Feuilleton Wädenswil

Von Sinn- und Lebenskrisen und Rollentausch

Am 1. September feierte das neue Stück des Volkstheaters Wädenswil auf der Kulturgarage-Bühne Premiere. «Verliebt, ver­büült, verbrännt» hört sich nach Schwank an – ist es aber nicht. Es werden drei Generationen, vier Frauen und ein Mann, porträtiert. Das ist oft witzig und lädt zum Lachen ein – hält dem Publikum aber oft auch den Spiegel vor.

Text: Stefan Baumgartner
Bilder: Pier Semadeni (Foto Tevy)

Gwen (Seraina Kühne) und Catherine (Christina Wildi) haben zusammen studiert. Catherine hat in New York Karriere gemacht, Gwen bandelte mit Catherines damaligem Freund Don (Urs Zweifel) an und hat mit ihm nun ein Häuschen und zwei Kinder. 20 Jahre später – die ehemaligen Studienkolleginnen stehen in der Mitte ihres Lebens – besucht Catherine ihre Heimat: Zeit, das geführte Leben zu hinterfragen und Unausgesprochenes auf den Tisch zu bringen. Der Grund für Catherines Heimkehr ist die Gesundheit ihrer Mutter. Oder ist das nur Vorwand? Denn da war noch ein Telefonat Catherines mit Gwen, dessen Inhalt sich bei Catherines Erinnerung in Alkoholschwaden aufgelöst hat. Und so beginnen die Protagonisten um sich herumzuschleichen: Was wäre anders geworden, wenn die Weichen des Lebens anders gestellt worden wären? Wie lebt es sich als erfolgreiche Karrierefrau? «Blitzgescheit und sexy dazu», wie Don über Catherine sagt. Wie erfüllend ist das Leben als Mutter und Hausfrau? Die beiden Frauen denken über einen Rollentausch nach. Nur Don scheint mit sich zufrieden: Wenig Ehrgeiz, zufrieden mit einem Glas Whisky zum Feierabend und hin und wieder ein Joint.
Das Stück von Gina Gionfriddo, übersetzt von Eva Mann, und als deutsche Erstaufführung auf die Bühne in der Kulturgarage gebracht, spielt in den USA in einem akademischen Umfeld und streift Themen wie Feminismus, Frauenrechtsbewegung und sexuelle Selbstbestimmung der Frau in Beziehung zu zeitgenössischen Abhängigkeiten, wie dem Verfassungszusatz zur Gleichberechtigung der Geschlechter oder dem Vietnamkrieg, 9/11 und anderen für die amerikanische Geschichte einschneidenden Momente. Catherines Mutter (Heidi Diggelmann) und Babysitterin Avery (Aline Kasper) geben jeweils die Ansichten ihrer Generation wieder, was zusätzlichen Zündstoff, aber auch Humor, bringt.

Nicht alle Premierengäste fanden nach der Pause den Weg zurück auf ihre Plätze. Ob sie von den intensiven Dialogen – übrigens fantastisch wiedergegeben vom Ensemble – oder von der exzessiven Erwähnung von Alkohol-, Drogen- oder Pornokonsum mit dem entsprechenden Vokabular überwältigt waren, sei dahingestellt. Doch wie ein Mitglied des Ensembles nach der Premiere befand: «Den ‹Schwank in drei Akten› können andere Theatergruppen genau so gut aufführen.» Der Anspruch des Volkstheaters ist höher – und sie werden diesem auch vollauf gerecht.
Das Stück wird noch bis 23. September aufgeführt.

https://volkstheater-waedenswil.ch/

Teilen mit: