Richterswil

Mit Lebensfreude heilsame Impulse setzen

Ende Februar haben 17 Absolventinnen und Absolventen ihre Prüfung in Theorie und Praxis zum anerkannten Klinikclown bestanden. Einer davon lebt in Richterswil.

Text & Bilder: Reni Bircher

Die Ausbildung zum GesundheitsClown (auch als Klinikclown bekannt) ist eine zweijährige berufsbegleitende Ausbildung, um den Anspruch der Institutionen an eine qualifizierte Dienstleistung zu entsprechen. Nach bestandenem Abschluss können die mit diesem in ganz Europa anerkannten Patent zertifizierten und hochqualifizierten Clowns ihrer Aufgabe gewissenhaft nachgehen. Ihr Arbeitsumfeld sind unter anderem Einrichtungen für geistig und körperlich beeinträchtigte Menschen, Kinderspitäler, Altenpflegeheime sowie Senioreneinrichtungen. Der Bedarf nach Clowns im medizinisch-therapeutischen Bereich ist so gross, dass die zahlreichen Anfragen durch interessierte Institutionen nicht gedeckt werden kann.
Die seit 13 Jahren in Richterswil wohnhafte Anke Bienhaus (56) freut sich über die bestandene Prüfung und geniesst die Stunden, in denen sie als «Bella» oder «Flo» die Menschen erheitern kann.

Anke, warum bist Du Klinikclown ­geworden?
Das Thema, mich auf eine spezielle und herzlich-freudige Weise für Menschen zu engagieren, fasziniert mich schon seit Jahren. Beruflich arbeite ich im Marketing eines Spielwarenvertriebs, habe also ständig mit Spielen zu tun. Das Schönste, was es gibt, ist in strahlende Kinderaugen zu sehen und alte Menschen zum Lächeln zu bringen.

Dann findet man Dich im Kinderspital?
Ich mache tatsächlich den Kinderclown – dann heisse ich «Flo» –, aber ich mag es besonders, als «Bella» mit den alten Menschen zu arbeiten, denn ich finde, dass sie bereits so viel gegeben haben, dass etwas zurückkommen muss. Zudem sind viele von ihnen allein …
Ich fokussiere mich auf Altenheime, das bedeutet mir viel – ich jedenfalls würde mich sehr freuen, wenn ich dort vielleicht einmal lebe und mal ein Clown zu mir kommt.
Meine Abschlussprüfung habe ich in der Demenzabteilung gemacht – ein Bereich, der mich sehr interessiert.

Was ist dort speziell?
An Demenz erkrankte Menschen sind oft nicht zu erreichen, sie leben in ihrer eigenen Welt. Ich begebe mich in ihre Welt, und wir erleben gemeinsam bereits Vergangenes und Neues. Am ehesten bekommt man noch über Musik und Tasten einen Kontakt, Dinge mit Erinnerungswert. Dazu habe ich eine kleine Spieldose dabei, singe für sie und oft auch mit ihnen alte Volkslieder und Schlager. Zum Tasten habe ich zum Beispiel verschiedene Stoffe und Steine in der Tasche, die die Kranken in die Hand nehmen können. Das weckt Erinnerungen, das gefällt ihnen.

Was hast Du in der Ausbildung gelernt?
Im ersten Jahr lernte ich ein «dummer» Clown zu sein, mit verschiedenen Techniken, Slapstick usw. Uns wurde beigebracht, sich der «Rolle», die man übernimmt, ganz und gar hinzugeben, sie zu verinnerlichen. Es zählt der Moment, in dem du ganz Clown bist. Ich habe auch gelernt wie ein Clown angezogen und geschminkt sein muss, den Umgang mit diversen Gegenständen, welche man ihrer ursprünglichen Bedeutung entreisst, gelernt blind Dinge zu ertasten und erfühlen, denn das Haptische und die Vorstellungskraft sind sehr wichtig bei unserer Arbeit.
Als Beispiel: Ich stelle mir eine Tasse vor, die Grösse, Form, Farbe, alles. Weiss genau was darin ist, ob er heiss oder kalt ist, ob mit Milch oder Zucker, nur so kann ich echt darstellen was ich trinke. Die muss ich dann auch entsprechend in der Hand halten und an den Mund führen. Die Zuschauer müssen durch mein Handeln «sehen», was ich trinke.
In der Ausbildung erlernt man, sich mit Tönen, Geräuschen sowie kleinen und grossen Gesten zu «artikulieren». Es gibt verschiedene Clowntypen, jeder ist anders, aber alle sprechen diese tonale, wortlose Sprache, die man weltweit versteht.

Was empfandest Du als besonders schwierig?
Die intensive Auseinandersetzung mit sich selbst fördert Dinge zutage, die man zuvor von sich gar nicht kannte. Die Ausbildung geht ganz stark in die Tiefe. Man macht Yoga und meditiert, denn als Clown muss man ganz bei sich selbst sein, in sich ruhen.
Der Aufbau von Schutzmechanismen ist immens wichtig, sich abzugrenzen – man darf zwar mitfühlen, aber nicht mitleiden.
Clownsein ist viel körperliche Arbeit, weil man beispielsweise genau wissen muss, wie man stolpert ohne hinzufallen oder gegen eine Wand läuft und richtig stürzt. Spielt man bei alten Menschen, kniet man meist in Augenhöhe. Clown ist man nicht, indem man eine rote Nase aufsetzt, sondern intensiv in eine Rolle eintaucht und diese total ausfüllt. Gefühle, wie Angst, Trauer und Freude müssen abrufbar und wiedergegeben werden können – wie ein Schauspieler.

Emotional eine Heraus­forderung …
Schon, ja. Im zweiten Jahr haben wir starke Einblicke über diverse Krankheitsbilder und Behinderungen vermittelt bekommen, etwa auch, was die Erkenntnisse neuster Forschungen über Demenzerkrankungen sind und dergleichen.
Die Trainer haben viel Erfahrung in diesem Bereich und konnten das sehr gut und gewissenhaft vermitteln.
Eine Ausbildungswoche galt dem Tod, und wir mussten uns mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzen … je nach Vorgeschichte gingen die Leute sehr unterschiedlich damit um.

Wie sieht es denn mit praktischen ­Übungen aus?
Die fanden natürlich auch statt. Einmal sind wir während der Ausbildung zehn Tage nach Italien gefahren und haben dort ein 90-minütiges Strassentheater aufgeführt. Das haben wir in der Zeit intensiv erarbeitet und geübt. Da gab es einige Tränen und Frustrationen, wenn von den Trainern korrigiert wurde. Spontanität und Flexibilität sind wichtig. Das ist das Schöne am Clownsein: es kommt immer anders als man denkt.
Wir probieren ständig neue Sachen aus, treffen uns regelmässig zu zweit oder in Gruppen irgendwo oder auf der Strasse und improvisieren bei so genannten Walk Acts. Das macht Spass, und die Leute drumherum haben auch was davon. Man lernt nie aus.

Wie agierst Du im ­Altenheim?
Wir arbeiten immer zu zweit, bespielen zuerst die Gruppe und gehen dann in den Einzelkontakt, beziehungsweise in die Zimmer. GesundheitsClowns sind Kontaktclowns, wir schenken immer nur einer einzigen Person unsere volle Aufmerksamkeit, das ist sehr wichtig. Sie soll das Gefühl haben, dass wir nur wegen ihr oder ihm vorbeigekommen sind – auch wenn wir noch andere Menschen in dem Altenheim besuchen.
Wir beziehen auch immer das Personal mit ein, denn die leisten grossartige Arbeit; sie sollen ebenfalls ihren Spass und etwas zum Lachen haben.
Nach dem Besuch ist die richtige Verabschiedung wichtig, damit sich die Menschen nicht verlassen fühlen. Man muss den Kontakt würdigen, ihnen das Gefühl geben, nur für sie da zu sein. Ich komme immer sehr erfüllt von den Besuchten zurück, weil ich weiss, dass ich für den Moment Freude schenke. Es ist wohl die dankbarste Sache, die ich je gemacht habe.

Fragen Euch die Institutionen an, ob Ihr vorbeikommt und die Menschen unterhaltet?
Meistens fragen wir an und stellen uns vor, persönlich oder per Mail, damit sie uns kennenlernen. Bei einem Engagement verabreden wir einen Rhythmus, in dem wir die Leute besuchen – auch wenn der meist in einem langen Zeitrahmen gesetzt wird, denn es gibt einfach zu wenig Clowns, um sich häufiger am gleichen Ort verpflichten zu lassen. Und diese Termine müssen wahrgenommen werden. Egal, ob Kinder oder alte Menschen – etwas versprechen und es nicht halten, das geht einfach nicht. Also sage ich nichts zu, dem ich nicht nachkommen kann.

Verdient man gut als Klinikclown?
Es gibt feste Stundenansätze für die Besuche. Da ist die Vorbereitungszeit und die An- und Abreise inklusive. Reich wird man aber nicht dabei. Aber es bereichert mein Leben. Wenn ich pensioniert bin, will ich den Klinikclown ganz intensiv ausüben. Darauf freue ich mich schon jetzt.

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