Anfang 2022 übernahmen Philipp Widmer und Michael Baumann in der Kommandostelle die Posten ihrer Vorgänger. Hauptmann Karl Rusterholz tritt nach 29 Jahren – davon 16 als Kommandant – und Oberleutnant Edi Tanner nach 31 Jahren – davon 16 Jahre als Zugchef vom 1. Zug – in den wohlverdienten Feuerwehrruhestand ein. Beide haben die Qualität und den Ausbildungsstandard der Feuerwehr Richterswil nachhaltig geprägt.
Text: Reni Bircher, Bilder: zvg
Ganz allgemein hat die Feuerwehr in den letzten 30 Jahren einen wichtigen Wandel durchgemacht. Damals war man sich zwar der Aufgabe bewusst, die der Organisation auferlegt wird, die Geselligkeit jedoch stand klar im Vordergrund. Heute verlangt der Kunde selbst von einer Milizorganisation hundertprozentigen Einsatz und absolute Professionalität. Ebenso trägt die Gebäudeversicherung – allein im Kanton Zürich beträgt der versicherte Gebäudewert 521,3 Milliarden Franken (Stand 2020) – massgebend dazu bei, dass die Ausbildungen professionell gestaltet werden, um so die Schadenssummen niedriger zu halten.
Die Mannschaftsbestände sind zurückgegangen, der Ausbildungsstandard jedoch steht auf sehr hohem Niveau. Die technische Ausrüstung bei den Einsätzen hat sich ebenfalls verbessert, die Ausbildungsziele entsprechend angepasst und hoch gesteckt.
Trotzdem wird und muss der gesellige Aspekt gepflegt werden, weil sie der Psychohygiene dienlich ist. Denn auch wenn bisher noch jeder Brand gelöscht worden ist, so bleiben die Bilder der Zerstörung, das Elend, welches zurückbleibt, noch lange im Gedächtnis haften.
«Natürlich kann man sich extern professionelle Hilfe für Debriefings holen», erklärt Karl Rusterholz. Eine fast aufgezwungene Aufarbeitung der Geschehnisse an externer Stelle will allerdings nicht jeder. «Die Situationen vor Ort verlangen nach absoluter Verlässlichkeit, und wenn der Zusammenhalt und das Vertrauensverhältnis untereinander gut ist, dann kann man im Nachhinein auch über einen Einsatz diskutieren und es so verarbeiten.»
Gesellschaftliche Herausforderung
Die Feuerwehr Richterswil ist seit mehreren Jahren gut aufgestellt. Die neuen Gesellschaftsmodelle sind laut Fachmann jedoch eine Herausforderung und bedürfen im Milizsystem möglicherweise in wenigen Jahren der Anpassung. Ohne diese abwerten zu wollen ist eine Mitgliedschaft für Paare mit Kindern, welche einem Jobsharing nachgehen, nicht möglich. Manche Frauen und Männer, die gerne mitmachen möchten, erkennen nach dem ersten Gespräch, dass es mit dem Familienleben nicht vereinbar ist.
Um die Feuerwehrleute auszubilden muss viel Zeit und Geld investiert werden. Entsprechend wird von den Mitgliedern Disziplin bei der Wahrnehmung der Übungstermine verlangt. Wer mehr als drei-, viermal im Jahr bei den Übungen fehlt, mit dem wird das Gespräch gesucht. «Wenn jemand einfach an zwei Einsätzen im Jahr teilnimmt, nützt uns das nichts; wir brauchen geschulte Leute», sagt Edi Tanner. Die Verantwortung liege schliesslich beim Kommandanten, wenn etwas passieren sollte und festgestellt wird, dass der Betrieb nicht korrekt geführt wird.
Die Ausführungen der Männer macht klar: bei der Feuerwehr Richterswil ist nur der Ein- und Austritt freiwillig, alles dazwischen ist Pflicht, um nicht nur Hab und Gut, sondern auch um Menschenleben zu retten und zu schützen. Ein Interview:
Ihr habt beide fast gleich lang in der Feuerwehr Richterswil gedient; fällt der Abschied schwer?
Karl Rusterholz: Ja. Allerdings denke ich, dass nach so langer Zeit etwas frischer Wind ganz gut tut, dass junge Leute nachkommen mit neuen Ideen. Ich selbst bleibe noch als Kantonaler Einsatzleiter und Instruktor tätig, das heisst, ich bilde die Leute aus und helfe bei grösseren Ereignissen kantonsweit mit, wenn ich angefordert werde.
Edi Tanner: Ja und nein. Ich werde meine wirklich guten Kollegen vermissen, mit denen ich arbeiten durfte. Als ich vor zwei Jahren einen schweren Unfall hatte, habe ich überlegt mit der Feuerwehr aufzuhören. Dass ich heute wieder fast am gleichen Ort bin wie zuvor, das habe ich auch der Truppe hier zu verdanken. Vom Pikettdienst habe ich definitiv genug, es fiel mir auch immer schwerer, nach einem harten Arbeitstag noch eine Pikettübung absolvieren zu müssen … Ich bin aber weiterhin als Präsident des Feuerwehrvereins aktiv.
Was trieb Euch an, über so viele Jahre Dienst zu tun?
Rusterholz: Bei mir kommt das klar von Berufes wegen. In unserem Betrieb bauen wir Feuerwehrautos. Nach der Lehre, den Weiterbildungen und dem Einstieg in den Familienbetrieb befand mein Vater, dass ich keine Feuerwehrautos bauen kann, ohne bei der Feuerwehr tätig zu sein. Dazu hatte er immer ein Beispiel: «Du kannst keine Erntemaschine bauen, wenn Du nicht weisst, wie man einen Gummel (Kartoffel) aus dem Boden holt». Das war mein Antrieb, und nebst dem spannenden Umfeld, war es die Kameradschaft, die mich hier hielt. Hier zeigt jeder sein wahres Gesicht, Du hast keine Ressourcen, um Dich zu verstellen; das schätze ich über alle Massen.
Tanner: Mein Vater war schon 30 Jahre bei der Feuerwehr, ich bin da so reingerutscht. Zudem lag es in meinem eigenen Interesse, denn ich führe einen Betrieb, habe ein Eigenheim und bin darum besorgt, dass das im Notfall auch geschützt bzw. gelöscht wird. Und es ist ein Dienst an der Gemeinde. Irgendetwas macht ja jeder dafür. Für mich warʼs die Feuerwehr oder Politik … Ausserdem hat es Spass gemacht, die Jungen auszubilden, und wenn ich mir das Resultat heute ansehe, dann kann ich mit ruhigem Gewissen meinen Posten übergeben. Wir haben ein so breites Spektrum an guten Leuten wie nie zuvor.
Gab es auch Einsätze, die Euch erschüttert haben?
Tanner: Emotional sicher mehr als einer.
Rusterholz: Allerdings. Eigentlich jeder. Manche Einsätze fordern einen geistig nicht so sehr, da ist man «einfach am chrampfen und löschen», manchmal geht das 12, 24 Stunden. Andere packen einen emotional, vor allem, wenn man die Betroffenen kennt. Hinzu kommt die eigene mentale Verfassung – man kann abends zufrieden zu Bett gehen, wenn das Telefon um 3 Uhr nachts klingelt, erwischt es Dich möglicherweise auf dem falschen Fuss (Tanner nickt zustimmend).
Wie macht man danach weiter?
Rusterholz: Man muss lernen, die Bilder nicht zu verdrängen, aber man muss sie katalogisieren und im Kopf in Schubladen ablegen. Ab und zu geht sicher wieder eine auf, aber wenn man gelernt hat, damit umzugehen, dann schaut man sie sich an und schiebt die Schublade wieder zu. So funktioniere ich zumindest.
Tanner: Bei mir sind gerade ein paar solcher Schubladen aufgegangen … Ich erinnere mich an einen 25. Dezembermorgen, als in einem Einfamilienhaus der Christbaum gebrannt hat. Da war das ganze Wohnzimmer zerstört. Für uns war der Einsatz beendet, aber für diese Familie muss es ein Albtraum gewesen sein. Solche Situationen gab es eine zeitlang leider häufig. Autounfälle … auch ganz schlimm.
Welche Ratschläge habt Ihr Euren Nachfolgern erteilt; was macht Eurer Meinung nach einen guten Kommandanten aus?
Rusterholz: Authentisch bleiben; Anliegen der Kameraden annehmen, dazu gehört auch Kritik; die Gruppe führen, denn Verantwortung kann nicht delegiert werden, und sich bewusst sein: «Ein Mann ist kein Mann»; Selbstreflexion betreiben; offen und transparent sein. Das scheint mir das A und O zu sein.
In den letzten 16 Jahren, in denen ich Kommandant war, haben Edi und ich insofern auch Verantwortung übernommen, indem wir nie gleichzeitig in Urlaub gefahren sind, waren auch selten zusammen auf ein Bier aus. Wir wussten, dass wir uns hundertprozentig auf den anderen verlassen können. Und wenn einer von uns einen Entscheid gefällt hat, dann hat der andere das nicht in Frage gestellt.
Tanner: Das kann ich voll unterstützen. In dieser Position muss man offen bleiben. Bei der Übergabe habe ich gesagt, dass man vor einer Instruktion nicht zu viel aufschreiben, sondern vor die Leute stehen und frei drauflosreden soll. Das ist die ehrlichste Form der Kommunikation. Aber das muss erst gelernt werden, das erging mir genauso. Ich möchte meinen Nachfolgern gerne nahelegen, dort Kritik zu üben, wo sie hingehört. Früher hat man die Offiziere zur Seite genommen und kritisiert, heute dürfen alle mitbekommen, dass auch ein Ranghöherer mal Mist baut.
Rusterholz: Das war wirklich so: an einer Mannschaftsbesprechung wurden alle Ränge gesondert behandelt. Damit haben wir aufgehört und jeder darf alles hören. Ich bin fest davon überzeugt, dass bei einer funktionierenden Feuerwehr sämtlichen Mitgliedern der Rang weggenommen werden könnte und die Gruppe würde trotzdem reibungslos auf dem Schadensplatz agieren. Unsere Nachfolger haben das intus, deshalb können wir auch guten Gewissens in den Ruhestand gehen.
Eine weitere Empfehlung wäre die körperliche Fitness im Auge zu behalten: es nützt nichts mit 400 PS starken Lastwagen zum Einsatzort zu donnern und dann im dritten Stock schon einem halben Kollaps zu erliegen, weil man nicht fit ist.
Was wird Euch am meisten fehlen?
Rusterholz: Im Laufe meines Lebens habe ich gemerkt, dass es eine gewisse Flexibilität braucht. Ein durchgetakteter Tagesablauf ist bei der Feuerwehr nicht möglich, denn der Alarm kann jederzeit ausgelöst werden. Das spiegelt sich auch im Privatleben wider: das Elend, das man bei solchen Einsätzen mitbekommt, das veranlasst schon dazu, dass man anfängt zu relativieren, was wirklich wichtig ist im Leben … Ich glaube, dieses «parat sein» jederzeit wird mir fehlen.
Tanner: Irgendwie ist das noch zu frisch, als dass ich das jetzt beantworten könnte. Einen Ersatz habe ich nicht, weiss auch nicht,
ob ich einen brauche. Wir waren eben schon recht viel weg von Zuhause, allein übungsbedingt … frag mich in zwei Monaten nochmals (grinst).
Nun zu den Nachfolgern: Seit wie vielen Jahren seid Ihr schon bei der Feuerwehr tätig?
Philipp Widmer: 17 Jahre
Michael Baumann: 13 Jahre
Was bewog Euch damals, der Feuerwehr beizutreten?
Baumann: Ich habe bei Karl Rusterholz die Lehre absolviert, danach habe ich einfach mal bei der Feuerwehr «reingeschaut» – und bin geblieben.
Widmer: Bei mir lief das etwas anders. Weil ich im Dorf arbeite, bin ich schon mehrfach angefragt worden, ob ich der Feuerwehr beitreten wolle. Da ich aber mitten in der Meisterprüfung war, hätte ich das zeitlich gar nicht managen können. Kaum die Prüfung abgelegt, wurde ich von Kollegen aus meiner Bikergruppe, die eben auch bei der Feuerwehr sind, erneut gefragt.
Obwohl ich damals mehr in der Politik verankert war, habe ich zugesagt, mir das mal anzusehen. Was mir dort ein gutes Gefühl gab, war die Tatsache, dass man in der Feuerwehr wirklich gebraucht wird, und es braucht vor allem Leute, die hier im Dorf arbeiten und verankert sind, allein schon, um die Einsatzzeiten bewältigen zu können. Ich schätze die Kameradschaft, die enorm wichtig ist, und sicher höher bewertet wird als in der Politik (lacht). Also bin ich der Feuerwehr beigetreten.
Wie viele Trainings absolviert ihr im Monat?
Widmer: Als Offizier hat man eines pro Woche, manchmal auch zwei. Als «normaler» Feuerwehrangehöriger sind es zwölf bis fünfzehn Übungen pro Jahr.
War es jemals Ziel, den Posten des Kommandanten bzw. Stellvertretenden Kommandanten zu übernehmen?
Baumann: Wir mussten nicht unbedingt Ja sagen – es war einfach so (lacht, die anderen fallen mit ein).
(Fortsetzung Seite 4)
Tanner: Wir haben sie natürlich entsprechend dort raufgestellt und vorbereitet!
Widmer: Hätte mir jemand vor 17 Jahre gesagt, dass ich mal den Kommandanten mache, hätte ich ihn ausgelacht (schmunzelt).
Ich habe das zuerst abgelehnt, denn mir war es nebst dem Geschäft in jenem Moment schlicht zu viel. Die Feuerwehr war für mich immer Ausgleich und Freude. Als Kommandant ist es nicht mehr einfach «nur» Ausgleich, sondern zusätzliche Arbeit mit entsprechendem Zeitaufwand. Ich bin nach mehreren Gesprächen doch noch eingeknickt, und so wie wir momentan intern aufgestellt sind und in dieser Konstellation, stimmt das für mich. Es ist eine Herausforderung, aber nun gehe ich diesen neuen Weg mit Freude an.
Baumann: Ein Ziel von mir war es sicher nicht, aber man entwickelt sich schrittweise und merkt irgendwann, in welche Richtung es gehen wird. Dass ich diese Position mit Philipp zusammen ausfüllen kann, um weiterzuführen, was Karl und Edi aufgebaut und hinterlassen haben, das gefällt mir.
Wir wurden auch gut vorbereitet, und unsere Vorgänger gaben uns genug Raum und Möglichkeiten, die anfallenden Aufgaben auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln mit dem entsprechenden Backup – das würde ich vielleicht auch später gerne in Anspruch nehmen.
Mit jedem Weggang geht etwas Wissen verloren. Wir haben jetzt beispielsweise kaum mehr Landwirte bei uns, und wenn etwas mit Tieren sein sollte, dann wären wir froh um einen Experten.
Dann nimmt der berufliche Hintergrund der Kameraden Einfluss?
Baumann: Ja, das ist sehr wichtig!
Widmer: Wenn ich einen Zimmermann oder Gärtner im Einsatz dabeihabe, dann gebe ich die Kettensäge nicht dem Büroangestellten. Dann zählt die Erfahrung mit dem entsprechenden Gerät.
Die fünf Leute, die jetzt die Feuerwehr verliessen, haben mehr Dienstjahre auf dem Buckel als wir alle vom 1. Zug zusammen …
Worin dienten Euch Eure Vorgänger als Vorbild?
Tanner: Ui, Karl, wollen wir raus? (Gelächter)
Baumann: Also Edi hat das super gemacht, er war immer direkt und klar zu jedem Einzelnen, und er hat sehr viel Wert auf den Zusammenhalt des Teams gelegt. Ich bin überzeugt, dass das der springende Punkt ist, damit alle am gleichen Strick ziehen, damit alles funktioniert und jeder weiss, woran er ist.
Widmer: Ich kenne die beiden jetzt seit 17 Jahren und da entsteht eine Verbundenheit. Was ich dabei besonders geschätzt habe, war die Ehrlichkeit und Offenheit, die wir einander entgegenbringen konnten. Das war nie böse oder persönlich gemeint und für die Arbeit und Entwicklung des ganzen Teams wichtig.
Anfang 2022 übernahmen Philipp Widmer und Michael Baumann in der Kommandostelle die Posten ihrer Vorgänger. Hauptmann Karl Rusterholz tritt nach 29 Jahren – davon 16 als Kommandant – und Oberleutnant Edi Tanner nach 31 Jahren – davon 16 Jahre als Zugchef vom 1. Zug – in den wohlverdienten Feuerwehrruhestand ein. Beide haben die Qualität und den Ausbildungsstandard der Feuerwehr Richterswil nachhaltig geprägt.
Text: Reni Bircher, Bilder: zvg
Ganz allgemein hat die Feuerwehr in den letzten 30 Jahren einen wichtigen Wandel durchgemacht. Damals war man sich zwar der Aufgabe bewusst, die der Organisation auferlegt wird, die Geselligkeit jedoch stand klar im Vordergrund. Heute verlangt der Kunde selbst von einer Milizorganisation hundertprozentigen Einsatz und absolute Professionalität. Ebenso trägt die Gebäudeversicherung – allein im Kanton Zürich beträgt der versicherte Gebäudewert 521,3 Milliarden Franken (Stand 2020) – massgebend dazu bei, dass die Ausbildungen professionell gestaltet werden, um so die Schadenssummen niedriger zu halten.
Die Mannschaftsbestände sind zurückgegangen, der Ausbildungsstandard jedoch steht auf sehr hohem Niveau. Die technische Ausrüstung bei den Einsätzen hat sich ebenfalls verbessert, die Ausbildungsziele entsprechend angepasst und hoch gesteckt.
Trotzdem wird und muss der gesellige Aspekt gepflegt werden, weil sie der Psychohygiene dienlich ist. Denn auch wenn bisher noch jeder Brand gelöscht worden ist, so bleiben die Bilder der Zerstörung, das Elend, welches zurückbleibt, noch lange im Gedächtnis haften.
«Natürlich kann man sich extern professionelle Hilfe für Debriefings holen», erklärt Karl Rusterholz. Eine fast aufgezwungene Aufarbeitung der Geschehnisse an externer Stelle will allerdings nicht jeder. «Die Situationen vor Ort verlangen nach absoluter Verlässlichkeit, und wenn der Zusammenhalt und das Vertrauensverhältnis untereinander gut ist, dann kann man im Nachhinein auch über einen Einsatz diskutieren und es so verarbeiten.»
Gesellschaftliche Herausforderung
Die Feuerwehr Richterswil ist seit mehreren Jahren gut aufgestellt. Die neuen Gesellschaftsmodelle sind laut Fachmann jedoch eine Herausforderung und bedürfen im Milizsystem möglicherweise in wenigen Jahren der Anpassung. Ohne diese abwerten zu wollen ist eine Mitgliedschaft für Paare mit Kindern, welche einem Jobsharing nachgehen, nicht möglich. Manche Frauen und Männer, die gerne mitmachen möchten, erkennen nach dem ersten Gespräch, dass es mit dem Familienleben nicht vereinbar ist.
Um die Feuerwehrleute auszubilden muss viel Zeit und Geld investiert werden. Entsprechend wird von den Mitgliedern Disziplin bei der Wahrnehmung der Übungstermine verlangt. Wer mehr als drei-, viermal im Jahr bei den Übungen fehlt, mit dem wird das Gespräch gesucht. «Wenn jemand einfach an zwei Einsätzen im Jahr teilnimmt, nützt uns das nichts; wir brauchen geschulte Leute», sagt Edi Tanner. Die Verantwortung liege schliesslich beim Kommandanten, wenn etwas passieren sollte und festgestellt wird, dass der Betrieb nicht korrekt geführt wird.
Die Ausführungen der Männer macht klar: bei der Feuerwehr Richterswil ist nur der Ein- und Austritt freiwillig, alles dazwischen ist Pflicht, um nicht nur Hab und Gut, sondern auch um Menschenleben zu retten und zu schützen. Ein Interview:
Ihr habt beide fast gleich lang in der Feuerwehr Richterswil gedient; fällt der Abschied schwer?
Karl Rusterholz: Ja. Allerdings denke ich, dass nach so langer Zeit etwas frischer Wind ganz gut tut, dass junge Leute nachkommen mit neuen Ideen. Ich selbst bleibe noch als Kantonaler Einsatzleiter und Instruktor tätig, das heisst, ich bilde die Leute aus und helfe bei grösseren Ereignissen kantonsweit mit, wenn ich angefordert werde.
Edi Tanner: Ja und nein. Ich werde meine wirklich guten Kollegen vermissen, mit denen ich arbeiten durfte. Als ich vor zwei Jahren einen schweren Unfall hatte, habe ich überlegt mit der Feuerwehr aufzuhören. Dass ich heute wieder fast am gleichen Ort bin wie zuvor, das habe ich auch der Truppe hier zu verdanken. Vom Pikettdienst habe ich definitiv genug, es fiel mir auch immer schwerer, nach einem harten Arbeitstag noch eine Pikettübung absolvieren zu müssen … Ich bin aber weiterhin als Präsident des Feuerwehrvereins aktiv.
Was trieb Euch an, über so viele Jahre Dienst zu tun?
Rusterholz: Bei mir kommt das klar von Berufes wegen. In unserem Betrieb bauen wir Feuerwehrautos. Nach der Lehre, den Weiterbildungen und dem Einstieg in den Familienbetrieb befand mein Vater, dass ich keine Feuerwehrautos bauen kann, ohne bei der Feuerwehr tätig zu sein. Dazu hatte er immer ein Beispiel: «Du kannst keine Erntemaschine bauen, wenn Du nicht weisst, wie man einen Gummel (Kartoffel) aus dem Boden holt». Das war mein Antrieb, und nebst dem spannenden Umfeld, war es die Kameradschaft, die mich hier hielt. Hier zeigt jeder sein wahres Gesicht, Du hast keine Ressourcen, um Dich zu verstellen; das schätze ich über alle Massen.
Tanner: Mein Vater war schon 30 Jahre bei der Feuerwehr, ich bin da so reingerutscht. Zudem lag es in meinem eigenen Interesse, denn ich führe einen Betrieb, habe ein Eigenheim und bin darum besorgt, dass das im Notfall auch geschützt bzw. gelöscht wird. Und es ist ein Dienst an der Gemeinde. Irgendetwas macht ja jeder dafür. Für mich warʼs die Feuerwehr oder Politik … Ausserdem hat es Spass gemacht, die Jungen auszubilden, und wenn ich mir das Resultat heute ansehe, dann kann ich mit ruhigem Gewissen meinen Posten übergeben. Wir haben ein so breites Spektrum an guten Leuten wie nie zuvor.
Gab es auch Einsätze, die Euch erschüttert haben?
Tanner: Emotional sicher mehr als einer.
Rusterholz: Allerdings. Eigentlich jeder. Manche Einsätze fordern einen geistig nicht so sehr, da ist man «einfach am chrampfen und löschen», manchmal geht das 12, 24 Stunden. Andere packen einen emotional, vor allem, wenn man die Betroffenen kennt. Hinzu kommt die eigene mentale Verfassung – man kann abends zufrieden zu Bett gehen, wenn das Telefon um 3 Uhr nachts klingelt, erwischt es Dich möglicherweise auf dem falschen Fuss (Tanner nickt zustimmend).
Wie macht man danach weiter?
Rusterholz: Man muss lernen, die Bilder nicht zu verdrängen, aber man muss sie katalogisieren und im Kopf in Schubladen ablegen. Ab und zu geht sicher wieder eine auf, aber wenn man gelernt hat, damit umzugehen, dann schaut man sie sich an und schiebt die Schublade wieder zu. So funktioniere ich zumindest.
Tanner: Bei mir sind gerade ein paar solcher Schubladen aufgegangen … Ich erinnere mich an einen 25. Dezembermorgen, als in einem Einfamilienhaus der Christbaum gebrannt hat. Da war das ganze Wohnzimmer zerstört. Für uns war der Einsatz beendet, aber für diese Familie muss es ein Albtraum gewesen sein. Solche Situationen gab es eine zeitlang leider häufig. Autounfälle … auch ganz schlimm.
Welche Ratschläge habt Ihr Euren Nachfolgern erteilt; was macht Eurer Meinung nach einen guten Kommandanten aus?
Rusterholz: Authentisch bleiben; Anliegen der Kameraden annehmen, dazu gehört auch Kritik; die Gruppe führen, denn Verantwortung kann nicht delegiert werden, und sich bewusst sein: «Ein Mann ist kein Mann»; Selbstreflexion betreiben; offen und transparent sein. Das scheint mir das A und O zu sein.
In den letzten 16 Jahren, in denen ich Kommandant war, haben Edi und ich insofern auch Verantwortung übernommen, indem wir nie gleichzeitig in Urlaub gefahren sind, waren auch selten zusammen auf ein Bier aus. Wir wussten, dass wir uns hundertprozentig auf den anderen verlassen können. Und wenn einer von uns einen Entscheid gefällt hat, dann hat der andere das nicht in Frage gestellt.
Tanner: Das kann ich voll unterstützen. In dieser Position muss man offen bleiben. Bei der Übergabe habe ich gesagt, dass man vor einer Instruktion nicht zu viel aufschreiben, sondern vor die Leute stehen und frei drauflosreden soll. Das ist die ehrlichste Form der Kommunikation. Aber das muss erst gelernt werden, das erging mir genauso. Ich möchte meinen Nachfolgern gerne nahelegen, dort Kritik zu üben, wo sie hingehört. Früher hat man die Offiziere zur Seite genommen und kritisiert, heute dürfen alle mitbekommen, dass auch ein Ranghöherer mal Mist baut.
Rusterholz: Das war wirklich so: an einer Mannschaftsbesprechung wurden alle Ränge gesondert behandelt. Damit haben wir aufgehört und jeder darf alles hören. Ich bin fest davon überzeugt, dass bei einer funktionierenden Feuerwehr sämtlichen Mitgliedern der Rang weggenommen werden könnte und die Gruppe würde trotzdem reibungslos auf dem Schadensplatz agieren. Unsere Nachfolger haben das intus, deshalb können wir auch guten Gewissens in den Ruhestand gehen.
Eine weitere Empfehlung wäre die körperliche Fitness im Auge zu behalten: es nützt nichts mit 400 PS starken Lastwagen zum Einsatzort zu donnern und dann im dritten Stock schon einem halben Kollaps zu erliegen, weil man nicht fit ist.
Was wird Euch am meisten fehlen?
Rusterholz: Im Laufe meines Lebens habe ich gemerkt, dass es eine gewisse Flexibilität braucht. Ein durchgetakteter Tagesablauf ist bei der Feuerwehr nicht möglich, denn der Alarm kann jederzeit ausgelöst werden. Das spiegelt sich auch im Privatleben wider: das Elend, das man bei solchen Einsätzen mitbekommt, das veranlasst schon dazu, dass man anfängt zu relativieren, was wirklich wichtig ist im Leben … Ich glaube, dieses «parat sein» jederzeit wird mir fehlen.
Tanner: Irgendwie ist das noch zu frisch, als dass ich das jetzt beantworten könnte. Einen Ersatz habe ich nicht, weiss auch nicht,
ob ich einen brauche. Wir waren eben schon recht viel weg von Zuhause, allein übungsbedingt … frag mich in zwei Monaten nochmals (grinst).
Nun zu den Nachfolgern: Seit wie vielen Jahren seid Ihr schon bei der Feuerwehr tätig?
Philipp Widmer: 17 Jahre
Michael Baumann: 13 Jahre
Was bewog Euch damals, der Feuerwehr beizutreten?
Baumann: Ich habe bei Karl Rusterholz die Lehre absolviert, danach habe ich einfach mal bei der Feuerwehr «reingeschaut» – und bin geblieben.
Widmer: Bei mir lief das etwas anders. Weil ich im Dorf arbeite, bin ich schon mehrfach angefragt worden, ob ich der Feuerwehr beitreten wolle. Da ich aber mitten in der Meisterprüfung war, hätte ich das zeitlich gar nicht managen können. Kaum die Prüfung abgelegt, wurde ich von Kollegen aus meiner Bikergruppe, die eben auch bei der Feuerwehr sind, erneut gefragt.
Obwohl ich damals mehr in der Politik verankert war, habe ich zugesagt, mir das mal anzusehen. Was mir dort ein gutes Gefühl gab, war die Tatsache, dass man in der Feuerwehr wirklich gebraucht wird, und es braucht vor allem Leute, die hier im Dorf arbeiten und verankert sind, allein schon, um die Einsatzzeiten bewältigen zu können. Ich schätze die Kameradschaft, die enorm wichtig ist, und sicher höher bewertet wird als in der Politik (lacht). Also bin ich der Feuerwehr beigetreten.
Wie viele Trainings absolviert ihr im Monat?
Widmer: Als Offizier hat man eines pro Woche, manchmal auch zwei. Als «normaler» Feuerwehrangehöriger sind es zwölf bis fünfzehn Übungen pro Jahr.
War es jemals Ziel, den Posten des Kommandanten bzw. Stellvertretenden Kommandanten zu übernehmen?
Baumann: Wir mussten nicht unbedingt Ja sagen – es war einfach so (lacht, die anderen fallen mit ein).
(Fortsetzung Seite 4)
Tanner: Wir haben sie natürlich entsprechend dort raufgestellt und vorbereitet!
Widmer: Hätte mir jemand vor 17 Jahre gesagt, dass ich mal den Kommandanten mache, hätte ich ihn ausgelacht (schmunzelt).
Ich habe das zuerst abgelehnt, denn mir war es nebst dem Geschäft in jenem Moment schlicht zu viel. Die Feuerwehr war für mich immer Ausgleich und Freude. Als Kommandant ist es nicht mehr einfach «nur» Ausgleich, sondern zusätzliche Arbeit mit entsprechendem Zeitaufwand. Ich bin nach mehreren Gesprächen doch noch eingeknickt, und so wie wir momentan intern aufgestellt sind und in dieser Konstellation, stimmt das für mich. Es ist eine Herausforderung, aber nun gehe ich diesen neuen Weg mit Freude an.
Baumann: Ein Ziel von mir war es sicher nicht, aber man entwickelt sich schrittweise und merkt irgendwann, in welche Richtung es gehen wird. Dass ich diese Position mit Philipp zusammen ausfüllen kann, um weiterzuführen, was Karl und Edi aufgebaut und hinterlassen haben, das gefällt mir.
Wir wurden auch gut vorbereitet, und unsere Vorgänger gaben uns genug Raum und Möglichkeiten, die anfallenden Aufgaben auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln mit dem entsprechenden Backup – das würde ich vielleicht auch später gerne in Anspruch nehmen.
Mit jedem Weggang geht etwas Wissen verloren. Wir haben jetzt beispielsweise kaum mehr Landwirte bei uns, und wenn etwas mit Tieren sein sollte, dann wären wir froh um einen Experten.
Dann nimmt der berufliche Hintergrund der Kameraden Einfluss?
Baumann: Ja, das ist sehr wichtig!
Widmer: Wenn ich einen Zimmermann oder Gärtner im Einsatz dabeihabe, dann gebe ich die Kettensäge nicht dem Büroangestellten. Dann zählt die Erfahrung mit dem entsprechenden Gerät.
Die fünf Leute, die jetzt die Feuerwehr verliessen, haben mehr Dienstjahre auf dem Buckel als wir alle vom 1. Zug zusammen …
Worin dienten Euch Eure Vorgänger als Vorbild?
Tanner: Ui, Karl, wollen wir raus? (Gelächter)
Baumann: Also Edi hat das super gemacht, er war immer direkt und klar zu jedem Einzelnen, und er hat sehr viel Wert auf den Zusammenhalt des Teams gelegt. Ich bin überzeugt, dass das der springende Punkt ist, damit alle am gleichen Strick ziehen, damit alles funktioniert und jeder weiss, woran er ist.
Widmer: Ich kenne die beiden jetzt seit 17 Jahren und da entsteht eine Verbundenheit. Was ich dabei besonders geschätzt habe, war die Ehrlichkeit und Offenheit, die wir einander entgegenbringen konnten. Das war nie böse oder persönlich gemeint und für die Arbeit und Entwicklung des ganzen Teams wichtig.