Der Musikverein Schönenberg hat einen neuen Dirigenten. Luciano Bizzozero ist jung, 28, sehr gut ausgebildet und hat eine grosse Leidenschaft für die Blasmusik und ihre Möglichkeiten. Seine Vision ist es, dies auch vermehrt jungen Menschen zu vermitteln, um so den Vereinsnachwuchs zu fördern.
Text & Bilder: Ingrid Eva Liedtke
Wie kommt es, dass sich ein junger Mann aus Dieitkon nicht dem Hip-Hop oder Rap, sondern der Blasmusik verschreibt? «Die Blasmusik ist für mich eine Passion. Es gibt so viele Genres, die man spielen kann in einer Blasmusikvariation – wie Latin, Jazz, Rock, Funk, Disco, Filmmusik etc. Da sind nicht nur Märsche. Da hat es Potenzial für jeden Geschmack! Ich hatte auch schon früh eigene Ideen, wie etwas gespielt werden müsste. Das inspirierte mich dazu, Dirigent werden zu wollen. Ich will da vorne stehen, wissen, was ich erreichen will und einen Einfluss darauf haben, was herauskommt.» Das ist ein selbstsicheres Statement. Luciano Bizzozero, 28, weiss, was er kann und will. Er hat Visionen.
Schon als Kind hatte er Freude an der Musik. «Meine Mutter hat lange in der Blasmusik ihrer Firma gespielt. So habe ich wohl die Leidenschaft mitbekommen.»
Mit sieben Jahren, in der Primarschule, begann Bizzozero Trompete zu lernen, und gleichzeitig startete er als Tambour in der Jugendmusik Dietikon. Das Feuer war entfacht, und bald fing er an, im Zwischenkorps, der «Einsteigerband» der Jugendmusik. Da war er etwa zehn.
«Es ging mir darum, ins grössere Korps zu kommen. Gleichzeitig war ich als Trompeter in der Jugendmusik Spreitenbach. Dann hat sich der Probeplan geändert, so dass ich ins Hauptkorps Dietikon konnte.» Es ist nicht leicht den Überblick über Luciano Bizzozeros diverse musikalische Engagements zu behalten. Schliesslich war er in drei Hauptformationen engagiert. Dazu kam das Schlagzeug, das er, als er die Kantonsschule Limmattal besuchte, in der Big Band der Kanti spielte.
«Im Zürcher Jugendblasorchester lernte ich dann auch schon ein paar Musiker vom Musikverein Schönenberg kennen.» Es ist nämlich so – man hat es sich vielleicht schon zusammengereimt –, dass besonders engagierte Blasmusiker in mehreren Formationen, spielen. «Es gibt zudem ein Lager für ambitionierte Musiker, da lernt man sich auch kennen», fügt Bizzozero an.
Irgendwann war Luciano Bizzozero erwachsen geworden und musste ins Militär. Das führte ihn, der offensichtlich keine musikalische Gelegenheit auslässt, geradewegs in die Militärmusik. Als Unteroffizier bekam er die Möglichkeit, einen Dirigentenkurs zu absolvieren. Aber auch damit war es für das junge Talent nicht getan: «Nach dem Abverdienen ging ich an die Hochschule Luzern und machte einen Bachelor mit eidgenössischem Fachausweis als Dirigent in Blasmusikdirektion.»
Zu wenig Förderung der Blasmusik
Dieses Studium bietet die ZHdK in Zürich nicht an, was Bizzozero als Versäumnis erachtet. Es sieht hier auch eine Schwäche des Verbandes für Blasmusik. «In der Schweiz gibt es eine grosse Vereinskultur, die ich als sehr wichtig und wertvoll erachte. Sie sollte mehr gefördert werden. Wichtig wäre, mehr mit der Zeit zu gehen, sodass die Vereine nicht überaltern. Man müsste das Moderne fördern und gleichzeitig die schönen Seiten der Tradition aufrechterhalten.»
Mehr wollen
Neben dem Studium musste der angehende Dirigent einen ersten Verein «holen», wie er es nennt. Die Harmonie Wettingen-Kloster dirigiert er immer noch.
Die meisten Dirigenten leiten nur einen Verein. Viele hätten auch einfach einen Kurs gemacht, kein Studium. Doch die Leidenschaft von Luciano Bizzozero ist grösser, er will mehr. Am liebsten würde er die Blasmusik und das Dirigieren hauptberuflich machen. Doch das ist schwierig. «Proben sind meistens abends und die Woche hat zu wenig Tage, um genügend Lohn zu generieren», seufzt er. Die Kunst hat in der Schweiz einen schweren Stand.
«Vom Musikverein Schönenberg habe ich den Auftrag, den Verein musikalisch zu leiten und zu fördern. Für mich ist dies ein Job, in Folge meiner Erstausbildung. Doch ich kann nicht mit Stellenprozenten rechnen, sondern nur mit Einsätzen. Doch die Vereine sind nicht auf Rosen gebettet und es gibt keine oder nur wenig staatliche Unterstützung. Darum baue ich mir noch ein zweites Standbein auf. Ich habe ein Psychologiestudium mit dem Nebenfach Musikwissenschaften begonnen. Prinzipiell ist es mein Plan, meine Interessen und Hobbies zu vereinen, um immer mit Freude arbeiten zu können. Ich habe viele Interessen, die sich manchmal abwechseln, aber die Musik und das Vereinswesen sind immer dabei. Da verliere ich nie das Interesse. Ich kann abends gestresst in eine Probe gehen und nachher bin ich wieder auf dem Damm.»
Musik und Psychologie
Es müsse mehr kulturelle Unterstützung für die Vereinskultur geben und schon für die Kinder viel mehr Förderung, um in ihnen die Freude an Musik zu erwecken. Der angehende Psychologe spricht aus ihm, wenn er anfügt: «Man weiss, wie förderlich das auch für die Psyche ist. Musik spricht das analytische und das kreative Hirn gleichermassen an. Die beiden müssen beim Musikmachen zusammenarbeiten.»
Psychologie studiert Bizzozero, weil ihn der menschliche Geist interessiert und er als Dirigent viel mit Menschen zu tun hat. Die Frage, wie er sie erreichen kann, spielt dabei eine tragende Rolle. «Die Psychologie ist meiner Meinung nach immer noch unterbewertet. Dabei hat die Corona-Pandemie wieder einmal gezeigt, wie schnell es passieren kann, dass der Mensch aus dem Gleichgewicht fallen kann.»
Begeisterung für Neues
Jeder Dirigent hat eigene Vorstellungen, welchen Weg er mit seinem Verein gehen will. «Dorfvereine hatten früher eine zentrale Bedeutung. Es ist mir ein Anliegen zu schauen, dass in den Musiken etwas passiert, dass sie sich weiterentwickeln. Es gibt so viel Neues, das möglich ist mit Blasinstrumenten. Das möchte ich vermitteln und die Musiker aus der Komfortzone holen. Natürlich muss man die ‹Literatur› den Mitgliedern anpassen, aber ich will sie begeistern für Neues, um auch die Jungen anzuziehen. Ich persönlich kann mich für fast alles begeistern.»
Zusammen mit der Musikkommission entscheidet der Dirigent über das zu spielende Repertoire und kann so Einfluss nehmen.
Luciano Bizzozero ist jung, neugierig und innovativ. Vielleicht gelingt es ihm die Nachwuchsprobleme mit seinen Strategien abzufedern.
Die eigene Spur
Die Fusstapfen seines Vorgängers Kilian Grüter beeindrucken ihn wenig. Bizzozero ist fokussiert darauf, was er mit dem Musikverein Schönenberg, mit seiner Arbeit allgemein, erreichen will. Er will sich selbst sein, seine Musiker fördern und Freude an der Musik vermitteln. Das soll die Spur sein, die er hinterlasse. «Vielleicht haben ja die Eine oder der Andere etwas Neues gelernt. Oder es hat sie in Erstaunen versetzt, wie der da vorne dirigiert, und es hat ihnen möglicherweise gefallen. Vielleicht kann ich dem Verein helfen, wieder mehr Grösse zu finden, dass wieder mehr Junge den Weg finden. Jede, die ein Instrument spielen kann, jeder, der Zeit hat, soll bei uns hereinschauen und Musikvereinsluft schnuppern. Es macht Spass in diesem Verein zu sein!»
Langsam trudeln die einzelnen Mitglieder ein zur Probe – jung und alt. Sie packen ihre Blasinstrumente aus, stecken sie zusammen und fangen an sie zu stimmen. Noch tönt es wie Katzenmusik. Dann macht Luciano Bizzozero mit seinen Musikern ein Einturnen. Stehend werden verschiedene Rhythmen eingetanzt, bis sie ins Blut übergehen. Dann, zum Auftakt der Probe, spielt man sich warm mit «Smoke on the water».
Die Geschichte weitertragen
Die Geschichte des Musikvereins Schönenberg wird schon seit 1906 geschrieben. Sie will nicht neu erfunden werden. Dieser neue Dirigent möchte sie weitertragen, «indem man zusammen musiziert, zusammen Freude hat, diese lebt und präsentiert, indem man das Beste herausholt und das Beste liefert. Wir wollen alles bieten, weil wir auch alles können!»
Und wie sieht er die Zukunft des Vereins? «Viel Lachen und Freude!»
Der Musikverein Schönenberg hat einen neuen Dirigenten. Luciano Bizzozero ist jung, 28, sehr gut ausgebildet und hat eine grosse Leidenschaft für die Blasmusik und ihre Möglichkeiten. Seine Vision ist es, dies auch vermehrt jungen Menschen zu vermitteln, um so den Vereinsnachwuchs zu fördern.
Text & Bilder: Ingrid Eva Liedtke
Wie kommt es, dass sich ein junger Mann aus Dieitkon nicht dem Hip-Hop oder Rap, sondern der Blasmusik verschreibt? «Die Blasmusik ist für mich eine Passion. Es gibt so viele Genres, die man spielen kann in einer Blasmusikvariation – wie Latin, Jazz, Rock, Funk, Disco, Filmmusik etc. Da sind nicht nur Märsche. Da hat es Potenzial für jeden Geschmack! Ich hatte auch schon früh eigene Ideen, wie etwas gespielt werden müsste. Das inspirierte mich dazu, Dirigent werden zu wollen. Ich will da vorne stehen, wissen, was ich erreichen will und einen Einfluss darauf haben, was herauskommt.» Das ist ein selbstsicheres Statement. Luciano Bizzozero, 28, weiss, was er kann und will. Er hat Visionen.
Schon als Kind hatte er Freude an der Musik. «Meine Mutter hat lange in der Blasmusik ihrer Firma gespielt. So habe ich wohl die Leidenschaft mitbekommen.»
Mit sieben Jahren, in der Primarschule, begann Bizzozero Trompete zu lernen, und gleichzeitig startete er als Tambour in der Jugendmusik Dietikon. Das Feuer war entfacht, und bald fing er an, im Zwischenkorps, der «Einsteigerband» der Jugendmusik. Da war er etwa zehn.
«Es ging mir darum, ins grössere Korps zu kommen. Gleichzeitig war ich als Trompeter in der Jugendmusik Spreitenbach. Dann hat sich der Probeplan geändert, so dass ich ins Hauptkorps Dietikon konnte.» Es ist nicht leicht den Überblick über Luciano Bizzozeros diverse musikalische Engagements zu behalten. Schliesslich war er in drei Hauptformationen engagiert. Dazu kam das Schlagzeug, das er, als er die Kantonsschule Limmattal besuchte, in der Big Band der Kanti spielte.
«Im Zürcher Jugendblasorchester lernte ich dann auch schon ein paar Musiker vom Musikverein Schönenberg kennen.» Es ist nämlich so – man hat es sich vielleicht schon zusammengereimt –, dass besonders engagierte Blasmusiker in mehreren Formationen, spielen. «Es gibt zudem ein Lager für ambitionierte Musiker, da lernt man sich auch kennen», fügt Bizzozero an.
Irgendwann war Luciano Bizzozero erwachsen geworden und musste ins Militär. Das führte ihn, der offensichtlich keine musikalische Gelegenheit auslässt, geradewegs in die Militärmusik. Als Unteroffizier bekam er die Möglichkeit, einen Dirigentenkurs zu absolvieren. Aber auch damit war es für das junge Talent nicht getan: «Nach dem Abverdienen ging ich an die Hochschule Luzern und machte einen Bachelor mit eidgenössischem Fachausweis als Dirigent in Blasmusikdirektion.»
Zu wenig Förderung der Blasmusik
Dieses Studium bietet die ZHdK in Zürich nicht an, was Bizzozero als Versäumnis erachtet. Es sieht hier auch eine Schwäche des Verbandes für Blasmusik. «In der Schweiz gibt es eine grosse Vereinskultur, die ich als sehr wichtig und wertvoll erachte. Sie sollte mehr gefördert werden. Wichtig wäre, mehr mit der Zeit zu gehen, sodass die Vereine nicht überaltern. Man müsste das Moderne fördern und gleichzeitig die schönen Seiten der Tradition aufrechterhalten.»
Mehr wollen
Neben dem Studium musste der angehende Dirigent einen ersten Verein «holen», wie er es nennt. Die Harmonie Wettingen-Kloster dirigiert er immer noch.
Die meisten Dirigenten leiten nur einen Verein. Viele hätten auch einfach einen Kurs gemacht, kein Studium. Doch die Leidenschaft von Luciano Bizzozero ist grösser, er will mehr. Am liebsten würde er die Blasmusik und das Dirigieren hauptberuflich machen. Doch das ist schwierig. «Proben sind meistens abends und die Woche hat zu wenig Tage, um genügend Lohn zu generieren», seufzt er. Die Kunst hat in der Schweiz einen schweren Stand.
«Vom Musikverein Schönenberg habe ich den Auftrag, den Verein musikalisch zu leiten und zu fördern. Für mich ist dies ein Job, in Folge meiner Erstausbildung. Doch ich kann nicht mit Stellenprozenten rechnen, sondern nur mit Einsätzen. Doch die Vereine sind nicht auf Rosen gebettet und es gibt keine oder nur wenig staatliche Unterstützung. Darum baue ich mir noch ein zweites Standbein auf. Ich habe ein Psychologiestudium mit dem Nebenfach Musikwissenschaften begonnen. Prinzipiell ist es mein Plan, meine Interessen und Hobbies zu vereinen, um immer mit Freude arbeiten zu können. Ich habe viele Interessen, die sich manchmal abwechseln, aber die Musik und das Vereinswesen sind immer dabei. Da verliere ich nie das Interesse. Ich kann abends gestresst in eine Probe gehen und nachher bin ich wieder auf dem Damm.»
Musik und Psychologie
Es müsse mehr kulturelle Unterstützung für die Vereinskultur geben und schon für die Kinder viel mehr Förderung, um in ihnen die Freude an Musik zu erwecken. Der angehende Psychologe spricht aus ihm, wenn er anfügt: «Man weiss, wie förderlich das auch für die Psyche ist. Musik spricht das analytische und das kreative Hirn gleichermassen an. Die beiden müssen beim Musikmachen zusammenarbeiten.»
Psychologie studiert Bizzozero, weil ihn der menschliche Geist interessiert und er als Dirigent viel mit Menschen zu tun hat. Die Frage, wie er sie erreichen kann, spielt dabei eine tragende Rolle. «Die Psychologie ist meiner Meinung nach immer noch unterbewertet. Dabei hat die Corona-Pandemie wieder einmal gezeigt, wie schnell es passieren kann, dass der Mensch aus dem Gleichgewicht fallen kann.»
Begeisterung für Neues
Jeder Dirigent hat eigene Vorstellungen, welchen Weg er mit seinem Verein gehen will. «Dorfvereine hatten früher eine zentrale Bedeutung. Es ist mir ein Anliegen zu schauen, dass in den Musiken etwas passiert, dass sie sich weiterentwickeln. Es gibt so viel Neues, das möglich ist mit Blasinstrumenten. Das möchte ich vermitteln und die Musiker aus der Komfortzone holen. Natürlich muss man die ‹Literatur› den Mitgliedern anpassen, aber ich will sie begeistern für Neues, um auch die Jungen anzuziehen. Ich persönlich kann mich für fast alles begeistern.»
Zusammen mit der Musikkommission entscheidet der Dirigent über das zu spielende Repertoire und kann so Einfluss nehmen.
Luciano Bizzozero ist jung, neugierig und innovativ. Vielleicht gelingt es ihm die Nachwuchsprobleme mit seinen Strategien abzufedern.
Die eigene Spur
Die Fusstapfen seines Vorgängers Kilian Grüter beeindrucken ihn wenig. Bizzozero ist fokussiert darauf, was er mit dem Musikverein Schönenberg, mit seiner Arbeit allgemein, erreichen will. Er will sich selbst sein, seine Musiker fördern und Freude an der Musik vermitteln. Das soll die Spur sein, die er hinterlasse. «Vielleicht haben ja die Eine oder der Andere etwas Neues gelernt. Oder es hat sie in Erstaunen versetzt, wie der da vorne dirigiert, und es hat ihnen möglicherweise gefallen. Vielleicht kann ich dem Verein helfen, wieder mehr Grösse zu finden, dass wieder mehr Junge den Weg finden. Jede, die ein Instrument spielen kann, jeder, der Zeit hat, soll bei uns hereinschauen und Musikvereinsluft schnuppern. Es macht Spass in diesem Verein zu sein!»
Langsam trudeln die einzelnen Mitglieder ein zur Probe – jung und alt. Sie packen ihre Blasinstrumente aus, stecken sie zusammen und fangen an sie zu stimmen. Noch tönt es wie Katzenmusik. Dann macht Luciano Bizzozero mit seinen Musikern ein Einturnen. Stehend werden verschiedene Rhythmen eingetanzt, bis sie ins Blut übergehen. Dann, zum Auftakt der Probe, spielt man sich warm mit «Smoke on the water».
Die Geschichte weitertragen
Die Geschichte des Musikvereins Schönenberg wird schon seit 1906 geschrieben. Sie will nicht neu erfunden werden. Dieser neue Dirigent möchte sie weitertragen, «indem man zusammen musiziert, zusammen Freude hat, diese lebt und präsentiert, indem man das Beste herausholt und das Beste liefert. Wir wollen alles bieten, weil wir auch alles können!»
Und wie sieht er die Zukunft des Vereins? «Viel Lachen und Freude!»