Wädenswil

«Wir können nur auf Energie zurückgreifen, die auch vorhanden ist»

Im Zuge des neuen Energieplans werden erneuerbare Energiemodelle ausgelotet. Der Leiter der Werke der Stadt Wädenswil, Rolf Baumbach, erklärt im Gespräch, was es mit den geplanten Energieverbunden auf sich hat.

Interview: Susanna Valentin

Herr Baumbach, womit wird aktuell in Wädenswiler Haushalten geheizt und warmes Wasser erzeugt?
Über 50% der Gebäude in Schönenberg, Hütten und Wädenswil greifen auf Gas zurück. Bei weiteren 25% kommt Öl zum Einsatz, die restlichen 25% werden durch Umweltwärme, Holz oder auch mit Elektrowiderstandsheizungen versorgt.

Das sind mehr als 75% fossile Brennstoffe. Der neue Energieplan soll diese Tatsache ändern. Warum genau jetzt?
Die Schweiz hat zum Pariser Klimaabkommen Ja gesagt. Daraus ergeben sich Vorgaben: Bis 2050 wird «Netto-Null-Treibhausgase» angestrebt. Zudem wurde im November 2021 das kantonale Energiegesetz angenommen, welches bestimmt, dass Öl- und Gasheizungen am Ende ihrer Lebensdauer mit wenigen Ausnahmen nur noch durch klimaneutrale Lösungen ersetzt werden dürfen.

Der Energieplan kommt dieser Weisung mit der Schaffung neuer Energieverbunde entgegen.
Genau. Unser Anliegen ist es, attraktive Lösungen für die Verwendung von alternativen Energien zu bieten.

Wädenswil ist unterdessen rund 35 Quadratkilometer gross. Ist die Versorgung mit klimaneutraler Energie flächendeckend möglich?
Um das herauszufinden, führen wir jetzt Machbarkeitsstudien durch. Zentral sind für die Werke die Fragen: Ist ein Energieverbund technisch möglich? Gibt es Hürden, die zum Beispiel den Bau zusätzlicher Rohrsysteme oder einer Energiezentrale verunmöglichen könnten? Wissen wir die Antworten, kann das jeweilige Projekt in Gang gesetzt werden. Energieverbunde sind auch nicht überall möglich, weil sie in weniger dicht besiedelten Gebieten nicht wirtschaftlich betrieben werden können.

Der Bau dieser Systeme nimmt wohl einige Zeit in Anspruch?
Wir sind realistisch, eine solche Umstellung passiert nicht von heute auf morgen. Ausserdem können wir nur auf Energieträger zurückgreifen, die auch vorhanden sind. In Wädenswil ist das im Bereich der Wärme und Kälte Biomasse wie Holzschnitzel und Pellets oder Seewärme. Die Nutzung des Grundwassers gibt auf unserem Gemeindegebiet leider zu wenig her.

Der See liegt dafür vor der Haustür. Ein Glücksfall für Sie?
Den See in greifbarer Nähe zu haben, ist natürlich in diesem Fall Gold wert. Das ist ein Energiepotenzial, das wir nützen möchten und dessen Nutzung zum Beispiel in der Au und im Wädenswiler Stadtzentrum bereits in Prüfung ist.

Wie wird das Seewasser für eine solche Nutzung aufbereitet?
Die Wassertemperatur bewegt sich in etwa zwischen 4–8 Grad, wenn es direkt aus dem See kommt. Es durchläuft dann in einem Zwischenkreislauf eine mehrstufige Wärmepumpe und wird so auf rund 65 Grad erwärmt. Je effizienter diese Wärmepumpen laufen, desto weniger Strom braucht es dafür. Seewasser hat den Vorteil, dass es sowohl für die Kühlung als auch für die Wärme in Gebäuden genutzt werden kann. Bei Neubauten wird dies sehr geschätzt.

Eine Leistung, mit der ein Holzschnitzel-Verbund nicht auftrumpfen kann?
Mit Holzschnitzel kann nicht gekühlt werden, da die Biomasse verbrannt wird und mehrere 100 Grad heiss wird. Energie aus Biomasse ist dennoch eine sehr gute und praktikable Energielösung, wie unsere Erfahrung mit dem seit 2011 bestehenden Holzschnitzel-Wärmeverbund Untermosen zeigt.

Kann dieser nun im Zuge des Energieplans ausgebaut werden?
Natürlich wird das in Betracht gezogen. Ist der Bau von Fernwärmeleitungen möglich und rechnet sich ein Anschluss, können bestehende Verbunde ausgebaut werden.

Angenommen, ein neuer Energieverbund wird umsetzbar. Wie erfahren Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer im entsprechenden Gebiet davon?
Sobald ein Verbund umgesetzt werden kann, werden mögliche Nutzerinnen und Nutzer angeschrieben und beraten. So kann die Eigentümerschaft entscheiden, ob das Gebäude angeschlossen werden soll oder nicht.

Es gibt einige Parzellen, deren Standort einen Wärmeverbund ausschliesst. Trotzdem soll das Gas laut Energieplan auch dort nach und nach abgedreht werden. Wie sollen Betroffene reagieren?
Das Gas ist natürlich nicht sofort weg. Dieser Prozess hat einen Vorlauf von mindestens 15 Jahren und bietet damit genügend Zeit, sich mit alternativen Lösungen auseinanderzusetzen. Betroffene dieser Stilllegungsgebiete werden von uns frühzeitig informiert. Die Entscheidung dazu, den Gasabsatz langfristig zu reduzieren und die Transformation zu einer erneuerbaren Wärmeversorgung voranzutreiben, ist letztlich auch eine Folge aus dem angenommenen Energiegesetz durch das Zürcher Volk. Die Stadt hat die Aufgabe und die Pflicht, vorausschauend zu agieren.

Bietet die Stadt Unterstützung bei dieser Umstellung?
Bei unserer Energiebeauftragten, Golrang Daneshgar, kann eine kostenlose Energiesprechstunde vereinbart werden. In einer einstündigen Erstberatung können Fragen zur Energieeffizienz, zu möglichen erneuerbaren Energien und zur nachhaltigen Architektur beantwortet werden. Die Energiesprechstunde wird im Moment aufgrund der Neuerungen durch das Energiegesetz und unserem Energieplan, aber auch aufgrund des unmittelbaren Weltgeschehens, sehr rege genutzt.

Aufgrund des Krieges in der Ukraine wurden Stimmen laut, die unsere Abhängigkeit von russischem Gas und Öl stark kritisierten.
Bei der Vermeidung von fossilen Brennstoffen zur Energiegewinnung spielt natürlich der ökologische Aspekt eine grosse Rolle. Nun lässt es sich nicht ignorieren, dass wir diese zu grossen Teilen aus Russland beziehen. Eine solche Abhängigkeit birgt natürlich wie im jetzigen Fall grosse Risiken, weshalb sie minimiert werden soll.

Eine Tatsache, die wohl bei einigen das Bewusstsein in Bezug auf die eigene Gasnutzung geschärft hat.
Es ist immer gut, wenn die Dynamik für eine Veränderung aus der Bevölkerung kommt. In diesem Fall also das Anliegen, weg vom ausländischem Gas und Öl zu kommen. Wir tragen mit dem Energieplan und einer Gas- und Wärmestrategie dazu bei, dass der ökologische Umbau der Wädenswiler Wärmeversorgung eine vernünftige Grundlage erhält.

Bis es soweit ist: Was können Bewohnerinnen und Bewohner von Wädenswil selbst zur Senkung des Energieverbrauchs beitragen?
Jeder und jede kann sich an die Faustregel halten: 1 Grad niedrigere Raumtemperatur mindert den Energieverbrauch rund 7%. Das ist einfach umsetzbar und bringt doch schon einiges.

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