Am letzten Septemberwochenende feierten Wädenswil und Richterswil «150 Jahre linksufrige Zürichseebahn». Höhepunkt der Festlichkeiten in Wädenswil war die Zugstaufe einer S-Bahn-Komposition, die künftig mit dem Wädenswiler Wappen unterwegs ist.
Text & Bilder: Stefan Baumgartner
Schon am Samstagmorgen spürte man: Da lag was in der Luft. So etwa das schrille Pfeifen aus der 100-jährigen Ae 3/6II, die den Extrazug aus Zürich kommend ankündigte, oder das berühmte «Dü-Da-Do» der Postautos, also die Tonfolge cis-e-a aus der Ouvertüre von Gioachino Rossinis «Wilhelm Tell». Historische Busse verbanden an diesem Wochenende die Festgemeinden und unterstützten so die historischen Bahn-Shuttles.
So also versammelte sich eine stattliche Festgemeinde bei Perron 1, bestaunte die historische Zugskomposition ebenso wie den modernen Triebwagenzug mit der umständlichen Bezeichnung RABe 511-003 und freute sich offensichtlich, dass das Wädenswiler Wappen nach einigen Jahren Absenz wieder auf dem Schienennetz unterwegs ist. Vorgänger des neues Stadler-Rail-Zugs mit Wädenswiler Wappen waren ein SOB-Triebwagen mit Baujahr 1959, der zwar noch existiert, aber heute mit Namen «Babette» vor Kiestransporte gespannt wird, und ein Prototyp der Gotthard-Lok Re 620, der 1972 in Betrieb genommen wurde und im August 2018 durch Verkauf an ein auf Überführungs- und Versuchsfahrten spezialisiertes Unternehmen der Verschrottung entging. Diese 10 600 PS starke Lok trägt heute das Schweizer Wappen.
Zugstaufe mit Zürichsee-Wasser
Die Zugstaufe moderierte Werner Schurter, Leiter Zürcher S-Bahn. Er erzählte den zahlreichen Schaulustigen und den geladenen Gästen, dass er gar nicht existieren würde, gäbe es die linksufrige Bahnlinie nicht, haben sich doch seine Eltern während einer Bahnfahrt dem Zürichsee entlang kennengelernt.
Stadtpräsident und Nationalrat Philipp Kutter begrüsste die Freunde der Eisenbahn und bedankte sich bei den Organisatoren dieses wunderbaren Festes. Kutters Rückblick begann bei der Spanisch-Brötli-Bahn. Weiter wusste er, dass beim Bau der linksufrigen Bahn nicht alles reibungslos lief, nach dem Motto «Pleiten Pech und Pannen». Prominentes Beispiel sei Horgen, wo zwei Tage nach Eröffnung zuerst die Gleise, dann das WC-Häuschen in den See rutschten und auch Bahnhof und Güterschuppen um einen Meter absackten. Kutter meinte lakonisch, dass Horgen eben damals schon ein schwieriges Pflaster gewesen sei – und hatte so natürlich die Lacher auf seiner Seite. In Wädenswil aber sei alles stabil gelaufen, und so habe damit eine neue Zeitrechnung begonnen. Man habe ein Tor in die Welt bekommen. 1877 habe die Brauerei ihr Bier erstmals mit dem Zug und nicht mit dem Schiff nach Zürich geliefert. So seien auf einmal ganze Wagenladungen Wädenswiler Lebensfreude geliefert worden – und so sei es auch mit Zürich bergauf gegangen! Pendeln sei einfacher geworden. Heute, 150 Jahre später, sei die Seebahn nicht mehr wegzudenken. Kutter sprach nicht nur als Stadtpräsident; als Nationalrat und Präsident der Verkehrskommission meinte er: «Unsere Bahn hat auch Zukunft. Sie ist das Rückgrat unserer nachhaltigen Mobilität.» Schliesslich freut er sich auf weitere Reisen mit dem Zug, gerne auch mit einer Lok namens Wädenswil, «denn die kommt bestimmt ganz bestimmt pünktlich an!»
Auch für Regierungsrat Ernst Stocker ist die Zürichseebahn Teil des Arbeitsweges, und er erfreut sich immer wieder an der schönen Landschaft. «Schade nur, dass die Schwyzer meistens schon die Fensterplätze besetzen!» Stocker ging auf die Geschichte des ZVV ein, der sich im Jahre 35 nach dem Start befinde und heute noch der grösste und erfolgreichste Verkehrsverbund sei. Aufgrund des Wachstums im Kanton gäbe es nichts anderes, als dieses System in Schuss zu halten. Wädenswil und die anderen Gemeinden am linken Ufer würden von einer hervorragenden Verkehrsanbindung auf Schiene und Strasse profitieren, und das sei auch ein Grund, weshalb die ehemalige «Pfnüselküste» gegenüber der Goldküste am anderen Seeufer immer stärker werde. Betreffend Pünktlichkeit blickte er auch noch über die Grenze Richtung Deutschland und meinte, dass das uns nie passieren dürfe: «Wir müssen unsere Infrastruktur in Schuss halten!», bekräftigte er.
Linus Looser, Leiter SBB Infrastruktur, verriet, dass er als Anwohner des Zimmerbergs und begeisterter Berggänger öfters mit der Bahn am linken Ufer unterwegs sei. Es sei eine seiner Lieblingslinien, aus der Stadt hinaus entlang des Zürichsees – das lasse das Eisenbahnerherz aufblühen. 1875 habe wahrscheinlich noch niemand daran gedacht, wie erfolgreich die Bahn einst werden würde. Vor 150 Jahren seien es acht Züge gewesen, heute 320 – und meist pünktlich! Es sei eine Hauptachse von Zürich aus in den Osten, und sie werde rege genutzt. Die Eisenbahn am linken Zürichseeufer habe nicht nur eine grosse Geschichte, sie habe auch eine ebensolche Zukunft, versprach er den Anwesenden – und machte auf die verschiedenen kommenden Ausbauschritte inklusive des neuen Wädenswiler Bahnhofs aufmerksam.
Schliesslich schritten die drei Sprechenden zur Taufe, bespritzten den Taufzug mit einer Feuerwehrspritze und mit Zürichseewasser, auf dass die S-Bahn-Komposition sicher und unfallfrei unterwegs sei.
Für die musikalische Umrahmung sorgte der Musikverein Harmonie Wädenswil mit dem Sechseläutenmarsch als würdiger Schlusspunkt der Taufe.
Somit war das Festwochenende so richtig lanciert, das eigentlich schon am Donnerstag mit einem Diavortrag von Kurt Schreiber, OK-Mitglied und ehemaliger Präsident von Pro Bahn, der Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden des öffentlichen Verkehrs, begann und am Freitag mit dem ersten Wädenswiler Technozug einen vorgezogenen Höhepunkt erlebte.
Den ganzen Samstag und Sonntag verkehrten Shuttles zwischen den Festgemeinden, mit historischen Fahrzeugen entweder auf der Strasse oder der Schiene. Viel Nostalgie und auch viel Wehmut, wenn man sah, was der verloren gegangene Industriestandort Schweiz einst zustande brachte.
Ausstellungen und Simulatoren
In der Sust sowie dem Güterschuppen präsentierten Modelleisenbahnclubs ihre Anlagen, auf der Bahnhofstrasse konnten Interessierte Fahrversuche im Bus-Simulator unternehmen – (virtuell) abrasierte Strassenschilder und Randsteinrempler inklusive – oder einen Zimmerbergbus bestaunen.
Am Sonntag schliesslich zog der berühmte «Rote Pfeil», 1938 an die SBB ausgeliefert und heute im Besitz der Oensingen–Balsthal-Bahn, die Blicke auf sich. Ausserdem war am gleichen Tag als Höhepunkt ein Dampfextrazug auf der Strecke Rapperswil – Wädenswil – Zürich und retour unterwegs und sorgte für den würdigen Abschluss der Feierlichkeiten.
Zum 150-Jahr-Jubiläum der Bahnlinie sind zwei Schriften herausgegeben worden: Einerseits die in der letzten Ausgabe vorgestellte Dokumentation «150 Jahre linksufrige Zürichseebahn» von Kurt Schreiber, Au, andrerseits hat der Wädenswiler Martin Gross namens des Vereins «Rollmaterialverzeichnis Schweiz» die Publikation «150 Jahre Linksufrige Seelinie – Die letzten hundert Jahre in hundert Bildern» erstellt.
zuerichseebahn150.ch / rollmaterial.ch
Am letzten Septemberwochenende feierten Wädenswil und Richterswil «150 Jahre linksufrige Zürichseebahn». Höhepunkt der Festlichkeiten in Wädenswil war die Zugstaufe einer S-Bahn-Komposition, die künftig mit dem Wädenswiler Wappen unterwegs ist.
Text & Bilder: Stefan Baumgartner
Schon am Samstagmorgen spürte man: Da lag was in der Luft. So etwa das schrille Pfeifen aus der 100-jährigen Ae 3/6II, die den Extrazug aus Zürich kommend ankündigte, oder das berühmte «Dü-Da-Do» der Postautos, also die Tonfolge cis-e-a aus der Ouvertüre von Gioachino Rossinis «Wilhelm Tell». Historische Busse verbanden an diesem Wochenende die Festgemeinden und unterstützten so die historischen Bahn-Shuttles.
So also versammelte sich eine stattliche Festgemeinde bei Perron 1, bestaunte die historische Zugskomposition ebenso wie den modernen Triebwagenzug mit der umständlichen Bezeichnung RABe 511-003 und freute sich offensichtlich, dass das Wädenswiler Wappen nach einigen Jahren Absenz wieder auf dem Schienennetz unterwegs ist. Vorgänger des neues Stadler-Rail-Zugs mit Wädenswiler Wappen waren ein SOB-Triebwagen mit Baujahr 1959, der zwar noch existiert, aber heute mit Namen «Babette» vor Kiestransporte gespannt wird, und ein Prototyp der Gotthard-Lok Re 620, der 1972 in Betrieb genommen wurde und im August 2018 durch Verkauf an ein auf Überführungs- und Versuchsfahrten spezialisiertes Unternehmen der Verschrottung entging. Diese 10 600 PS starke Lok trägt heute das Schweizer Wappen.
Zugstaufe mit Zürichsee-Wasser
Die Zugstaufe moderierte Werner Schurter, Leiter Zürcher S-Bahn. Er erzählte den zahlreichen Schaulustigen und den geladenen Gästen, dass er gar nicht existieren würde, gäbe es die linksufrige Bahnlinie nicht, haben sich doch seine Eltern während einer Bahnfahrt dem Zürichsee entlang kennengelernt.
Stadtpräsident und Nationalrat Philipp Kutter begrüsste die Freunde der Eisenbahn und bedankte sich bei den Organisatoren dieses wunderbaren Festes. Kutters Rückblick begann bei der Spanisch-Brötli-Bahn. Weiter wusste er, dass beim Bau der linksufrigen Bahn nicht alles reibungslos lief, nach dem Motto «Pleiten Pech und Pannen». Prominentes Beispiel sei Horgen, wo zwei Tage nach Eröffnung zuerst die Gleise, dann das WC-Häuschen in den See rutschten und auch Bahnhof und Güterschuppen um einen Meter absackten. Kutter meinte lakonisch, dass Horgen eben damals schon ein schwieriges Pflaster gewesen sei – und hatte so natürlich die Lacher auf seiner Seite. In Wädenswil aber sei alles stabil gelaufen, und so habe damit eine neue Zeitrechnung begonnen. Man habe ein Tor in die Welt bekommen. 1877 habe die Brauerei ihr Bier erstmals mit dem Zug und nicht mit dem Schiff nach Zürich geliefert. So seien auf einmal ganze Wagenladungen Wädenswiler Lebensfreude geliefert worden – und so sei es auch mit Zürich bergauf gegangen! Pendeln sei einfacher geworden. Heute, 150 Jahre später, sei die Seebahn nicht mehr wegzudenken. Kutter sprach nicht nur als Stadtpräsident; als Nationalrat und Präsident der Verkehrskommission meinte er: «Unsere Bahn hat auch Zukunft. Sie ist das Rückgrat unserer nachhaltigen Mobilität.» Schliesslich freut er sich auf weitere Reisen mit dem Zug, gerne auch mit einer Lok namens Wädenswil, «denn die kommt bestimmt ganz bestimmt pünktlich an!»
Auch für Regierungsrat Ernst Stocker ist die Zürichseebahn Teil des Arbeitsweges, und er erfreut sich immer wieder an der schönen Landschaft. «Schade nur, dass die Schwyzer meistens schon die Fensterplätze besetzen!» Stocker ging auf die Geschichte des ZVV ein, der sich im Jahre 35 nach dem Start befinde und heute noch der grösste und erfolgreichste Verkehrsverbund sei. Aufgrund des Wachstums im Kanton gäbe es nichts anderes, als dieses System in Schuss zu halten. Wädenswil und die anderen Gemeinden am linken Ufer würden von einer hervorragenden Verkehrsanbindung auf Schiene und Strasse profitieren, und das sei auch ein Grund, weshalb die ehemalige «Pfnüselküste» gegenüber der Goldküste am anderen Seeufer immer stärker werde. Betreffend Pünktlichkeit blickte er auch noch über die Grenze Richtung Deutschland und meinte, dass das uns nie passieren dürfe: «Wir müssen unsere Infrastruktur in Schuss halten!», bekräftigte er.
Linus Looser, Leiter SBB Infrastruktur, verriet, dass er als Anwohner des Zimmerbergs und begeisterter Berggänger öfters mit der Bahn am linken Ufer unterwegs sei. Es sei eine seiner Lieblingslinien, aus der Stadt hinaus entlang des Zürichsees – das lasse das Eisenbahnerherz aufblühen. 1875 habe wahrscheinlich noch niemand daran gedacht, wie erfolgreich die Bahn einst werden würde. Vor 150 Jahren seien es acht Züge gewesen, heute 320 – und meist pünktlich! Es sei eine Hauptachse von Zürich aus in den Osten, und sie werde rege genutzt. Die Eisenbahn am linken Zürichseeufer habe nicht nur eine grosse Geschichte, sie habe auch eine ebensolche Zukunft, versprach er den Anwesenden – und machte auf die verschiedenen kommenden Ausbauschritte inklusive des neuen Wädenswiler Bahnhofs aufmerksam.
Schliesslich schritten die drei Sprechenden zur Taufe, bespritzten den Taufzug mit einer Feuerwehrspritze und mit Zürichseewasser, auf dass die S-Bahn-Komposition sicher und unfallfrei unterwegs sei.
Für die musikalische Umrahmung sorgte der Musikverein Harmonie Wädenswil mit dem Sechseläutenmarsch als würdiger Schlusspunkt der Taufe.
Somit war das Festwochenende so richtig lanciert, das eigentlich schon am Donnerstag mit einem Diavortrag von Kurt Schreiber, OK-Mitglied und ehemaliger Präsident von Pro Bahn, der Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden des öffentlichen Verkehrs, begann und am Freitag mit dem ersten Wädenswiler Technozug einen vorgezogenen Höhepunkt erlebte.
Den ganzen Samstag und Sonntag verkehrten Shuttles zwischen den Festgemeinden, mit historischen Fahrzeugen entweder auf der Strasse oder der Schiene. Viel Nostalgie und auch viel Wehmut, wenn man sah, was der verloren gegangene Industriestandort Schweiz einst zustande brachte.
Ausstellungen und Simulatoren
In der Sust sowie dem Güterschuppen präsentierten Modelleisenbahnclubs ihre Anlagen, auf der Bahnhofstrasse konnten Interessierte Fahrversuche im Bus-Simulator unternehmen – (virtuell) abrasierte Strassenschilder und Randsteinrempler inklusive – oder einen Zimmerbergbus bestaunen.
Am Sonntag schliesslich zog der berühmte «Rote Pfeil», 1938 an die SBB ausgeliefert und heute im Besitz der Oensingen–Balsthal-Bahn, die Blicke auf sich. Ausserdem war am gleichen Tag als Höhepunkt ein Dampfextrazug auf der Strecke Rapperswil – Wädenswil – Zürich und retour unterwegs und sorgte für den würdigen Abschluss der Feierlichkeiten.
Zum 150-Jahr-Jubiläum der Bahnlinie sind zwei Schriften herausgegeben worden: Einerseits die in der letzten Ausgabe vorgestellte Dokumentation «150 Jahre linksufrige Zürichseebahn» von Kurt Schreiber, Au, andrerseits hat der Wädenswiler Martin Gross namens des Vereins «Rollmaterialverzeichnis Schweiz» die Publikation «150 Jahre Linksufrige Seelinie – Die letzten hundert Jahre in hundert Bildern» erstellt.
zuerichseebahn150.ch / rollmaterial.ch