Wädenswil

Hausgeburten bei uns in der Region – wer macht schon sowas?!

«Weisst Du, es ist einfach ein grosses Geschenk, dass wir zu Hause gebären durften! Wir hätten uns nicht vorstellen können, zur Geburt in ein Spital zu gehen! Hier fühlen wir uns wohl und alles hat wunderbar geklappt. Unsere Geburtsgeschichte scheint so einfach und schön gewesen zu sein im Vergleich zu dem, was wir von anderen, welche nicht zu Hause geboren haben, gehört haben!» Diese Worte höre ich sechs Tage nach der Geburt ihrer Tochter Livia mit strahlenden Augen von Daniel und Mirjam.

Was sind das für Leute, welche sich für eine Hausgeburt entscheiden?

Wenn ich früher ein «typisches Hausgeburtspaar» gezeichnet hätte, wären es wahrscheinlich so «alternative, hippieangehauchte» Paare. In meiner Hebammenzeit hat sich dieses Bild aber total verändert. Es sind selbstbestimmte Paare, welche sich intensiv mit dem Eltern­werden beschäftigen und die Schwangerschaft sowie die Geburt als einen natürlichen, jahrmillionenalten Vorgang betrachten. Es sind auch nicht unbedingt Paare, welche in einem Einfamilienhaus wohnen. Auch für Nachbarn ist es ein grosses Ereignis, wenn ein Kind in ihrem Haus zur Welt kommt. Sie werden im vornherein von den werdenden Eltern informiert.

So auch Mirjam und Daniel. Sie arbeitet bei der Spitex und er in einer Gartenbaufirma. Durch Freunde und einer ihnen bekannten Hebamme kamen sie auf die Geburt zu sprechen und entschieden sich gemeinsam für die Hausgeburt.

Im Juni 2016 haben wir uns das erste Mal getroffen. Mirjam kämpfte mit grosser Schwangerschaftsübelkeit und unser erstes Treffen fand deshalb nicht bei mir in der Praxis, sondern bei ihnen zu Hause in Hütten statt. So begann unser gemeinsamer Weg. Die weiteren Schwangerschaftskontrollen, bis auf den Ultraschall in der 21. Schwangerschaftswoche, wurden von mir durchgeführt. Wir lernten uns immer besser kennen, was Vertrauen schaffte. Ein Kind darf, sofern alles bei Mutter und Kind in Ordnung ist, ab drei Wochen vor dem errechneten Termin zu Hause zur Welt kommen. Anfang Januar war dieser Moment. Ich brachte Mirjam und Daniel den Geburtspool, welchen sie gemietet haben. Mit grosser Vorfreude richteten die Beiden ihr Geburtszimmer ein.
Drei Tage nach dem errechneten Termin, während der Schwangerschaftskontrolle, haben wir noch darüber diskutiert, wann sich das Kind auf den Weg machen möchte. Die Anzeichen für eine baldige Geburt waren gut, aber in die Zukunft sehen können wir alle nicht. Prompt hat sich Mirjam bei mir am selben Abend per SMS gemeldet, dass sie vermehrt einen harten Bauch spürt. Super! Ich ging extra früh ins Bett, da ich mich auf eine Nachtschicht einstellte. Aber nein, erst am Morgen, kurz vor 09.00 Uhr rief mich Mirjam an. Sie hatte eine gute Nacht und konnte etwas schlafen, aber jetzt seien die Wehen doch stärker. Daniel war noch am Arbeiten. Wir vereinbarten, dass sie sich wieder meldet, wenn sie mich bei sich haben möchte. Um die Mittagszeit kam das Telefon von Daniel, dass sie sich freuen würden, wenn ich zu ihnen käme. Die Wehen seien regelmässig in kurzen Abständen. Als ich bei den werdenden Eltern in Hütten ankam, lag Mirjam im Bett und veratmete die Wehen sehr gut. Wir entschieden gemeinsam, dass sie in den Pool gehen dürfe. Daniel füllte diesen mit warmen Wasser. Im Pool konnte Mirjam gut entspannen und in den Wehen tüchtig zu ihrem Kind atmen. Was für eine schöne Atmosphäre mit Kerzenlicht und viel Ruhe! Daniel konnte viel mithelfen mit kleinen Sachen, wie zu Trinken anbieten, Mirjam aufs WC begleiten, Snacks holen und mehr. Die Geburt ging zügig voran; dem Kind, Mirjam und aber auch Daniel ging es gut. Es zeichnete sich ab, dass das Baby bald zur Welt kommen wird. Und wirklich! Um Punkt 17.00 Uhr am 31. Januar 2017 erblickte ein neuer Erdenbürger das Licht der Welt. Lange haben wir alle auf diesen Moment gewartet! Und jetzt? Was ist es? Mädchen oder Junge? Erst einige Zeit nach der Geburt haben die frischgebackenen Eltern einen Blick riskiert und gesehen, dass es ein Mädchen ist. Ihre Tochter Livia. Viel Liebe war im Raum spürbar als Mirjam und Daniel die kleinen Details wie etwa die Fingerchen von ihrer Tochter betrachteten. Was für ein Wunder, ein kleines Geschöpf auf der Welt willkommen heissen zu dürfen!
Unterdessen ist Livia wie gesagt einige Tage alt. Sie gehört schon ganz zur Familie, auch wenn ihre Eltern manchmal ihr Glück kaum fassen können. Es war so, wie sie es sich vorgestellt haben. Sie durften ihre Tochter zu Hause, in ihrer vertrauten Umgebung mit einer Person willkommen heissen, welche sie schon über längere Zeit kennengelernt haben.
Ich wünsche der Familie von ganzem Herzen viele wunderschöne gemeinsame Momente und dass sie immer wieder aufs Neue an diesen kraftvollen, magischen 31. Januar 2017 zurück denken werden!
Caroline Eith

Gut zu wissen:
• Informationen zum Thema Hausgeburt unter www.hebamme.ch
• Im Jahr 2015 kamen in der Schweiz 771 Kinder zu Hause zur Welt
• Es gibt diverse Ausschlusskriterien für eine Hausgeburt
• Bei jeder Geburt in der Schweiz sollte eine Hebamme, muss aber nicht unbedingt ein Arzt/eine Ärztin vor Ort sein. Optimalerweise kommt zu Hause eine zweite Hebamme zur Geburt
• Für den Fall einer notwendigen Verlegung in ein Spital ist die Frau in in einem Spital provisorisch zur Geburt angemeldet
• Die Hebammenleistungen werden von der Krankenkasse übernommen

Zur Autorin
Nach langer Zeit als leitende Hebamme im See-Spital habe ich nach einer 4monatigen Tägigkeit in Indien meine freiberufliche Arbeit im August 2015 in der Region begonnen. Seit April 2016 begleite ich Hausgeburten und durfte in dieser Zeit bereits 11 Kinder zu Hause begrüssen. Zwei davon in Wädenswil, eines in Schönenberg und jetzt Livia in Hütten. Die Eltern all dieser Kinder motivierten mich immer wieder, die Möglichkeit der Hausgeburt, mehr publik zu machen. Aus diesem Grund ist dieser Bericht entstanden.

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