Richterswil

Sprachlosigkeit und rauchende Köpfe

An der Gemeindeversammlung vom 4. Dezember ging es hoch zu und her. Entsprechend der Traktanden war die reformierte Kirche diesmal ziemlich voll und der Abend lang.

Text & Bild: Reni Bircher

Ausserordentlich viele Leute fanden sich an diesem Abend zur Gemeindeversammlungen ein: 361 Stimmberechtigte strömten ins Kirchenschiff. Ob wegen der höheren Parkgebühren oder dem Antrag der Rechnungsprüfungskommission (RPK), das Schulbudget abzulehnen und gesondert zu behandeln, lässt sich nicht verifizieren.
Das Budget wurde von Finanzvorstand Willy Nüesch präsentiert. Noch immer spülen Einnahmen durch Gemeinde- und Sondersteuern sowie Grundstücksgewinnsteuern das meiste Geld in die Gemeindekasse. Nüesch hofft, dass der Bund nicht wie angedroht wegen seines Sparplans die Hand aufhalten wird bei der Grundstücksgewinnsteuer. Die von der Stimmbevölkerung zuvor genehmigten Ausgaben schlugen sich wie erwartet zu Buche, doch auch für 2025 muss ein grosser Brocken geschluckt werden (Halle für alle), wie es der Finanzvorsteher ausdrückte.
Der Selbstfinanzierungsgrad liegt derzeit bei 31%, was nicht wirklich Grund für Jubel ist: «Richtig gut wären 7%», so der Redner.
Über die Hälfte des Budgets 2025 wird für das Ressort Bildung aufgewendet. Im Vergleich ist der Aufwand um 1,6 Millionen gestiegen, jedoch hat sich auch der Ertrag gesteigert auf 3,9 Millionen. Der Mehraufwand netto liegt gegenüber dem Budget 2024 bei 4,7%. Diese doch massive Kostensteigerung liegt unter anderem an der externen Sonderschulung *, welche satte 727 900 Franken schluckt.

Grund zur Debatte

Dass die solide schulische Bildung ein Grundpfeiler eines funktionierenden Sozial- und Berufslebens ist und im Weiteren der Kriminalität, sozialen Ausgrenzung und Armut möglichst Einhalt gebieten soll, muss im Interesse aller liegen. Doch die steigenden Mehrkosten für Sonderschülerinnen und -schüler betrachtete die RPK mit Besorgnis und verlangte eine gesonderte Abstimmung über das Schulbudget. Relativiert werden könnten die Ausgaben mit der von Nüesch gezeigten Vergleichsgrafik der Jahre 2019 und 2025, dass sich prozentual an aufwand-/ertragsmässig kaum etwas geändert hat, oder dass Richterswil-Samstagern als familienfreundliche Gemeinde mehr Kindergartenkinder und Schüler pro Einwohnende hat als der Durchschnitt des Kantons Zürich, die Kosten allerdings unter dem kantonalen Mittel liegen.
RPK-Präsidenten Oliver Banz machte klar, dass sie das Budget nicht zurückweisen wollen, denn eine Gemeinde sollte nicht gezwungen sein, mit einem Notbudget zu agieren. Seinem Anliegen, die Versammlung über das Schulbudget separat abstimmen zu lassen, riefen mehrere Stellungnahmen von Stimmberechtigen hervor, ebenso einen Antrag von SVP-Präsident Walter Leuthold.
Zuvor jedoch ergriff Gemeindepräsident Marcel Tanner das Wort und machte deutlich: «Wir sind eine Einheitsgemeinde, mit einem gemeinsamen Steuerfuss und können keine Teilzurückweisung des Budgets machen.» Der darauf folgende Antrag von Walter Leuthold sah vor, die Kosten für externe Schulungen auf dem Stand von 2024 zu belassen. Der Weg zur Schonung des Schulbudgets sollten über Kleinklassen für die Sonderschulung führen, wie es laut dem Kantonalen Volksschulgesetzes erlaubt sei. Nach seinen Ausführungen, welche Vorteile er in der Bildung kleiner Sonderklassen sehe, bei der Kosten gesenkt und Qualität der Schule allgemein gesteigert werden könnte, machte Marcel Tanner der Versammlung klar, dass Änderungen frühestens auf das nächste Schuljahr eingeführt werden könnten.
Schulpräsidentin Mira Crivelli-Amstutz zeigte sich sichtlich erschlagen von den Forderungen ihrer Vorredner und versicherte, dass die Schulbehörde ihren Auftrag sehr ernst nehme und ihre Aufgabe, das Gesetz mit bestem Wissen und Gewissen umzusetzen und die Rechte aller Kinder und Jugendlichen zu wahren.

Kritik an Bildungspolitik und ein Hauch von Anarchie

Die Eröffnung zu Stellungsnahmen hatte einige Wortmeldungen zur Folge. Für Nicolas Dudler (EVP) ist klar, dass die Schule einen kantonalen Integrationsauftrag zu erfüllen habe und möchte die gleichen Chancen für alle Kinder sehen, ob mit oder ohne Beeinträchtigung. Auch hätte Oliver Banz in seiner Rede unterschlagen, dass gerade in Richterswil sehr viele Familien mit Migrationshintergrund leben würden.
Raffel Grütter (GLP) gestand, dass der Kostenanstieg besorgniserregend sei, jedoch könnte man alleine in Richterswil keine gesellschaftlichen Probleme lösen. Da wäre ein Lösungsansatz durch den Kanton gefragt.
Peter Theiler (Die Mitte) verlieh seiner Überzeugung Ausdruck, dass das vorliegende Budget seriös erarbeitet worden sei und dass nicht über einzelne Budgetpositionen kommunale Bildungsspolitik betrieben werden könne.
Renate Büchi (SP) sprach darüber, dass man zum vornherein gar nicht wisse, was solche Kleinklassen kosten würden, sei das vom Personellen noch von der Infrastruktur her.
Darauf wurde der Antrag von Walter Leuthold mit 226 Nein-Stimmen abgelehnt.
Nach wiederholter Ermahnung an den Gemeinderat, das Budget im Auge zu behalten und auch mal die Weisungen aus Zürich zu hinterfragen, wurde Renate Büchi nochmals das Wort erteilt. Sie erteilte der RPK eine Schelte, wie diese als gewählte Behörde einen unzulässigen Antrag erst im Weisungsheft und dann noch an der Gemeindeversammlung in einer längeren Rede vors Volk bringe. «Eine solche Taktik ist einer RPK nicht würdig», schloss sie und erntete dafür viel Applaus.
Trotz dem prognostizierten Minusbetrag von 72 000 Franken und den von RPK-Präsidenten Oliver Banz prognostizierten Steuererhöhung der nächsten Jahre von über 10 Prozent, wurde beantragt den Steuerfuss bei den aktuellen 99% zu belassen, was grossmehrheitlich angenommen wurde.

Neue Parkplatzverordnung

Um kleines Geld, das aber «bewusster» ausgegeben wird als die Steuergelder und vermutlich deshalb bei vielen Anwesenden keine Freude aufkommen liess, war die Einführung einer neuen Parkierungsverordnung. Mit dieser soll der Gemeinde die Erlaubnis erteilt werden, notwendige Anpassungen bei der Organisierung der Parkplätze vorzunehmen, ohne vorgängig an die Gemeindeversammlung zu gehen. So werden einzelne Zonen neu mit Gebühren belegt, andere erfahren eine Teuerung. Zudem sind Änderungen bei der Aufenthaltsdauer geplant, vor allem in Nähe kleiner Bahnhöfe, denn dort würden auswärtige Pendler die Parkfelder regelmässig blockieren.
Nach erneuten Wortmeldungen, mit Kritik an der Kostensteigerung, liess Tanner verlauten: «Wir bewegen uns im unteren Bereich des regionalen Durchschnitts» und dass Besucher nicht jedesmal eine Parkkarte ** bei der Gemeinde abholen möchten. Schliesslich stimmten die Anwesenden der neuen Verordnung mit 188 Stimmen zu.
Das neue Parkierungsreglement tritt formal am 1. Januar 2025 in Kraft.
Die emotional aufgeladene Gemeindeversammlung schloss um 22.15 Uhr.

* Gemäss Definition des Volksschulamtes wird Sonderschule wie folgt definiert: Eine Sonderschule gehört zur obligatorischen Bildungsstufe und ist auf bestimmte Behinderungsformen der Lern- oder Verhaltensschwierigkei­ten spezialisiert. Die Sonderschule nimmt ausschliesslich Kinder und Jugendliche auf, die aufgrund des standardisierten Abklärungsverfahrens ausgewiesenen Anspruch auf verstärkte Massnahmen haben. Wir in Richterswil arbeiten hier mit dem Schulpsychologischen Dienst vom Bezirk Horgen zusammen.

** Sobald die entsprechenden Neuerungen umgesetzt sind, werden Besu­cherparkkarten für die neue Parkie­rungszone «Frohberg» sowie für Be­suchende von Personen mit Wohn- oder Arbeitsort im Dorfzentrum erhältlich sein. Für den Bezug dieser Karten strebt die Gemeinde eine möglichst komfortable und einfache Lösung an, um den Prozess für alle so unkompliziert wie möglich zu gestalten.

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