Vor etwas mehr als einem Jahr brannte in der Bubenwies ein altes Bauernhaus bis auf die Grundmauern nieder. Eine Familie verlor ihr Zuhause im Grünen und ihr Hab und Gut. Wie geht es den Vassellas jetzt, nachdem ein Jahr vergangen ist?
Text & Bild: Ingrid Eva Liedtke
Manchmal kann sich das Leben innerhalb einer einzigen Stunde ändern. So geschehen am frühen Morgen des 26. Mai 2021. Um fünf Uhr wurde Manuel Vassella von einem Geräusch geweckt. Ein Trommeln auf dem Dach, so hörte es sich an, und er dachte zuerst, es handle sich um einen Platzregen. Dann wachte auch seine Frau auf und man beschloss nachzuschauen. Zu diesem Zeitpunkt stand der Dachstock ihres Hauses in der Buebenwies schon in Flammen, und dem Paar blieb nur noch das eine: die zwei Kinder und sich selbst zu retten. Alles andere war verloren. Ein Lebenstraum wurde zerstört.
Manuel Vassella ist in der Buebenwies aufgewachsen, im Haus, das nur einige Schritte vom Brandort entfernt ist und in dem auch einer seiner Brüder mit Familie wohnt. Die junge Familie liebte es mitten in der Landwirtschaft zu leben, umgeben von Wiesen, wo sich die beiden Kinder austoben konnten.
Manuel Vassella hat sich früh selbständig gemacht. Die Gartenbaufirma war in der Scheune des Hauses untergebracht.
Seit dem denkwürdigen Morgen, seit diesem Feuer, das innert einer Stunde gierig einen Familientraum aufgefressen hat, liegt die Hintere Buebenwies in Trümmern. Wie ein Mahnmal stehen die Brandruinen ein Jahr später noch immer da, in den saftig grünen Wiesen eines neuen Sommeranfangs.
Und Vassellas? Wie werden sie mit diesem Verlust fertig? Wie geht es für sie weiter? Haben sie neue Pläne, Wünsche, Hoffnungen? Haben sie gar Verletzungen davongetragen – äussere oder innere? Manuel Vassella sagt, er sei froh, werde er nicht mehr so häufig auf den Brand angesprochen. «Wir sind froh, dass jetzt Normalität eingekehrt ist und nicht mehr darüber gesprochen wird. Wir wollen es vergessen. Wir sind als Paar und Familie stark genug, um das Erlebte zu verkraften und abzuschliessen. Auch die Kinder sind auf gutem Weg», sagt er.
Ein paar Mal waren Vassellas mit den zwei Kindern schon vor Ort im Garten, und man hat auch schon zusammen im Haus gesucht, ob man noch irgend etwas findet, das von den Flammen verschont geblieben ist.
«In der Schublade eines nahezu verbrannten Möbels fanden wir in ihren Schatullen die Taufketten der Kinder», erzählt Vassella. «Das war schon fast abenteuerlich.»
«Natürlich war es für die Kinder am Anfang, die ersten Tage danach, schwierig einzuschlafen, da sie so brutal aus dem Schlaf gerissen worden sind. Wir haben ihnen dann erklärt, dass wir jetzt in einem Neubau aus Beton, also in einem brandsicheren Haus wohnen, wo uns nichts passieren kann. Daher ist es momentan gut, dass wir in dieser Wohnung, in einem neuen Haus, wohnen. Doch wir möchten am liebsten wieder in der Buebenwies wohnen.»
Was passiert mit dem verbrannten Haus?
Was mit den Ruinen passiert, ob das Haus wieder aufgebaut wird, ob Vassellas allenfalls wieder zur Miete da wohnen könnten, steht in den Sternen. Die Ungewissheit ist quälend.
«Zuerst steht man unter Schock. Ein paar Tage lang hatten wir das Gefühl, wenn die Feuerwehr fertig ist, gehen wir wieder nach Hause. Noch ein paar Tage später ist dann die Gewissheit eingefahren. Ich habe daran gedacht, was alles im Haus ist oder besser war, bin gedanklich durchs ganze Haus gegangen, dachte an die Hochzeitsgeschenke, die wir von Freunden bekommen haben und erinnerte mich dabei auch an jede knarrende Treppenstufe, die mich manchmal genervt hat. Ich realisierte, dass ich das nie mehr hören würde, möglicherweise nie mehr zurückkehren kann. Plötzlich vermisste ich unser Zuhause sehr. Das war hart.»
Vassellas wohnen jetzt in einem Wohnblock im Dorf. Glücklicherweise stand gerade eine Wohnung frei. «Ein Nachbar wusste davon und hat sich mit uns in Verbindung gesetzt», erzählt Manuel Vassella. «Der Hausbesitzer hat die Wohnung einige Zeit leerstehenlassen und meinte dann, das habe wohl so sein müssen, dass er sich so lange nicht um einen Mieter gekümmert habe. Wir konnten von heute auf morgen einziehen und uns einrichten, mit einem Teil der Dinge, die man für uns gesammelt hatte. Darüber waren wir sehr froh.»
Die Hilfsbereitschaft
Die Hilfsbereitschaft in der Schönenberger Bevölkerung war immens gross, ja, geradezu überwältigend.
«Man denkt nicht im Traum daran, dass so viel Hilfe angeboten wird. Einen Moment lang waren wir sogar überfordert. Jemand aus unserer Familie anerbot sich dann, alles zu koordinieren. Anfangs war es problematisch zu wissen und entscheiden, was wir überhaupt brauchten, weil wir noch gar nicht wussten, wie unsere Wohnsituation sein würde, ob wir überhaupt Platz finden.»
Vassella ist wichtig festzuhalten: «Die übergrosse Hilfsbereitschaft hat uns überrollt. Es war schwierig für alle Seiten das emotional einzuordnen. Aber vor allem sind wir extrem dankbar, denn jede Geste hat gezählt, auch wenn wir selber nicht persönlich auf alles reagieren konnten und lange nicht alles annehmen konnten.»
Wie verändert sich das Leben einer jungen Familie durch ein solch einschneidendes und traumatisches Ereignis?
«Vor allem unsere Wohnsituation hat sich drastisch verändert, was ich mir nicht gewohnt bin. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, in der Buebenwies und bin nachher direkt in die Hintere Buebenwies gezogen. Ich lebte immer auf dem Land im Grünen, was ich liebe. Das ist für mich sehr wichtig und das wollte ich so auch meinen Kindern bieten. Es ist für mich schon sehr einschneidend und auch belastend, dass ich ihnen das momentan nicht mehr ermöglichen kann. Für mich ist auch ein Stück Heimat verbrannt, abgesehen von all den Erinnerungsstücken, die im Haus waren. Wir haben alles verloren, ausser dem Computer, den digitalen Daten, alles, was ein Leben halt ausmacht.»
Für die Kinder sei das nicht so schlimm gewesen, denn die fanden es cool, dass man alles neu habe kaufen können.
Man wird ängstlicher
Niemand rechnet damit, dass so etwas passiert. Umso mehr ist der Glaube an die Sicherheit gestört. Man werde vorsichtiger, vielleicht ein Stück weit ängstlicher.
«Ich stelle mir jetzt schneller vor, was alles passieren könnte», ist sich Manuel Vassella bewusst. «Letzthin hatten wir eine Feuerwehrübung bei einem Kollegen in der Scheune. Ich sah sofort überall die Gefahrenquellen.»
Schlussendlich sind Vassellas froh, dass sie so viel Glück im Unglück hatten. «Es war schon ziemlich knapp. Wir hatten einen Schutzengel.»
Und nun?
Kann man das Haus nicht wieder aufbauen? «Das Haus hat uns nicht gehört», bedauert Vassella. «Wir waren Mieter. Wir hätten das Haus gerne gekauft. Leider wissen wir nicht, was der Besitzer nun damit vor hat. Wir wären natürlich sehr froh, wenn wir wieder zurückkehren könnten. Die Ungewissheit ist schon eine zusätzliche Belastung, weil da noch Hoffnung ist, wieder so leben zu können, wie vor dem Brand. Auf jeden Fall wünschen wir uns sehr, wieder in ähnlichen Verhältnissen zu wohnen und unsere Kinder aufwachsen zu sehen, möglichst in einem eigenen Heim.»
Der Brand in der Hinteren Buebenwies hat bei deren Bewohnern zum Glück keine schlimmen Spuren hinterlassen. Sie haben viele gesunde Anteile und ein gutes Umfeld, was ihnen hilft, mit diesem Schicksalsschlag fertig zu werden.
Was bleibt ist eine gewisse Angst und die Hoffnung, irgendwann wieder so zu leben, wie sie es sich erträumen und wie sie es einst taten.
Das wünschen wir ihnen.
«Danke! Danke an alle, die für uns da waren und uns geholfen haben», sagt Manuel Vassella zum Schluss nochmals mit Nachdruck.
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Vor etwas mehr als einem Jahr brannte in der Bubenwies ein altes Bauernhaus bis auf die Grundmauern nieder. Eine Familie verlor ihr Zuhause im Grünen und ihr Hab und Gut. Wie geht es den Vassellas jetzt, nachdem ein Jahr vergangen ist?
Text & Bild: Ingrid Eva Liedtke
Manchmal kann sich das Leben innerhalb einer einzigen Stunde ändern. So geschehen am frühen Morgen des 26. Mai 2021. Um fünf Uhr wurde Manuel Vassella von einem Geräusch geweckt. Ein Trommeln auf dem Dach, so hörte es sich an, und er dachte zuerst, es handle sich um einen Platzregen. Dann wachte auch seine Frau auf und man beschloss nachzuschauen. Zu diesem Zeitpunkt stand der Dachstock ihres Hauses in der Buebenwies schon in Flammen, und dem Paar blieb nur noch das eine: die zwei Kinder und sich selbst zu retten. Alles andere war verloren. Ein Lebenstraum wurde zerstört.
Manuel Vassella ist in der Buebenwies aufgewachsen, im Haus, das nur einige Schritte vom Brandort entfernt ist und in dem auch einer seiner Brüder mit Familie wohnt. Die junge Familie liebte es mitten in der Landwirtschaft zu leben, umgeben von Wiesen, wo sich die beiden Kinder austoben konnten.
Manuel Vassella hat sich früh selbständig gemacht. Die Gartenbaufirma war in der Scheune des Hauses untergebracht.
Seit dem denkwürdigen Morgen, seit diesem Feuer, das innert einer Stunde gierig einen Familientraum aufgefressen hat, liegt die Hintere Buebenwies in Trümmern. Wie ein Mahnmal stehen die Brandruinen ein Jahr später noch immer da, in den saftig grünen Wiesen eines neuen Sommeranfangs.
Und Vassellas? Wie werden sie mit diesem Verlust fertig? Wie geht es für sie weiter? Haben sie neue Pläne, Wünsche, Hoffnungen? Haben sie gar Verletzungen davongetragen – äussere oder innere? Manuel Vassella sagt, er sei froh, werde er nicht mehr so häufig auf den Brand angesprochen. «Wir sind froh, dass jetzt Normalität eingekehrt ist und nicht mehr darüber gesprochen wird. Wir wollen es vergessen. Wir sind als Paar und Familie stark genug, um das Erlebte zu verkraften und abzuschliessen. Auch die Kinder sind auf gutem Weg», sagt er.
Ein paar Mal waren Vassellas mit den zwei Kindern schon vor Ort im Garten, und man hat auch schon zusammen im Haus gesucht, ob man noch irgend etwas findet, das von den Flammen verschont geblieben ist.
«In der Schublade eines nahezu verbrannten Möbels fanden wir in ihren Schatullen die Taufketten der Kinder», erzählt Vassella. «Das war schon fast abenteuerlich.»
«Natürlich war es für die Kinder am Anfang, die ersten Tage danach, schwierig einzuschlafen, da sie so brutal aus dem Schlaf gerissen worden sind. Wir haben ihnen dann erklärt, dass wir jetzt in einem Neubau aus Beton, also in einem brandsicheren Haus wohnen, wo uns nichts passieren kann. Daher ist es momentan gut, dass wir in dieser Wohnung, in einem neuen Haus, wohnen. Doch wir möchten am liebsten wieder in der Buebenwies wohnen.»
Was passiert mit dem verbrannten Haus?
Was mit den Ruinen passiert, ob das Haus wieder aufgebaut wird, ob Vassellas allenfalls wieder zur Miete da wohnen könnten, steht in den Sternen. Die Ungewissheit ist quälend.
«Zuerst steht man unter Schock. Ein paar Tage lang hatten wir das Gefühl, wenn die Feuerwehr fertig ist, gehen wir wieder nach Hause. Noch ein paar Tage später ist dann die Gewissheit eingefahren. Ich habe daran gedacht, was alles im Haus ist oder besser war, bin gedanklich durchs ganze Haus gegangen, dachte an die Hochzeitsgeschenke, die wir von Freunden bekommen haben und erinnerte mich dabei auch an jede knarrende Treppenstufe, die mich manchmal genervt hat. Ich realisierte, dass ich das nie mehr hören würde, möglicherweise nie mehr zurückkehren kann. Plötzlich vermisste ich unser Zuhause sehr. Das war hart.»
Vassellas wohnen jetzt in einem Wohnblock im Dorf. Glücklicherweise stand gerade eine Wohnung frei. «Ein Nachbar wusste davon und hat sich mit uns in Verbindung gesetzt», erzählt Manuel Vassella. «Der Hausbesitzer hat die Wohnung einige Zeit leerstehenlassen und meinte dann, das habe wohl so sein müssen, dass er sich so lange nicht um einen Mieter gekümmert habe. Wir konnten von heute auf morgen einziehen und uns einrichten, mit einem Teil der Dinge, die man für uns gesammelt hatte. Darüber waren wir sehr froh.»
Die Hilfsbereitschaft
Die Hilfsbereitschaft in der Schönenberger Bevölkerung war immens gross, ja, geradezu überwältigend.
«Man denkt nicht im Traum daran, dass so viel Hilfe angeboten wird. Einen Moment lang waren wir sogar überfordert. Jemand aus unserer Familie anerbot sich dann, alles zu koordinieren. Anfangs war es problematisch zu wissen und entscheiden, was wir überhaupt brauchten, weil wir noch gar nicht wussten, wie unsere Wohnsituation sein würde, ob wir überhaupt Platz finden.»
Vassella ist wichtig festzuhalten: «Die übergrosse Hilfsbereitschaft hat uns überrollt. Es war schwierig für alle Seiten das emotional einzuordnen. Aber vor allem sind wir extrem dankbar, denn jede Geste hat gezählt, auch wenn wir selber nicht persönlich auf alles reagieren konnten und lange nicht alles annehmen konnten.»
Wie verändert sich das Leben einer jungen Familie durch ein solch einschneidendes und traumatisches Ereignis?
«Vor allem unsere Wohnsituation hat sich drastisch verändert, was ich mir nicht gewohnt bin. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen, in der Buebenwies und bin nachher direkt in die Hintere Buebenwies gezogen. Ich lebte immer auf dem Land im Grünen, was ich liebe. Das ist für mich sehr wichtig und das wollte ich so auch meinen Kindern bieten. Es ist für mich schon sehr einschneidend und auch belastend, dass ich ihnen das momentan nicht mehr ermöglichen kann. Für mich ist auch ein Stück Heimat verbrannt, abgesehen von all den Erinnerungsstücken, die im Haus waren. Wir haben alles verloren, ausser dem Computer, den digitalen Daten, alles, was ein Leben halt ausmacht.»
Für die Kinder sei das nicht so schlimm gewesen, denn die fanden es cool, dass man alles neu habe kaufen können.
Man wird ängstlicher
Niemand rechnet damit, dass so etwas passiert. Umso mehr ist der Glaube an die Sicherheit gestört. Man werde vorsichtiger, vielleicht ein Stück weit ängstlicher.
«Ich stelle mir jetzt schneller vor, was alles passieren könnte», ist sich Manuel Vassella bewusst. «Letzthin hatten wir eine Feuerwehrübung bei einem Kollegen in der Scheune. Ich sah sofort überall die Gefahrenquellen.»
Schlussendlich sind Vassellas froh, dass sie so viel Glück im Unglück hatten. «Es war schon ziemlich knapp. Wir hatten einen Schutzengel.»
Und nun?
Kann man das Haus nicht wieder aufbauen? «Das Haus hat uns nicht gehört», bedauert Vassella. «Wir waren Mieter. Wir hätten das Haus gerne gekauft. Leider wissen wir nicht, was der Besitzer nun damit vor hat. Wir wären natürlich sehr froh, wenn wir wieder zurückkehren könnten. Die Ungewissheit ist schon eine zusätzliche Belastung, weil da noch Hoffnung ist, wieder so leben zu können, wie vor dem Brand. Auf jeden Fall wünschen wir uns sehr, wieder in ähnlichen Verhältnissen zu wohnen und unsere Kinder aufwachsen zu sehen, möglichst in einem eigenen Heim.»
Der Brand in der Hinteren Buebenwies hat bei deren Bewohnern zum Glück keine schlimmen Spuren hinterlassen. Sie haben viele gesunde Anteile und ein gutes Umfeld, was ihnen hilft, mit diesem Schicksalsschlag fertig zu werden.
Was bleibt ist eine gewisse Angst und die Hoffnung, irgendwann wieder so zu leben, wie sie es sich erträumen und wie sie es einst taten.
Das wünschen wir ihnen.
«Danke! Danke an alle, die für uns da waren und uns geholfen haben», sagt Manuel Vassella zum Schluss nochmals mit Nachdruck.