Richterswil

Im Dienste Ihrer Majestät

«Zita the Butler» ist Butlerin mit Leib und Seele. In der Gemeindebibliothek hat sie vor vollen Rängen von dem weiten Weg, den sie für diesen Berufsstand zurückgelegt hat, ihren Aufgaben und Erlebnissen erzählt, was bei den Zuschauern für Begeisterung und Erheiterung sorgte.
Text & Bild: Reni Bircher

Braucht es denn noch Butler? Die ungefähr 800 Butler, welche jedes Jahr europaweit ihre Ausbildung beenden, decken nicht einmal den Bedarf in der Schweiz. Nur erzählt man sich das hierzulande kaum, dass jemand im Haushalt arbeitet, welcher stets zum Rechten schaut. Ganz anders in Grossbritannien, wo sich die Leute eher wundern, wenn jemand keinen Bediensteten hat. Aber in Gstaad oder St. Moritz ist der Bedarf an Butlern gross, genauso wie am Zürichsee. Nebst ihrer Tätigkeit als Leiterin Weiterbildung beim Verband für Hotellerie und Restauration, der GastroSuisse, hat Zita Langenstein seit vielen Jahren einen privaten Zürcher Haushalt als Butlerin zu leiten.

Werdegang

Zita Langenstein wurde in eine Bauernfamilie in Nidwalden hineingeboren. «Ich war etwa sechs Jahre alt, als ich meiner Mutter eröffnete, dass ich Butler werden will». Das kam nicht von ungefähr, denn ihre Mutter war ein Fan der Queen, die etwa im gleichen Alter war. «Ich glaube, für eine Bauersfrau auf dem Land wirkte deren Leben wie ein Traum». Und durch alle Generationen bis heute, waren vermutlich vor allem die Dramen und Klatschgeschichten von höchstem Interesse. So hätten doch alle etwas von der Royalen Familie, scherzt die 60-jährige.
Der Film «Das Haus am Eaton Place» beeindruckte und befeuerte ihren Berufswunsch immens. Der Butler dort leitete und führte zwei Familiensysteme, die des Hausherrn und die der Bediensteten. «Er hat das in für Grossbritannien besonders schwierigen Jahren hervorragend gemeistert».
Wir sollten aber nicht denken, sie würde den ganzen Tag nur fernsehen. Tatsächlich müsse man als Butler aber lernen, Wartezeiten auszuhalten. Das sei vermutlich etwas vom schwierigsten, doch in der Butlerschule lerne man, «sinnvoll» zu warten. «Man darf Gesprächen der Leute, bei denen man angestellt ist, nicht zuhören, muss aber immer präsent sein und sofort reagieren können, wenn es die Situation erfordert». Zählen sei eine gute Beschäftigung für den Kopf, während man ruhig dastehen und warten muss: «Hier würde ich jetzt anfangen die Bücher zu zählen», sagt Zita, «und als Sie in die Bibliothek gekommen sind, habe ich Sie gezählt», erklärt die Butlerin den Anwesenden. Ein Pokerface sei gefragt, man dürfe auch nicht lachen, «was mir besonders schwer fällt».

Lehrjahre

Mit 16 zog Zita aus und schloss zwei Berufslehren ab, in der Gastronomie und in der Hotellerie. In der Schweiz gibt es keine Ausbildung für Butler, es ist allerdings möglich, dass sich dies bald ändern wird. Mit 20 war sie im Schweizerhof in Bern tätig, wo sie sowohl im Betrieb wie auch für die Inhaberfamilie arbeitete. Dort lernte sie eines Tages einen englischen Butler kennen, und dieser erzählte ihr, dass es in Grossbritannien eine Butlerschule gebe. «Kurz darauf habe ich mich dort das erste Mal beworben – und wurde 20 Jahre lang abgelehnt». Das sei ein unrühmliches Kapitel in ihrem Leben, ihre Mutter hätte ihr schon gesagt, dass es langsam peinlich wäre, so oft abgelehnt zu werden. «Aber ich wollte nicht aufgeben». Mit jeder Absage sei ihr aber eine Aufgabe gestellt worden, «ziemlich schöne», etwa im Fernen Osten und Amerika arbeiten gehen, um die Kultur kennenzulernen. Das hat sie getan, arbeitete, lernte, kam zurück und bewarb sich erneut in London – und wurde abgewiesen.
«Damals entging mir die Doppeldeutigkeit in der Sprache, denn diese Auflagen waren bloss «Hinhaltechnik». «Im Jahr 2000 haben sie mir dann geschrieben und gefragt, ob ich die Ausbildung machen wolle … sie würden jetzt auch Frauen aufnehmen». Doch dieser Schritt war ihr erst 2005 möglich.

An der Butlerschule

Am ersten Tag an der Butlerschule, der «Ivor Spencer School» in London, bekam Zita Langenstein einen Säbel, den sie der Zuhörerschaft stolz präsentiert. Mit diesem lernt man Schaumwein zu entkorken, das sogenannten sabrieren. Das sei vor allem Inszenierung bei schönen Anlässen, dann sei das schon ein besonderer Anblick, wenn mehrere Butler gleichzeitig eine Magnumflasche entkorken würden.
Am Griff hängt eine rote Kordel, ein Zeichen, dass Zita im Buckingham Palace bereits über 1000 Flaschen damit entkorkt hat, was ein Raunen und Geklatsche im Raum hervorruft. «Ich erzähle meinen Kollegen immer, dass bei dieser Aussage in der Schweiz applaudiert werde. Aber in Grossbritannien ist diese Anzahl eher bescheiden, denn bei meinen Kolleginnen und Kollegen bringt man fast die Finger nicht mehr in den Griff, dort hängen derart viele Kordeln dran», schmunzelte sie.
Die Ausbildung dauerte für Zita zwei Monate im Intensivkurs, weil sie schon viel Erfahrung mitbrachte, normalerweise dauert die Ausbildung zwei Jahre. Ivor Spencer hat noch immer jeden Tag unterrichtet, worüber Zita überglücklich ist. «Er ist schlicht brillant in der Rhetorik, hat eine enorme Präsenz und weiss alles über interkulturelle Kompetenz, vermittelte wertvolle Lösungsansätze für schwierige Situationen – ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so jemanden getroffen und werde es vermutlich auch nicht mehr.»
Wunderbare Beispiele über den Ausbildungsalltag folgten, über gebügelte Zeitungen, ungeschriebenen Gesetzen und jährlichen Ritualen, welche einstudierten Szenarien gleichen und doch zur Zufriedenheit aller beitragen – sehr spannend, lustig und manchmal auch absurd und wohl abseits von allem, was die Anwesenden jemals zuvor gehört haben.

Die Prüfung

Am Ende der Ausbildungszeit folgte ein Prüfung und diese bestand darin, eine kleine Arbeit über ein zugelostes Thema zu verfassen. Die Enttäuschung war gross, als Zita den in Grossbritannien fast heiligen «Traditional Afternoon Tea» zog, denn darüber sei bereits alles gesagt und geschrieben worden. «Der ist schon perfekt, da kann man nichts mehr dazu sagen», war Zita damals betrübt. Sie rief ihren Mann an, berichtete von ihrer Not und bekam einen wertvollen Typ: «Afternoon Tea Swiss Style». So bestand Zitas Nachmittagszeremonie aus vielen typisch schweizerischen Erzeugnissen, aber im englischen Stil angerichtet. «Die Scones wollte ich lassen, denn die sind heilig, aber es gab keine Erdbeermarmelade, sondern verschiedenen Konfitüren, wie wir sie hier in der Schweiz machen, und Greyerzer Doppelrahm». Dies alles schrieb Zita in einem Booklet samt Rezepten nieder und servierte das auch so – und gewann damit den ersten Preis.
Dies hatte zur Folge, dass dieser Afternoon Tea der Queen serviert werden sollte, und das ausgerechnet an deren 80. Geburtstag. «Ich schwankte zwischen Freude und Panik, und ein Jahr später war es dann soweit: ich sollte meine Kreationen für 70 geladene Gäste bereiten – Frauen von Vereinen, bei denen die Queen den Vorsitz innehatte». Alle nötigen Produkte wurden aus der Schweiz importiert und zu jedem Produkt servierte Zita eine Geschichte aus der Schweiz. Das gefiel der Queen so gut, dass sie verfügte, ab sofort an jedem ihrer Geburtstage einen Schweizer Nachmittagstee von Zita zu bekommen. Das letzte Mal im Mai 2022.
Auch an anderen Anlässen mochte die Queen die Anwesenheit und Dienste von Zita. «Stil und Klasse lernt man von der Queen», ist sie überzeugt.
Dass die Queen verstorben ist, kann Zita noch nicht wirklich fassen. Obwohl sie an deren Sarg gestanden hat. «Ich stand 13 Stunden in der Queue (Reihe), um persönlich von ihr Abschied zu nehmen».
Die Ausführungen über das, was Dienen überhaupt bedeutet, weitere wunderbare Episoden und eine Fragerunde förderte so viele Eindrücke und Einblicke zutage, dass die Anwesenden sehr zufrieden den Abend mit schweizerisch-britischem Apéro und sabriertem Prosecco beschliessen durften.

www.zitathebutler.ch
www.ivorspencer.co.uk, www.butlerschool.com

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