Nach 30 Jahren gab Christel Bühlmann ihre Hausbäckerei weiter. So dachte sie. Doch ihr Nachfolger trat im letzten Moment von seinem Vorhaben zurück. Nun bäckt Christel Bühlmann wieder selber Brot in ihrer Backstube im Schönenberg.
Text & Bilder: Ingrid Eva Liedtke
Es ist Dienstag, noch früher Morgen. Ich stehe mit Christel Bühlmann in ihrer Backstube. Einige knusprige Brote liegen schon auf den Holzgestellen zum Auskühlen. Der Duft von Frischgebackenem weht durch den Raum, während die geübte Bäckerin Teig in Portionen aufteilt und dann lange Schlangen ausrollt, die sie schliesslich zu ihren beliebten Laugenbrezeln formt. Ich darf mitmachen und später, wenn der Teig fertig verarbeitet ist, wird sie mir zeigen, wie man die Teiglinge in kochender Lauge badet, bevor man sie in den Ofen schiebt. Später werden die Brote und auch die fertigen Laugenbrezel ausgeliefert. Die kleine Produktionsstätte kennt getaktete Abläufe.
Christel Bühlmann hat sich ihre Backstube eingerichtet, als sie nach Schönenberg gezogen ist. Es ist eine kleine, aber professionelle Backstube mit einer Teigknetmaschine, zwei grossen Öfen und einem normalgrossen Backofen für Kleingebäck. Die Backleidenschaft, die hat Christel Bühlmann schon viel früher gepackt.
Eine Landfrau
Christel Bühlmann ist eine Landfrau. Sie fühlt sich mit dem Land verbunden. Als Bauerntochter wuchs sie in der Innerschweiz auf, und sie besuchte auch die Bäuerinnenschule. Mit 20 Jahren hat sie nach Wädenswil, in die Beichlen, geheiratet, wo sie 37 Jahre lang gewohnt hat.
«Ich war immer mit Bauern in Kontakt. Mein Schwager war Bauer im Hirzel, meine Brüder in der Innerschweiz. Ich bin mit der Landwirtschaft verbunden. Auch meine Tochter ist biodynamische Landwirtin und arbeitete als Arbeitsagogin auf verschiedenen Betrieben, unter anderem in der Stiftung Bühl auf dem Bauernhof. Das Bäurische ist in der Familie verankert.»
Die Leidenschaft für das Brot
Die Leidenschaft für das Brot begann schon vor 34 Jahren zu keimen. «Die Landfrauen suchten jemanden, der Brot für den Markt bäckt, weil die Biobäuerin, die den Marktstand betrieb, ins Spital musste. Ich bin für sie eingesprungen. Im ersten Jahr haben ein paar Frauen und ich Brot gebacken, und ich bin damit und mit meinen Töchtern auf den Samstagsmarkt in Wädenwil gefahren. Das war 1989. Nachher fand man, es sei doch schön, wenn wir weiter auf den Markt kämen. So ist das gewachsen. Die Biobäuerin ist nach ihrer Genesung auch wieder mit ihrem Biobrot auf den Markt gekommen und ich weiter mit meinem Brot. Wir kamen uns nicht in die Quere. Damals habe ich alles zuhause gemacht. Jetzt darf man das wegen der Gesundheitsvorschriften nicht mehr. Ich bin dann mit Knetmaschine und einem ersten Brotbackofen in den Keller gezügelt. Das war noch in der Beichlen. Die Nachfrage wurde immer grösser. Ich habe vor allem für den Samstagsmarkt gebacken, sonst höchstens mal für einen Kirchenapéro.» Mit der grossen Nachfrage und der Begeisterung für Christels Backwaren wuchs ihre Backleidenschaft.
Als sie mit ihrem Mann nach Schönenberg zog, musste und wollte Christel Bühlmann eine richtige Backstube haben. Sie erinnert sich: «Hier in diesem Mehrfamilienhaus konnten wir von Anfang an bei der Planung dabei sein und so diesen kleinen Gewerberaum übernehmen. Es hat einen separaten Raum für das Mehl, es muss trocken gelagert werden können, also besser nicht im selben Raum wie die Öfen, denn das Backen erzeugt viel Feuchtigkeit.»
Für den Wochenmarkt stellte Christel Bühlmann jeweils 80 Butterbrezel und die heiss begehrten Zöpfe her. Vor Weihnachten sei es auch schon vorgekommen, dass sie 50 bis 80 Kilogramm Guetsli gebacken hat. «Ich habe für einen grossen Markt gebacken, ich war verwachsen mit dem Wädenswiler Markt.»
Ihre Töchter freuten sich auf jeden Besuch, weil sie immer einen Zopf mitbringe. Auch die Enkel nahmen an diesem «Familiending» teil, auch sie durften mit auf den Markt und halfen immer voller Freude mit. Ihre Kinderzeichnungen, die Christel an den Kühlschrank geheftet hat, sind schöne Erinnerungen daran.
Die Zeit war gekommen
30 Jahre lang backte Christel Bühlmann und fuhr mit ihren Erzeugnissen zum Markt. Dann dachte sie, die Zeit sei gekommen, ihre Hausbäckerei weiterzugeben. Das war vor drei Jahren, sie war 70 Jahre alt. Sie wollte mehr Zeit für anderes haben. Unverhofft meldete sich jemand aus der Nachbarschaft. Der Nachfolger schien der Richtige, einer, der schon immer so etwas gesucht hat. Sogar einen Artikel in der Zürichsee-Zeitung war es wert. «Doch dann hat er im letzten Moment per WhatsApp abgesagt.» Die Enttäuschung ist Christel Bühlmann noch jetzt anzuhören. «Das macht man doch nicht. Man redet doch miteinander!»
Christel Bühlmann bäckt immer noch, doch es ist alles ruhiger geworden. Ihr Mann, der ihr immer viel geholfen hat, ist gestorben. Dann kam Corona und man konnte nirgends mehr hin. Christel Bühlmann ging viel laufen, war immer unterwegs. «Man muss unter die Leute kommen. Sonst kann es sein, dass man komisch wird oder einsam oder gar depressiv. Lebendig sein, das liegt mir am Herzen!»
Und so hat sie auch neue Tätigkeitsfelder gefunden. Jeden Dienstag bäckt sie Brot für einen Hofladen. «Ich fragte auch meine Nachbarn wieder, die ich früher beliefert habe. So backe ich jetzt wieder im kleinen Rahmen.» Am Montagabend wird der Teig gemacht, vor dem Ins-Bett-gehen. Morgens um 5.30 Uhr ist sie in der Backstube und formt die Brote, lässt sie aufgehen und schiebt sie dann in die vorgewärmten Öfen. Ab 8.30 Uhr werden sie an die verschiedenen Abnehmer verteilt. Seit August 2022 beliefert sie auch Zwibol, den Bio-Laden in Wädenswil; eine Genossenschaft, die unter anderem von ihrer Tochter Claudia ins Leben gerufen wurde.
Wie lange noch?
«Keine Ahnung. Solange es geht! Ich habe noch verschiedene andere Nebenjobs. Wenn man alleine ist, muss man etwas tun.» Inzwischen komme alle zwei Wochen am Freitagabend eine Frau in die Backstube und backe Biobrote und -zöpfe und gehe damit am Samstagmorgen auf den Markt. «Es wäre toll, wenn sich noch jemand finden liesse, sodass meine Backstube wieder voll ausgelastet ist und vor allem der Markt jeden Samstag Brot und Zopf hat.» n
Nach 30 Jahren gab Christel Bühlmann ihre Hausbäckerei weiter. So dachte sie. Doch ihr Nachfolger trat im letzten Moment von seinem Vorhaben zurück. Nun bäckt Christel Bühlmann wieder selber Brot in ihrer Backstube im Schönenberg.
Text & Bilder: Ingrid Eva Liedtke
Es ist Dienstag, noch früher Morgen. Ich stehe mit Christel Bühlmann in ihrer Backstube. Einige knusprige Brote liegen schon auf den Holzgestellen zum Auskühlen. Der Duft von Frischgebackenem weht durch den Raum, während die geübte Bäckerin Teig in Portionen aufteilt und dann lange Schlangen ausrollt, die sie schliesslich zu ihren beliebten Laugenbrezeln formt. Ich darf mitmachen und später, wenn der Teig fertig verarbeitet ist, wird sie mir zeigen, wie man die Teiglinge in kochender Lauge badet, bevor man sie in den Ofen schiebt. Später werden die Brote und auch die fertigen Laugenbrezel ausgeliefert. Die kleine Produktionsstätte kennt getaktete Abläufe.
Christel Bühlmann hat sich ihre Backstube eingerichtet, als sie nach Schönenberg gezogen ist. Es ist eine kleine, aber professionelle Backstube mit einer Teigknetmaschine, zwei grossen Öfen und einem normalgrossen Backofen für Kleingebäck. Die Backleidenschaft, die hat Christel Bühlmann schon viel früher gepackt.
Eine Landfrau
Christel Bühlmann ist eine Landfrau. Sie fühlt sich mit dem Land verbunden. Als Bauerntochter wuchs sie in der Innerschweiz auf, und sie besuchte auch die Bäuerinnenschule. Mit 20 Jahren hat sie nach Wädenswil, in die Beichlen, geheiratet, wo sie 37 Jahre lang gewohnt hat.
«Ich war immer mit Bauern in Kontakt. Mein Schwager war Bauer im Hirzel, meine Brüder in der Innerschweiz. Ich bin mit der Landwirtschaft verbunden. Auch meine Tochter ist biodynamische Landwirtin und arbeitete als Arbeitsagogin auf verschiedenen Betrieben, unter anderem in der Stiftung Bühl auf dem Bauernhof. Das Bäurische ist in der Familie verankert.»
Die Leidenschaft für das Brot
Die Leidenschaft für das Brot begann schon vor 34 Jahren zu keimen. «Die Landfrauen suchten jemanden, der Brot für den Markt bäckt, weil die Biobäuerin, die den Marktstand betrieb, ins Spital musste. Ich bin für sie eingesprungen. Im ersten Jahr haben ein paar Frauen und ich Brot gebacken, und ich bin damit und mit meinen Töchtern auf den Samstagsmarkt in Wädenwil gefahren. Das war 1989. Nachher fand man, es sei doch schön, wenn wir weiter auf den Markt kämen. So ist das gewachsen. Die Biobäuerin ist nach ihrer Genesung auch wieder mit ihrem Biobrot auf den Markt gekommen und ich weiter mit meinem Brot. Wir kamen uns nicht in die Quere. Damals habe ich alles zuhause gemacht. Jetzt darf man das wegen der Gesundheitsvorschriften nicht mehr. Ich bin dann mit Knetmaschine und einem ersten Brotbackofen in den Keller gezügelt. Das war noch in der Beichlen. Die Nachfrage wurde immer grösser. Ich habe vor allem für den Samstagsmarkt gebacken, sonst höchstens mal für einen Kirchenapéro.» Mit der grossen Nachfrage und der Begeisterung für Christels Backwaren wuchs ihre Backleidenschaft.
Als sie mit ihrem Mann nach Schönenberg zog, musste und wollte Christel Bühlmann eine richtige Backstube haben. Sie erinnert sich: «Hier in diesem Mehrfamilienhaus konnten wir von Anfang an bei der Planung dabei sein und so diesen kleinen Gewerberaum übernehmen. Es hat einen separaten Raum für das Mehl, es muss trocken gelagert werden können, also besser nicht im selben Raum wie die Öfen, denn das Backen erzeugt viel Feuchtigkeit.»
Für den Wochenmarkt stellte Christel Bühlmann jeweils 80 Butterbrezel und die heiss begehrten Zöpfe her. Vor Weihnachten sei es auch schon vorgekommen, dass sie 50 bis 80 Kilogramm Guetsli gebacken hat. «Ich habe für einen grossen Markt gebacken, ich war verwachsen mit dem Wädenswiler Markt.»
Ihre Töchter freuten sich auf jeden Besuch, weil sie immer einen Zopf mitbringe. Auch die Enkel nahmen an diesem «Familiending» teil, auch sie durften mit auf den Markt und halfen immer voller Freude mit. Ihre Kinderzeichnungen, die Christel an den Kühlschrank geheftet hat, sind schöne Erinnerungen daran.
Die Zeit war gekommen
30 Jahre lang backte Christel Bühlmann und fuhr mit ihren Erzeugnissen zum Markt. Dann dachte sie, die Zeit sei gekommen, ihre Hausbäckerei weiterzugeben. Das war vor drei Jahren, sie war 70 Jahre alt. Sie wollte mehr Zeit für anderes haben. Unverhofft meldete sich jemand aus der Nachbarschaft. Der Nachfolger schien der Richtige, einer, der schon immer so etwas gesucht hat. Sogar einen Artikel in der Zürichsee-Zeitung war es wert. «Doch dann hat er im letzten Moment per WhatsApp abgesagt.» Die Enttäuschung ist Christel Bühlmann noch jetzt anzuhören. «Das macht man doch nicht. Man redet doch miteinander!»
Christel Bühlmann bäckt immer noch, doch es ist alles ruhiger geworden. Ihr Mann, der ihr immer viel geholfen hat, ist gestorben. Dann kam Corona und man konnte nirgends mehr hin. Christel Bühlmann ging viel laufen, war immer unterwegs. «Man muss unter die Leute kommen. Sonst kann es sein, dass man komisch wird oder einsam oder gar depressiv. Lebendig sein, das liegt mir am Herzen!»
Und so hat sie auch neue Tätigkeitsfelder gefunden. Jeden Dienstag bäckt sie Brot für einen Hofladen. «Ich fragte auch meine Nachbarn wieder, die ich früher beliefert habe. So backe ich jetzt wieder im kleinen Rahmen.» Am Montagabend wird der Teig gemacht, vor dem Ins-Bett-gehen. Morgens um 5.30 Uhr ist sie in der Backstube und formt die Brote, lässt sie aufgehen und schiebt sie dann in die vorgewärmten Öfen. Ab 8.30 Uhr werden sie an die verschiedenen Abnehmer verteilt. Seit August 2022 beliefert sie auch Zwibol, den Bio-Laden in Wädenswil; eine Genossenschaft, die unter anderem von ihrer Tochter Claudia ins Leben gerufen wurde.
Wie lange noch?
«Keine Ahnung. Solange es geht! Ich habe noch verschiedene andere Nebenjobs. Wenn man alleine ist, muss man etwas tun.» Inzwischen komme alle zwei Wochen am Freitagabend eine Frau in die Backstube und backe Biobrote und -zöpfe und gehe damit am Samstagmorgen auf den Markt. «Es wäre toll, wenn sich noch jemand finden liesse, sodass meine Backstube wieder voll ausgelastet ist und vor allem der Markt jeden Samstag Brot und Zopf hat.» n