Wädenswil

Yvonne Bär – Schätzesammlerin – Vom Flohmarkt und noch anderen Leidenschaften

Yvonne Bär sammelt Schätze, kleine bis mittelgrosse Dinge, die nicht mehr gewollt sind, viel Kitsch. Das ist ihre Leidenschaft. Die meisten Schätze verkauft sie auf dem Flohmarkt oder vor Weihnachten auf dem «Schöneberger Wienachtsmärt.»

Text: Ingrid Eva Liedtke

Dieses Jahr ist der freudig erwartete Weihnachtsmarkt, zur Enttäuschung vieler, schon wieder abgesagt worden. Doch die umtriebige Frau findet immer eine Möglichkeit sich ihren Leidenschaften zu widmen. Manche der gesammelten Schätze behält Yvonne Bär für sich, doch am liebsten geht sie damit auf den Markt. Das «Flohmarkten» ist eine Leidenschaft, die die 69-jährige Schönenbergerin schon ein Leben lang erfüllt. Wer allerdings denkt, die momentane Situation und abgesagte Märkte könnten sie erschüttern, hat weit gefehlt. Sie findet immer etwas zu tun.

Yvonne Bär – die Flohmarktmeisterin

Yvonne Bär ist mit ihrem Stand eines der Highlights des Schönenberger Weihnachtsmarktes. War, müsste man sagen, denn der Markt wurde schon das zweite Jahr in Folge abgesagt.
Der «Schöneberger Wienachtsmärt» wurde ursprünglich vom Elternforum gegründet und dann irgendwann vom Feuerwehrverein übernommen. Yvonne Bärs Tochter war in der Feuerwehr und im Feuerwehrverein. Es kam, dass ein Stand, der für den Markt gebucht und bezahlt worden war, kurzfristig frei wurde. Da sprang die erfahrene «Flohmarktgängerin» ein. Sie gestaltete den Stand mit gesammeltem Weihnachtsschmuck. «Ich hatte genug Weihnachtssachen, um einen Stand damit zu gestalten. Ich hatte vorher noch keinen Weihnachtschmuck verkauft, da ich nicht gerne schon im Oktober Weihnachtsstimmung verkaufe. Das war ungefähr 2007. Von da an war ich immer am Schönenberger Weihnachtsmarkt, wenn er stattgefunden hat, das letzte Mal vor zwei Jahren im Dorfhuus, weil es so gestürmt hat.»

«Ich liebe Kitsch!»

Yvonne Bär liebt Kitsch, je mehr Kitsch, desto schöner. «Manche erschlägt es, aber ich liebe meinen Ramsch. Ich mach’s mir gerne schön.»
Das meiste davon verkauft sie, aber sie hat auch persönliche Dekostücke, die sie für sich behält. So ist auch ihre Wohnung in der Adventszeit reich verziert. «Manches darf jahrelang bei mir sein und dann geht es an den Wienachtsmärt. Das ist das Schöne, denn dann kaufe ich wieder etwas dazu.»
Sie kauft manchmal sogar Stücke in einem Brocki oder auf einem Flohmarkt, aber dann nur für sich.

Ein herber Schlag für die Weihnachtsstimmung

Yvonne ist ein sehr kommunikativer Mensch; sie ist eine, die gerne mit den Leuten spricht, eine, die das wohl auch braucht. Darum war sie schon sehr betroffen, als der «Wiehnachtsmärt» von Schönenberg wegen Corona schon das zweite Mal abgesagt wurde.
Sie sagt: «Ich war sehr traurig. Die Absage kam ziemlich kurzfristig, und ich habe nicht so ganz verstanden, warum. Man wäre ja draussen gewesen und die Abstandsregeln hätten eingehalten werden können. Aber vielleicht war es zu kompliziert die Auflagen zu erfüllen. Ich hatte schon alles vorbereitet, wie viele andere auch. Vor allem für die, die etwas produziert hatten, wie zum Beispiel Eierlikör, war das schlimm. Wohin jetzt mit der Ware? Auch andere Weihnachtsmärkte haben nicht stattgefunden. Man konnte nicht gut ausweichen. Viele lieben den Weihnachtsmarkt, all die Leute, die ich kenne und die mich besuchen, die für einen Schwatz vorbeikommen.»
Es herrscht jeweils ein schönes Ambiente auf dem Schönenberger Dorfplatz mit den Alphornbläsern, den liebevoll ausgeschmückten Verkaufsständen, den Düften von Wachs aus dem Zelt, wo Kerzen gezogen werden können, von Zimt und Glühwein und dem Samichlaus, der für die Kinder kommt. Es gibt feines Essen, draussen, und vor Corona Fondue drinnen, im Lokal der Feuerwehr, mit musikalischer Untermalung von Raphi Fuchs.
Der Markt macht die Weihnachtsstimmung in Schönenberg, – ja, mehr noch – er ist die Weihnachtsstimmung!

Für Yvonne Bärs Weihnachtsstimmung war die Absage ein herber Schlag. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen. Schliesslich machte sie auch noch ein Weihnachtsfenster vor ihrem Haus (siehe separater Artikel), wo der eine oder die andere auch einen Blick in ihre Garage, respektive in ihr Warenlager, werfen konnte.

Das Flohmarktvirus

Und dann ist da ja noch der Flohmarkt, ein Virus, der ihr in der Seele und überall sonst auch, guttut. «Ich bin jetzt 69 Jahre alt und liebe es immer noch, wie am ersten Tag, auf den Flohmarkt zu gehen und meine Sachen zu verkaufen», schwärmt Yvonne. Wann immer möglich ist sie auf dem Flohmarkt auf dem Bürkliplatz anzutreffen.
«Ich bin in Zürich, beim Kreuzplatz, aufgewachsen. Angefangen hat es damit, dass ich jeweils unseren Estrich geräumt habe oder auch andere Familien und Kollegen gefragt habe, ob sie Dinge haben, die sie nicht mehr wollen. Zusammen mit meiner Freundin habe ich dann alles, was zusammengekommen ist, auf dem Flohmarkt verkauft.
Es war eine andere Zeit als heute. Man musste noch nicht anstehen für einen Platz. Jetzt muss man sich, glaube ich, sogar im Internet anmelden. Wir gingen einfach am Samstagmorgen da hin und haben unsere Wolldecke ausgelegt, an der Hecke bei der Bahnhofstrasse, und unseren «Grümpel» ausgestellt und gehofft, wir verkaufen etwas. Wir haben gut verkauft. Es war eine tolle Stimmung. Manche haben dort geschlafen, um den Pavillon herum, es wurde Gitarre gespielt, viele haben ihre Waren noch auf dem Boden ausgelegt –eine wilde Zeit. Ich versuche diesen alten Touch noch ein wenig zu erhalten. Darum habe ich einen Teil meiner Ware immer noch auf dem Boden ausgestellt.
Meine Freundin hatte nach etwa zwei, drei Jahren genug. Wir hatten einen festen Platz bekommen, und so gingen wir dann jeden Samstag hin, und das war ihr zuviel. Für mich war es genau mein Ding, das hat mir gefallen. So gehörte der Platz mir. Bis auf ein Jahr, als ich schwanger war und den Platz untervermietet habe, bin ich immer hingegangen – bis jetzt. Jetzt gehe ich nur noch, wenn das Wetter schön ist. Das ist meine Seelenarbeit. Die Seele hat keine Freude, wenn ich verschifft werde.» Sie lacht ihr rauchiges Lachen.
Yvonne Bär ist eigentlich keine Frühaufsteherin. Aber der Flohmarkt war auch eine Auszeit vom Muttersein. Dafür stand sie gerne in aller Frühe auf. «Der Vater der Kinder musste dann zu ihnen schauen. Das war auch gut für ihn.»
Im tiefsten Innern sei sie immer noch Stadtzürcherin, und der Flohmarkt war jeweils wie ein Ausbruch gewesen. «In Zürich am Bürkliplatz kam man nur, um mich, Yvonne, zu besuchen, nicht s’Mami oder die Ehefrau, sondern nur Yvonne. Das bedeutete mir etwas!»

Yvonne hat viel zu erzählen

Yvonne hat viel zu erzählen, über ihre Erlebnisse vom Flohmarkt, über all die Menschen, die sie getroffen hat, über ihre Kunden, auch darüber wie sie ihre samstäglichen Verkaufsstände gestaltet. «Jeden Samstag habe ich ein anderes Farbmotto: einmal Blau, dann Grün, ein andermal Rosa – ich habe immer ein Farbthema. Da darf dann auch mal ein einzelnes Kleidungsstück dabei sein, auch wenn ich sonst keine Kleider verkaufe.»
Yvonne lebt ihre Leidenschaft also auch kreativ aus.
«Ich habe Stammkundschaft und tolle Nachbarn, jahrelang dieselben. Manchmal wechselt es, weil man den Platz wechseln muss. In den letzten Jahren war ich immer auf demselben Platz. Links ist Inès, mit den schönen Antiquitäten, vis-à-vis Denise mit ihren wunderschönen Bronzeskulpturen und Bildern, und hinter mir ist eine Dame, die auch Ramsch hat, wie ich.»

Woher kommt die Vorliebe für Ramsch?

Man fragt sich, woher die Vorliebe für alte, antike oder ausgediente Dinge kommt. Yvonne weiss es wohl auch nicht so genau. Es kam so, dass sie fand, man solle nicht so viel fortwerfen, was ja jetzt sogar sehr dem Zeitgeist entspricht. «Ich war schon immer der Überzeugung, dass eine Sache mehrere Leben haben kann.»
Manchmal entstünden um die «ausrangierten» Sachen spannende Geschichten. Viele Dinge fänden neue Besitzer und eine schöne Anerkennung und manchmal, da lernten sich dadurch auch Menschen kennen. Sie selber lerne immer viele interessante Leute kennen.

Vielleicht ist ja in unserer Wegwerfgesellschaft der Flohmarkt das Business der Zukunft.
«Nein, das denke ich nicht», sagt Yvonne. «Die Wegwerfgesellschaft ergab sich wohl erst so richtig mit dem Aufkommen der Billiganbieter. Aber es scheint mir schon, als ob der Flohmarkt wieder mehr Anerkennung bekommt. Das finde ich toll!»

Viel Aufwand, schwerer Transport – die Freude macht alles wett

Man kann sich fragen, ob es nicht anstrengend ist, all das viele Zeug in der Garage zu haben und immer neu umzuräumen, sortieren zu müssen. Manchmal muss für Yvonnes Mini regelrecht Platz geschaffen werden, und im Sommer werden die Dinge von Woche zu Woche neu sortiert, dies wegen dem Farbkonzept. «Nur Verrückte machen sowas», grinst sie. «Und das, für manchmal nur 40 Franken. Den Stundenlohn muss man nicht ausrechnen wollen. Meine Tochter hat mal 1.90 Franken ausgerechnet.»

Aber darum geht es ihr auch nicht, sondern um die Freude und die Menschen, die sie trifft, es geht um Beziehung.
All die vielen Dinge müssen immer wieder herumgekarrt werden. Das braucht Kraft. «Ja, das ist streng. Man wird ja nicht jünger. Die Kisten sind schwer. Ich kaufe jetzt bereits kleinere Kisten, damit ich sie besser heben kann. Ich muss zudem um 5 Uhr aufstehen, obwohl ich eigentlich eine Eule bin. Ich muss mich dazu zwingen.»

Doch Yvonne Bär will weitermachen. Bis sie tot umfällt? «Ha, ha, ha … Sicher, solange ich diese Kisten tragen und den Sockel für den Schirm heben kann. Dann gibt es noch die Option weniger mitzunehmen, und wenn ich nicht mehr mit dem Auto fahren kann, dann gehe ich mit dem Postauto mit einem Postiwägeli voller Dinge. Ich mache es so lange, wie es irgendwie geht. Das ist meine Leidenschaft, mein Virus, dafür muss man ein wenig gestört sein …». Sie lacht wieder. Sie lacht viel.

Tragbares Sortiment und die Lust am Handeln

Es ist klar, dass Yvonne Bär nur Dinge annimmt und verkauft, die tragbar sind. «Alle können mir ihre alten Sachen geben – ganz! Ich nehme nichts Kaputtes und nichts Grosses. Das Grösste, das ich je verkauft habe, ist ein Nachttischli. Es müssen Dinge sein, die ich tragen kann. Das Feilschen um den Preis finde ich grossartig. Dabei kann ich alles ausleben.» Sie macht eine ausladende Armbewegung.

Wie geht das alles in Seuchenzeiten?

Am Anfang der Coronazeit ist sie nicht mehr auf den Flohmarkt gegangen. Letztes Jahr war es einigermassen normal, (Mai bis Oktober). «Anfangs mussten wir Masken tragen. Irgendwann hat es sich normalisiert. Es hatte weniger Leute, aber dafür kaufkräftige. Ich habe noch nie so viel verdient, wie letztes Jahr, die Leute hatten richtig Lust darauf, einen Markt zu besuchen und zu kaufen.»

Zeit für Hobbies und andere Leidenschaften?

Das Engadin, S-charl, ein Dorf in einem Seitental bei Scuol! «Da wandere ich leidenschaftlich gerne und mache Ferien. Der zweitschönste Ort, neben dem Markt. Freunde von mir haben da ein Haus. Da kann man nichts anderes tun, nur sich erholen, nur Sein und eben wandern.
Ich stöbere natürlich immer gerne durch Brockenhäuser, durch andere Flohmärke und Märkte im Allgemeinen.
Auch lesen tue ich gerne, aber komme selten dazu, weil ich immer Action habe und sehr viel mache.
Dann sind da noch meine drei Enkel. Auch sie sind eine Leidenschaft von mir.»
Yvonne Bär ist eine unabhängige und leidenschaftliche Frau. Sie will sich nicht auf etwas oder jemanden ganz festlegen. Sie hat lieber einige Leidenschaften, viele Freunde – und ein paar Schätze. Sie ist, wie sie selbst sagt, ein wenig verrückt.

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