Seit Juli 2022 verteilt der Verein «Aufgetischt statt Weggeworfen» (ASW) in Richterswil Lebensmittel an Menschen mit kleinem Budget. Dabei steht nicht nur die Unterstützung der Familien im Vordergrund, sondern auch der Kampf gegen die Verschwendung noch guter Esswaren.
Text & Bilder: Reni Bircher
Schon vor Türöffnung sammeln sich einzelne Personen vor der Marienkirche in Samstagern und unterhalten sich. Mit Einkaufwagen und Taschen ausgestattet kommen manche zu Fuss, andere mit dem Bus aus dem Dorf, der direkt unten an der Strasse hält. Das Ticket dafür wird vom Sozialamt übernommen.
Hin und wieder fährt ein Auto vor und Kisten voll mit Gemüse, Brot, Obst usw. sowie Kühltaschen mit Fleisch, Fisch und Milchprodukten werden ausgeladen. Aus dem Innern der Marienkirche strömen Helfer, während drinnen emsig die Waren gewogen, sortiert, begutachtet und auf mehreren Tischen ansprechend arrangiert werden.
Wenn alles und alle bereit sind, dürfen sich die Wartenden draussen einen Zahlen-Jeton aus einem Beutel nehmen und die erste Fünfergruppe kann in den Aufenthaltsraum gehen. Die meisten der ca. 50 Bezugsberechtigten kommen fast jede Woche hierher. Man kennt sich mit der Zeit, es finden kurze Gespräche statt, ein gegenseitiges Nachfragen nach dem Befinden zwischen den freiwilligen Helfern und den Lebensmittelbezügern, die meisten davon Frauen. Unaufgeregt und freundlich nehmen sie die ausgesuchten Waren entgegen, lassen sich auch beraten, fragen nach, wenn sie etwas nicht kennen. Schon kommt die nächste Gruppe, reiht sich vor dem Rundgang um die Tische ein, wobei die HelferInnen darauf achten, dass es auch für die letzte Gruppe noch genügend Lebensmittel übrig hat. Am Ende der Tafel steht Ruth Diem und verteilt aus einer monatlichen Zwei-Kilo-Spende feinste Premium-Schokolade, und die wird freudig entgegengenommen.
Sollten noch Lebensmittel übrig sein, nach dem alle bezugsberechtigten Personen einmal durchgegangen sind, dürfen diese bei Bedarf nochmals Ware aussuchen. Frischware bleibt kaum liegen, meistens ist es die immense Menge an Brot, von dem sich die Helferinnen und Helfer dann noch bedienen. Restbrot wird für Tierfutter zu einem Bauernhof oder Pferdestall gebracht.
Erfolgreicher Start in Richterswil
Durch das Vereins-Engagement in Wädenswil aufmerksam gemacht haben sich Ruth und Hans Diem (siehe Artikel im Richterswiler Anzeiger vom Dezember 2022) dem Verein «Aufgetischt statt Weggeworfen» angeschlossen und eine Regionalgruppe Richterswil-Samstagern gegründet. Sie beziehen die Lebensmittel von der Migros, den Coop-Filialen Dorf und Obermatt und von Aldi.
Die Ausgabestelle unterliegt vorgeschriebenen Hygienemassnahmen, die Lokalität wird vom Lebensmittelkontrolleur unangemeldet besucht. Dieser war zufällig anwesend, als ein ganzer Käselaib gespendet worden war, und Ruth Diem erzählt: «Wir mussten den Käse portionieren und der Kontrolleur war überrascht über die einwandfreie Qualität, und meinte, der Hartkäse wäre noch gut sechs Monate haltbar.
Rund 40 freiwillige, motivierte Helferinnen und Helfer, in vier Gruppen eingeteilt, betreuen abwechselnd jeden Mittwochabend die Lebensmittelausgabe. Diese Leute wurden geschult im Umgang mit den Waren, den Menschen (Vertraulichkeit und Abgrenzung) und sind an die Schweigepflicht gebunden.
Fünf Autoladungen kommen jeweils am Tag der Verteilung zusammen. «Von den Detaillisten her dürften wir auch zweimal die Woche nach Ladenschluss Lebensmittel abholen und an Bedürftige verteilen, dazu fehlt uns aber leider ein geeignetes Lokal», erklärt Diem. Es sei so schon schwierig gewesen, einen Raum zu finden, welcher das ganze Jahr hindurch immer am gleichen Abend zur Verfügung steht. Ideal wäre ein Ort, wo man die ganzen Kühltaschen, Gebinde und Ordner mit allen Unterlagen und Logbüchern deponieren dürfte. «Wir wiegen sämtliche Lebensmittel, die wir abholen und tragen das Gewicht in unsere Bücher ein. Diese Zahlen werden dem Verein weitergeleitet, der dann die Lieferanten informiert, denn diese sind daran interessiert zu erfahren, was an Esswaren abgeholt wird».
Auffallend ist, wie wenig Schweizerinnen und Schweizer das Angebot der Lebensmittelverteilung annehmen, obwohl inzwischen den meisten Menschen bewusst ist, dass die Zahl von Armut Betroffener stark zugenommen hat – auch in Richterswil-Samstagern. Doch wer diese unbegründete Scham überwinden und sich bewusst werden kann, dass damit auch einer masslosen Lebensmittelverschwendung abgeholfen werden kann, der hilft nicht nur sich und seiner Familie.
Dazu sagt Ruth Diem: «Ich hoffe sehr, dass sich noch mehr Menschen beim Sozialamt melden, um eine Bezügerkarte zu holen. Wir bekommen genügend spendiert und können gut noch an weiteren zehn Familien Lebensmittel abgeben». Die Anmeldung für die Bezugskarte ist gratis, danach zahlt man bei jedem Besuch 1 Franken, egal wie viele Lebensmittel man mitnehmen kann.
Der Verein in Zahlen
Ein Drittel aller essbaren Lebensmittel in Europa wird weggeworfen. Jährlich sind dies allein in der Schweiz über 2,8 Millionen Tonnen gut geniessbare Lebensmittel, die nicht auf dem Teller landen. Seit 2015 setzt sich «Aufgetischt statt Weggeworfen» lokal gegen Food Waste ein.
Bis Dezember 2022 hat ASW bereits über 424 Tonnen Lebensmittel gerettet und damit Armutsbetroffenen eine Freude gemacht, anstatt dass Esswaren weggeworfen werden oder in der Biogasanlage landen. Der Verein ist mit rund 500 Freiwilligen an 15 Standorten in der Deutschschweiz aktiv, weitere mögen hoffentlich folgen. n
«Aufgetischt statt Weggeworfen» Richterswil-Samstagern
Jeden Mittwochabend ab ca. 20.15 Uhr in der katholischen Marien-
kirche Samstagern.
Regionalleitung: Ruth und Hans Diem
Angebote für eine Lokalität im Dorf nimmt Ruth Diem (rhdiem@bluewin.ch) gerne entgegen.
Weitere Informationen unter: info@aufgetischt-statt-weggeworfen.ch
www.aufgetischt-statt-weggeworfen.ch
Sozialamt Richterswil: 044 787 12 70, soziales@richterswil.ch
Seit Juli 2022 verteilt der Verein «Aufgetischt statt Weggeworfen» (ASW) in Richterswil Lebensmittel an Menschen mit kleinem Budget. Dabei steht nicht nur die Unterstützung der Familien im Vordergrund, sondern auch der Kampf gegen die Verschwendung noch guter Esswaren.
Text & Bilder: Reni Bircher
Schon vor Türöffnung sammeln sich einzelne Personen vor der Marienkirche in Samstagern und unterhalten sich. Mit Einkaufwagen und Taschen ausgestattet kommen manche zu Fuss, andere mit dem Bus aus dem Dorf, der direkt unten an der Strasse hält. Das Ticket dafür wird vom Sozialamt übernommen.
Hin und wieder fährt ein Auto vor und Kisten voll mit Gemüse, Brot, Obst usw. sowie Kühltaschen mit Fleisch, Fisch und Milchprodukten werden ausgeladen. Aus dem Innern der Marienkirche strömen Helfer, während drinnen emsig die Waren gewogen, sortiert, begutachtet und auf mehreren Tischen ansprechend arrangiert werden.
Wenn alles und alle bereit sind, dürfen sich die Wartenden draussen einen Zahlen-Jeton aus einem Beutel nehmen und die erste Fünfergruppe kann in den Aufenthaltsraum gehen. Die meisten der ca. 50 Bezugsberechtigten kommen fast jede Woche hierher. Man kennt sich mit der Zeit, es finden kurze Gespräche statt, ein gegenseitiges Nachfragen nach dem Befinden zwischen den freiwilligen Helfern und den Lebensmittelbezügern, die meisten davon Frauen. Unaufgeregt und freundlich nehmen sie die ausgesuchten Waren entgegen, lassen sich auch beraten, fragen nach, wenn sie etwas nicht kennen. Schon kommt die nächste Gruppe, reiht sich vor dem Rundgang um die Tische ein, wobei die HelferInnen darauf achten, dass es auch für die letzte Gruppe noch genügend Lebensmittel übrig hat. Am Ende der Tafel steht Ruth Diem und verteilt aus einer monatlichen Zwei-Kilo-Spende feinste Premium-Schokolade, und die wird freudig entgegengenommen.
Sollten noch Lebensmittel übrig sein, nach dem alle bezugsberechtigten Personen einmal durchgegangen sind, dürfen diese bei Bedarf nochmals Ware aussuchen. Frischware bleibt kaum liegen, meistens ist es die immense Menge an Brot, von dem sich die Helferinnen und Helfer dann noch bedienen. Restbrot wird für Tierfutter zu einem Bauernhof oder Pferdestall gebracht.
Erfolgreicher Start in Richterswil
Durch das Vereins-Engagement in Wädenswil aufmerksam gemacht haben sich Ruth und Hans Diem (siehe Artikel im Richterswiler Anzeiger vom Dezember 2022) dem Verein «Aufgetischt statt Weggeworfen» angeschlossen und eine Regionalgruppe Richterswil-Samstagern gegründet. Sie beziehen die Lebensmittel von der Migros, den Coop-Filialen Dorf und Obermatt und von Aldi.
Die Ausgabestelle unterliegt vorgeschriebenen Hygienemassnahmen, die Lokalität wird vom Lebensmittelkontrolleur unangemeldet besucht. Dieser war zufällig anwesend, als ein ganzer Käselaib gespendet worden war, und Ruth Diem erzählt: «Wir mussten den Käse portionieren und der Kontrolleur war überrascht über die einwandfreie Qualität, und meinte, der Hartkäse wäre noch gut sechs Monate haltbar.
Rund 40 freiwillige, motivierte Helferinnen und Helfer, in vier Gruppen eingeteilt, betreuen abwechselnd jeden Mittwochabend die Lebensmittelausgabe. Diese Leute wurden geschult im Umgang mit den Waren, den Menschen (Vertraulichkeit und Abgrenzung) und sind an die Schweigepflicht gebunden.
Fünf Autoladungen kommen jeweils am Tag der Verteilung zusammen. «Von den Detaillisten her dürften wir auch zweimal die Woche nach Ladenschluss Lebensmittel abholen und an Bedürftige verteilen, dazu fehlt uns aber leider ein geeignetes Lokal», erklärt Diem. Es sei so schon schwierig gewesen, einen Raum zu finden, welcher das ganze Jahr hindurch immer am gleichen Abend zur Verfügung steht. Ideal wäre ein Ort, wo man die ganzen Kühltaschen, Gebinde und Ordner mit allen Unterlagen und Logbüchern deponieren dürfte. «Wir wiegen sämtliche Lebensmittel, die wir abholen und tragen das Gewicht in unsere Bücher ein. Diese Zahlen werden dem Verein weitergeleitet, der dann die Lieferanten informiert, denn diese sind daran interessiert zu erfahren, was an Esswaren abgeholt wird».
Auffallend ist, wie wenig Schweizerinnen und Schweizer das Angebot der Lebensmittelverteilung annehmen, obwohl inzwischen den meisten Menschen bewusst ist, dass die Zahl von Armut Betroffener stark zugenommen hat – auch in Richterswil-Samstagern. Doch wer diese unbegründete Scham überwinden und sich bewusst werden kann, dass damit auch einer masslosen Lebensmittelverschwendung abgeholfen werden kann, der hilft nicht nur sich und seiner Familie.
Dazu sagt Ruth Diem: «Ich hoffe sehr, dass sich noch mehr Menschen beim Sozialamt melden, um eine Bezügerkarte zu holen. Wir bekommen genügend spendiert und können gut noch an weiteren zehn Familien Lebensmittel abgeben». Die Anmeldung für die Bezugskarte ist gratis, danach zahlt man bei jedem Besuch 1 Franken, egal wie viele Lebensmittel man mitnehmen kann.
Der Verein in Zahlen
Ein Drittel aller essbaren Lebensmittel in Europa wird weggeworfen. Jährlich sind dies allein in der Schweiz über 2,8 Millionen Tonnen gut geniessbare Lebensmittel, die nicht auf dem Teller landen. Seit 2015 setzt sich «Aufgetischt statt Weggeworfen» lokal gegen Food Waste ein.
Bis Dezember 2022 hat ASW bereits über 424 Tonnen Lebensmittel gerettet und damit Armutsbetroffenen eine Freude gemacht, anstatt dass Esswaren weggeworfen werden oder in der Biogasanlage landen. Der Verein ist mit rund 500 Freiwilligen an 15 Standorten in der Deutschschweiz aktiv, weitere mögen hoffentlich folgen. n
«Aufgetischt statt Weggeworfen» Richterswil-Samstagern
Jeden Mittwochabend ab ca. 20.15 Uhr in der katholischen Marien-
kirche Samstagern.
Regionalleitung: Ruth und Hans Diem
Angebote für eine Lokalität im Dorf nimmt Ruth Diem (rhdiem@bluewin.ch) gerne entgegen.
Weitere Informationen unter: info@aufgetischt-statt-weggeworfen.ch
www.aufgetischt-statt-weggeworfen.ch
Sozialamt Richterswil: 044 787 12 70, soziales@richterswil.ch