Kolumne

Neujahrswünsche

Möglicherweise ist die Bedeutung von Neujahrswünschen oder gar Vorsätzen mit zunehmendem Alter ebenso schwindend, wie das Interesse an der Rechtschreibung bei Menschen jüngeren Alters. Die Jungen sind sicher eher für Lebensvorsätze, für Pläne und gar Ziele zu begeistern, da sie eben noch viel Leben vor sich haben und meistens auch das Gefühl damit einhergeht alles sei noch möglich und beeinflussbar. Ich erinnere mich gut. Erst etwa mit fünfzig Jahren kam die Ahnung über mich, dass für gewisse Vorhaben dieses Leben wohl nicht mehr reichen dürfte und dass womöglich nicht alles möglich ist.
Das muss nicht unbedingt schlimm sein, wenn man mit den Jahren gelernt hat, sich mit gewissen Unausweichlichkeiten – und dazu gehört die Vergänglichkeit und der Verlust an Zeit, Jugend und auch vitaler Energie – anzufreunden, sie zumindest akzeptierend und mit einem schiefen Lächeln, als Erscheinungen des Lebens, hin- und mitzunehmen auf dem weiteren Weg.
Das Gefühl der Allmacht schwindet immer mehr und macht im günstigen Falle der Demut Platz. Es scheint mir oft, dass gar nicht so viel geplant werden kann, wie wir uns gerne vormachen und dass wir uns in einem Fluss befinden, wobei es sicher gut ist, wenn man schwimmen kann und noch besser, wenn man mehrere Schwimmstile und vielleicht dazu sogar ein paar ausgefeilte Techniken beherrscht. Ich will das Bild des Lebensflusses nicht überfrachten. Darum ganz einfach ausgedrückt: Gut ist, wenn man fit ist und Freude am Leben hat, wie auch immer es kommt.
Das ist leicht gesagt und oft schwer getan, doch es ist auch eine Frage der Haltung. Zu diesem Thema könnte man seitenweise philosophieren, ja, ein ganzes Buch schreiben.
Es ist aber auch schwierig dabei nicht Menschen mit weniger Glück oder gar mit Depressionen auszugrenzen. Es ist eher ein philosophischer Gedanke, dass ein Menschenleben sich aus so vielen verschiedenen Aspekten zusammenfügt, worauf wir Menschen gar nicht so oft einen Einfluss besitzen.
Darum – und damit komme ich auf meine anfängliche Frage der Neujahrswünsche und -vorsätze zurück – ist es möglicherweise sinnvoll, zu versuchen, seinem Leben eine Richtung zu geben, aber sich gleichermassen auch gewissen Umständen akzeptierend zu fügen und vieles anzunehmen, als Chance, um zu lernen und zu wachsen. Wenn es mit Freude und Lust geschehen kann, umso besser. Zu viele Vorsätze verderben nur alles und haben eine Halbwertszeit von ein paar Wochen.

Darum wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, einfach ein weiteres schönes Jahr in Ihrem Leben! Mögen Sie es liebevoll und freudig annehmen und es leben, wie es ist und wie es kommt!

Herzlich, Ihre Ingrid Eva Liedtke

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