History Richterswil

Historisches Eisenwasserrad lädt zur ­Besichtigung

Unweit der Gemeindegrenze Samstagern – Wollerau befindet sich die Neumühle, wo sich in einem beinahe unscheinbaren Radhaus eines der grössten* aus Eisen gefertigte Wasserräder Europas befindet. Vor kurzem wurden aufwändige Sanierungsarbeiten getätigt.

Text: Reni Bircher
Bilder: Reni Bircher/zvg

Zahlreiche der 72 Löffelschaufeln am Wasserrad waren durchlöchert wie der sprichwörtliche Schweizer Käse. Anstatt Wasser zu schöpfen, verwandelte sich das mit einem Durchmesser von 8,6 Metern grosse Rad stellenweise in einen Wasserfall. Kalk und Rost hatten ganze Arbeit geleistet. Um diesem Dasein des Zerfalls ein Ende zu bereiten, wurde die Richterswiler Firma Glükler Metallbau AG beauftragt, sich dem 1854 erbauten Kunstwerk zu widmen.
Die Firma hatte bereits zwei Jahre zuvor einen Auftrag dort, nämlich das Rohrgeländer zu ersetzen. Dieses war durch die permanente Feuchtigkeit im Radhaus so stark durchgerostet, dass eine Sanierung nicht mehr möglich war. Auf alten Bildern entdeckt man, dass vor vielen Jahrzehnten ein Staketengeländer vor dem Sturz in die Tiefe geschützt hatte, und so wurde beschlossen, ein eben solches wieder zu konstruieren. Dies würde die grösstmögliche Sicherheit bieten, wäre «historischer» und entspricht den Sicherheits-Normen.
Die Berechnungen und Vor­bereitungen für die Sanierung der Radschaufeln begannen schon vor einem Jahr, erstmals Hand angelegt wurde diesen Februar.

170-jähriges Meisterwerk

«Ich habe das ganze Wasserrad nach der Vermessung auf dem CAD aufgezeichnet», erklärt Geschäftsinhaber Daniel Glükler. Zu der Zeit, als das Wasserrad konstruiert worden war, passierte dies mit einem Zirkel und am Boden. «Reine Geometrie – Pythagoras hätte seine Freude gehabt», schmunzelt der Metallbauer. Und ist beeindruckt von dieser Meisterleistung: «Hier stimmt einfach alles haargenau aufeinander, Hut ab vor dieser Arbeit!»
Die Schaufeln sich auf einer Rückwand und seitlich am Rad mittels Winkeleisen und Nieten befestigt. Die Rückwand besteht aus 12 Platten, die auf dem Rad liegen und nur entfernt werden können, indem man zuerst die Löffelschaufeln abmontiert – heisst: zuerst unzählige Schrauben und Nieten löst. Durch das Entfernen der Schaufeln bekam das 30 Tonnen schwere Wasserrad eine Unwucht. «Wir mussten mit Holzbalken eine Drehung verhindern», erklärt Glükler. Zusätzlich musste ein Stahlseil vom Rad an die Anhängerkupplung des Firmenwagens gehängt werden. So konnte die Drehbewegung der Unwucht gebremst werden. Bei der Entfernung der Schaufeln zeigte sich das Ausmass der Zerstörung durch den Rost. Von ursprünglich 15 geplanten Schaufelblättern waren es deren plötzlich 19, welche dringend ersetzt werden mussten.

4000 Nieten versenkt

Um die neuen Schaufeln und Rückwände vor Rostbefall zu schützen, wurden sie aus Chromstahl gefertigt. Das besteht zwar auch aus Eisen, hat aber eine Beimischung von mindestens 18 Prozent Chrom. Das Endprodukt ist gleich schwer.
Bevor das neue Material angebracht werden konnte, mussten Rost und Kalk entfernt werden. Harte, staubige Arbeit, die mehrere Tage in Anspruch genommen hat. Danach wurde das Eisen mit einem Rostumwandler behandelt, welcher vom Material regelrecht aufgesaugt wird und den Rost stoppen soll. Dies war notwendig, weil der an sich rostfreie Chromstahl in Kontakt mit rostigem Material «infiziert» wird und dann ebenfalls rostet.
Die 1854 ins Eisen gebohrten Löcher sind Millimetergenau auf die neuen Winkeleisen übertragen worden, um die Schaufeln zu befestigen.
Schweissen kam nicht in Frage, weil es sich um ein denkmalgeschütztes Objekt handelt. So versenkten die Arbeiter an die 4000 Nieten und zahlreiche Schrauben.
Das grosse Wasserrad ist mit einem Zahnkranz aus Eisen versehen, der in ein kleines Kammrad greift, das mittels Transmission mit einem Generator verbunden ist. Der Zahnkranz des Kammrades war ursprünglich aus Holz und brach immer wieder ab, als das Wasserrad wieder in Betrieb genommen wurde. In den 90er-Jahren wurde der Zahnkranz durch einen aus einem ungewöhnlichen Kunststoff gefertigten Zahnkranz ersetzt, eine Art Hartgummi. «Wir konnten nicht herausfinden, was genau das ist», so der Metallbauer «denn er kann sich leicht bewegen und dehnen, wenn der gusseiserne Zahn des Wasserrades nicht genau in die Kerbe greift, und ausgleichen, damit das Rad weiterläuft. Keine Ahnung, wie sie damals auf dieses Material gekommen sind – einfach genial.»

Ende September war die Sanierung abgeschlossen. Vorläufig.

Die Stiftung als Retter des Kulturerbes

1978 übernahmen Erwin und Karin Scheiweiler die ehemalige Getreidemühle. Auch sie hatten schon ein paar der Löffelschaufeln ersetzt und andere Renovationen getätigt. Zudem brachten sie einen grossen Generator für die Stromerzeugung an, der sich im gegenüberliegenden Gebäude des Radhauses befindet. Der Strom wurde für Garage, Wohnhaus und Restaurant genutzt. Zudem wurde es in die EW Höfe eingespeist, wie Sonja Schweiweiler, Stiftungsrätin der Stiftung Wasserrad Neumühle Wollerau, ergänzt. «Seit längerer Zeit produziert das Rad keinen Strom, weil es defekt war. Es ist aber definitiv ein Zukunftsprojekt.» Es sind aber auch noch anderweitige Renovationen bevorstehend.
Durch das Ableben von Erwin Scheiweiler ist das Wasserrad und sein Gebäude immer mehr in Vergessenheit geraten. Die Familie Scheiweiler verpflichtete sich gemeinsam mit der Alten Garde Wollerau, welche schon vorgängig Unterstützung bot bei der Instandhaltung, das historische Eisenwasserrad zu schützen. So entstand 2019 die Stiftung zur Erhaltung des Wasserrades Neumühle Wollerau. Diese hat sich die Aufgabe gestellt, Spenden zu sammeln und mit Fachspezialisten den geschichtlichen Zeitgeist zu erhalten.
Die Sanierungsarbeiten der letzten Jahre gingen ins Geld. Glücklicherweise hat die Stiftung Wasserrad Neumühle in Wollerau einige Spenderinnen und Spender gefunden, welche zu «Schaufelpaten» wurden. Deren Namen sind mittels kleiner Plaketten an den Schaufeln aufgeführt.

Die Stiftung hat seit jeher das Wasserrecht, so dass sie für heutige Vorführungen noch immer Wasser aus dem Hüttnersee beziehen dürfen. Es handelt sich in der Neumühle um ein oberschlächtiges Wasserrad, was bedeutet, dass es von oben durch eine Rinne gespiesen wird. Unten fliesst das Wasser durch einen Kanal Richtung Itlimoosweiher, auch Freyenweiher genannt.
Die Schaufeln wurden jetzt so angebracht, dass zwei Personen auf die Schaufelkante stehen können, um das Eisenwasserrad von Hand zu drehen «Wie der Hamster im Laufrad, einfach auf der Aussenseite», schmunzelt Glükler. Denn das Rad sollte alle paar Monate gedreht werden, damit nicht immer die gleiche Stelle im Wasser des Kanals steht. Diese Aufgabe obliegt nun den Stiftungsmitgliedern.
* Ein Eisenwasserrad befindet sich im Schiefermuseum von Llanberis in Wales und misst etwas mehr als 8 Meter im Durchmesser; eines von 9,8 Metern Durchmesser steht in der Textilfabrik Quarry Bank Mill in Styal, England.

Das Radhaus ist tagsüber immer zugänglich. Die Neumühle ist innert 15 Fussminuten vom Bahnhof Samstagern oder von der Bushaltestelle Fälmis bequem zu erreichen. Ab Parkplatz Hüttnersee sind es nur wenige Gehminuten.
Ab 10 Personen können Führungen samt Inbetriebnahme des Wasserrades gebucht werden.

Öffentlicher Probelauf anlässlich von «Weihnachten im Stall» gleich nebenan: 25. November, 14.00 Uhr.
Offizielle Eröffnung am eidgenössischen Mühlentag:
11. Mai 2024, mit Ausstellung von Kunstschaffenden, welche die verrosteten Schaufeln zu Kunstwerken umgestaltet haben.

www.stiftungwasserradneumuehle.ch
www.muehlenfreunde.ch
https://alte-garde.info

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