Aktuell Feuilleton Wädenswil

Eine Preisauszeichnung und drei Autoren

Die Fachstelle Kultur des Kantons Zürich vergibt einmal jährlich Anerkennungsbeiträge für alle Formen belletristischer Literatur. Es werden Druckkostenbeiträge, Projektbeiträge sowie Anerkennungs- und Werkbeiträge an Autorinnen und Autoren wie auch an Übersetzerinnen und Übersetzer vergeben.

Text: Ingrid Eva Liedtke, Bilder: Bernhard Fuchs

Wie es die Moderatorin dieser Preisauszeichnung, die dieses Jahr im Theater Ticino stattfand, interpretiert, wolle der Kanton zeigen, wie sehr er gute Texte schätze. Dies einerseits mit Beiträgen und andererseits mit Veranstaltungen, respektive einer Lesereise an Kulturorte abseits der Zürcher City, auch um den Leuten ausserhalb zu zeigen, was für tolle Kulturschaffende der Kanton habe.
Die Moderatorin Fatima Moumouni ist eine Zürcher Spokenword-Poetin, die zusammen mit der singenden Kontrabassistin Anna Trauffer die Zuschauer durch den Abend begleitet. Sie tut dies auf eine sehr saloppe Art, indem sie das Publikum anfeuert zu applaudieren, was in einem so intimen Theater wie dem Ticino eigentlich nicht nötig wäre. Dieses Unterfangen wird durch die poetischen Darbietungen der Anna Trauffer auf zarte und charmante Art abgemildert. Sie führt mit ihren Glöckchen durch den Applaus, rundet die einzelnen Lesungen ab, ja schmückt sie gar aus mit ihrem Gesang, untermalt durch den Kontrabass oder durch Gläser, die sie auch zum Singen bringen kann.

Kommentar zu den Beiträgen

Christoph Steier, Literaturwissenschaftler an der Universität Zürich und Vertreter der kantonalen Fachstelle für Kultur, repräsentiert die Jury und kommentiert die einzelnen Beiträge der ausgezeichneten Autoren.
Zuerst veranlasst ihn Fatima Moumouni zu einer Ausführung darüber, was ein gutes Buch, respektive gute Literatur ausmache.
Literarische Texte, so Steier, sollten sich in eine bestimmte Tradition einschreiben, hätten ein bestimmtes Bewusstsein dafür, dass sie ein Text seien und dass etwas passiere, wenn man mit Sprache auf die Welt zugehe, dass es auch eine bestimmte Mehrdeutigkeit gebe. Texte würden nicht auf dem Reissbrett komponiert. «Doch am Ende des Tages muss etwas resonieren. Zwischen mir, dem Lesenden, und dem Text muss etwas passieren, es muss eine schwingende Bewegung entstehen», so Steier. Doch er müsse verantworten können, was er anderen empfehle. Dabei gehe man auch mal ein bisschen über sich hinaus, müsse sich aber auch nicht verbiegen.

Die Fachgruppe Literatur hat zwischen Frühling 2020 und Frühling 2021 76 erschienene literarische Texte von Autorinnen und Autoren sowie Übersetzerinnen und Übersetzern mit Wohnsitz im Kanton Zürich beurteilt.

Anerkennungsbeiträge

Auf ihre Empfehlung erhalten sieben Autorinnen und Autoren sowie eine Übersetzerin je einen Anerkennungsbeitrag. Darunter sind Dana Grigorcea und Andreas Grosz, die an diesem Abend aus ihren Werken lasen.

Dana Grigorcea

Dana Grigorcea studierte von 1998 bis 2002 an der Universität Bukarest Germanistik und Nederlandistik, studierte später Theater- und Filmregie an der Erasmus-Hochschule Brüssel. Ausserdem absolvierte sie 2004 an der Donau-Universität Krems den Masterstudiengang in Qualitätsjournalismus.
Im März 2021 veröffentlichte Dana Grigorcea den Roman «Die nicht sterben», der von der Kritik begeistert aufgenommen wurde. Der Roman schaffte es im Mai 2021 auf Platz 4 der SWR-Bestenliste und wurde auch für den Deutschen Buchpreis nominiert (Longlist).
«Ich atmete mit offenem Mund, mit einem Seufzer so heiser, dass es nach dem Rieseln fernen Gerölls klang. Und dann fiel ich mit den Steinen und Erdklumpen hinab auf dieses erdige Dunkel, das noch warm war und nachgab, auf eine Weise, dass es mich juckte und kitzelte, und ich wälzte mich in den aufsteigenden Dämpfen und gab grunzende, weinende und muhende Laute von mir, drückte die Stirn auf die Erde und leckte, die kleinen Steine nahm sie in den Mund und gurgelte damit, prustete sie wieder heraus. Und dann vernahm ich ihren säuerlichen Geruch und sah sie vor mir stehen, die beiden Sicherheitsleute, ganz in weisser Tracht. Wieso in Tracht? Doch sie rannten davon, noch bevor ich etwas fragte.»
«Wer solche Sätze schreibt, lässt den Leser atemlos staunen. Dafür muss er oder sie ganz einfach ausgezeichnet werden», sagt Christoph Steier. Dana Grigorcea erhält einen kantonalen Anerkennungsbeitrag für ihren neuen Roman.

Andreas Grosz

Andreas Grosz

Andreas Grosz, 1958, ist ein Wädenswiler Verleger und Übersetzer. Von 1986–1995 schrieb er Reportagen und Geschichten in der «Neuen Zürcher Zeitung». Der Autor lebt in Wädenswil. Zusammen mit Beatrice Maritz betreibt er den Verlag pudelundpinscher.
Er gibt im Theater Ticino ein Heimspiel mit seiner gelungen Textsammlung «Zwei gottlos schöne Füchslein». Die Texte, die der literarischen Gattung der Miszelle (ein Kurztext beliebigen Inhalts) zugeschrieben werden kann, entstanden in Grosz` Zeit in Unterschächen, wo er von 2000 bis 2010 mit seiner Partnerin in dem abgelegenen Urner Tal lebte.
Auf die Frage, ob er sich da manchmal fremd gefühlt habe, antwortete er und will es in Klammern wissen, dass er sich eigentlich überall und immer fremd fühle.
Geschrieben habe er nicht erst seit dann, sondern eigentlich schon immer. Und doch bleibt ihm der Zweifel erhalten. Der Preis ist für ihn eine Bestätigung, eine Anerkennung, und er hofft, dass er auch den Zweifel ein wenig besänftigen kann.
56 Autorinnen und Autoren haben sich in diesem Jahr um einen Werkbeitrag beworben. Dafür mussten die Gesuchstellenden eine Textprobe von 20 bis 30 Seiten eines sich in Arbeit befindenden Literaturprojektes einreichen. Davon erhielten fünf Autoren, darunter Linus Reichlin, einen Beitrag.

Linus Reichlin

Linus Reichlin, geboren 1957, lebt als freier Schriftsteller in Berlin und Zürich. Sein in mehrere Sprachen übersetzter Debütroman «Die Sehnsucht der Atome» stand monatelang auf der Krimi-Welt-Bestenliste und erhielt 2009 den Deutschen Krimipreis.

Unter dem Pseudonym H.D. Walden hat er «Ein Stadtmensch im Wald» geschrieben, ein Buch über einen Naturbanausen, der sich wegen der Epidemie in eine Hütte im Wald zurückzieht. Sein letztes Werk ist «Senor Herreras blühende Intuition», ein Roman über Wahrheit und Phantasie, Schein und Sein, Yoga und Dichtung. Die Kommission überzeugte er mit seinem neuen Romanmanuskript «Das Basszimmer».
Diese Auszeichnung entlockt ihm ein kleines schadenfreudiges Grinsen, hatte doch seine langjährige Lektorin, mit der er sich sonst sehr gut verstehe, das Manuskript abgelehnt. Für ihn ist dieses «Also doch!» eine Anerkennung und eine Bestätigung weiterzumachen.

Als symbolische Preistrophäe erhielten alle drei Literaten einen Züri-Leu aus Schokolade … und natürlich viel Applaus! 

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