlte und wenig Unterstützung erfuhr.

Was hast du alles in den 27 Jahren für uns gemacht?
Seit 1995 half ich mit beim Erstkommunionunterricht mit. Besinnungsabende mit Brot und Wein, die ersten Stoffbilder zum jeweiligen Erstkommunionsthema entstanden; die durften man anfangs noch nicht im Altarraum aufhängen. Mit Regina Aklin fingen wir an, die Bilder mit Farben zu malen, das war viel einfacher und jedes Jahr ziehen wir nun die 4 x 3,5m grossen Bilder vorne im Kirchenraum auf. Es ist ein Werk, wo alle Kinder und Eltern zusammen malen und das Motto der Erstkommunion zusammen entstehen lassen.

Rita zeigt zwei grosse Alben mit Erstkommunionbildern: Jesus der gute Hirte, das Gleichnis vom Gastmahl, vom Weinstock und den Reben, die Geschichte der Jünger im Boot und die Emmausjünger … ungezählte Vielfalt.

Du warst letztes Jahr in Emmaus!
Ich wollte immer schon einmal nach Israel, aber es dauerte bis 2016, bis dieser langgehegte Wunsch in Erfüllung ging: Jetzt sehe ich bei den biblischen Geschichten die Landschaft vor mir und kann sie viel besser verstehen und auch anderen nahebringen. Die Kinder fragen auch ständig nach, wie sah es dort aus, und wollen alles ganz genau wissen. Bei der Zachäus Geschichte kann ich jetzt sagen: in Jericho waren wir, und wir haben auch die Bäume dort gesehen. Die Israelreise war für mich so wertvoll, das hätte ich eigentlich schon viel früher machen müssen.
Von der dritten in die vierte Klasse ist es für die Kinder ein grosser Schritt. Dieser Sommer macht viel aus. Die Kinder werden reifer und auch pubertierender. Ihre Fragen werden kritischer. Das ist ganz spannend.
Ich ging einmal in einen Laden, da fragte mich ein ehemaliger Schüler, ob ich immer noch Religion unterrichte und ob mir das noch nicht verleidet sei, was ich verneinte. «Haben Sie Nerven!» – «Wieso?» Dann sagte er, eigentlich wäre es schon interessant gewesen, aber er hätte manchmal so blöd getan, dass er sich heute dafür schäme. Er hätte halt einfach mit den andern mitgemacht. Auch denen, die ich auf die Firmung eine Karte schrieb, meldeten sich jedes Mal. Viele ehemalige Schüler kennen einen und grüssen in der Stadt. Auch den Kontakt mit den Eltern fand ich immer toll. Einmal sagte mir eine Mutter: «Sie, wie gehen Sie mit meinem Kind um?» Ich erschrak zunächst und fragte: «Warum?» «Das ist das erste Mal, dass mein Kind nach Hause kommt und sagt: ‹Da ist jemand, der mich versteht.›» Wenn man selber ein Kind hat, das mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, dann ist das nicht einfach, aber man lernt enorm viel und entwickelt sich weiter.
Ich bin sonst noch in der Dienstags-Liturgie-Gruppe, singe seit 17 Jahren im Kirchenchor mit, helfe mit bei den Rorate-Zmorge.

Du bist auch im Katholischen Frauenverein und hilfst bei der Spaghetteria mit. Eigentlich überall, wo etwas ist, sehe ich dich!
Ich arbeite gerne mit in der Pfarrei – sonst wäre ich nicht so lange geblieben.

Du hast ganz viele Leute gesehen. Was ist dein Geheimnis, dass du mit allen gut auskommst?
Ich kann mich gut anpassen. So kann ich auch mal den Mund halten, auch wenn mir etwas im ersten Moment nicht passt. Man kann von jedem, der neu kommt, etwas lernen. Etwas Neues ausprobieren zu können ist mir wichtig. Die Erfahrung macht viel aus. Mit jeder Gruppe läuft es anders, man muss sich auch anpassen können und auf die Einzelnen eingehen.

Wolltest du schon immer Katechetin werden?
Eigentlich nicht, ich bin eher hineingewachsen. Zu sehen, wie man heute Kinder unterrichtet, das hat mir gefallen.

Würdest du es wieder machen?
Es ist eine schöne und sinnvolle Aufgabe, bei der man viel Gutes erlebt. Auch von den Kindern kommt viel zurück. Das alles erfüllt einen. Meine Familie hat mich immer unterstützt. Meine Kinder hatten so auch einen speziellen Zugang zum Glauben.
Die Zeiten haben sich schon geändert. Kinder wachsen heute mit sehr vielen Hausaufgaben auf und haben viele Termine.

Auch wenn du «nur» in Wädenswil unterrichtet hast, hast du mit enorm vielen Menschen zusammengearbeitet.
(Rita zählt über zwanzig Namen von ehemaligen Mitarbeitern auf.) Mit den zehn Untimüttern vom Anfang sind es schon über dreissig. Dazu kommen noch etliche Praktikantinnen und Praktikanten dazu. Es müssten weit über 60 Leute sein, mit denen ich zusammenarbeitete! Ich konnte eigentlich mit allen gut. Es war eine schöne Zeit. Ich gehe mit einem lächelnden und einem weinenden Auge.

Du gehst im Sommer in deine wohlverdiente Pension. Wann ist die Abschiedsfeier?
Ich werde sicher nicht ganz weg sein (lacht). Bei den 1. Klasse-Unti Tagen 2018 werde ich mithelfen. Ich werde im Herbst wieder im Ministrantenlager kochen. Neu habe ich Zeit bei den Seniorennachmittagen dabei zu sein. Am Fest der Pfarrkirche, am 20. August dieses Jahres, im 10 Uhr Gottesdienst, gibt es eine offizielle Abschiedsfeier.

Wünsche an Wädenswil?
Mir ist es ein Anliegen, dass es weitergeht, dass man auch weiterhin Leute findet, die unterrichten. Dass es weiterhin Leute gibt, die mittragen. Ebenso liegt mir ein gutes Miteinander am Herzen. Das Gemeinsame motiviert und macht alles einfacher.

Dein Lieblingsort in Israel? Unvergesslich sind mir die gemeinsame Wanderung auf den Berg Tabor und der Blick auf die Hirtenfelder bei Bethlehem.

Bibelstelle?
Das Gleichnis vom barmherzigen Vater. Wir hatten ein Daheim, wo man über alles reden konnte.

Heilige?
Ich bete zu Jesus, zu Gott. Maria auch.

Lieblingsmusik?
Ich habe gerne klassische Musik. Bündnerlieder liegen mir am Herzen. Mit dem Bündner Gemischten Chor Zürich werden wir 2018 Weihnachtslieder singen, die auf Romanisch übersetzt wurden.

Gott möge dich und deine Familie für alles Gute, das du uns geschenkt hast segnen. Wir sind glücklich, dass du so lange bei uns warst und weiterhin nicht ganz weg bist. Herzlichen Dank für das Gespräch.
Mit Rita Alig sprach Felix Zgraggen.

Teilen mit: