Über 240 Besucherinnen und Besucher durften am 3. Oktober an der Eröffnung der Mosterei am Chilerain empfangen werden – ein Ansturm, mit dem die Verantwortlichen nicht gerechnet haben. Eine kleine Erfolgsgeschichte.
Text: Reni Bircher, Bilder: Guido Bircher
Bereits wenige Minuten nach der offiziellen Eröffnung der Mosterei wurde die erste Besuchergruppe durch das Museum geschleust. Ab da ging es beinahe im Viertelstundentakt weiter, bis die erschöpften, aber mehr als zufriedenen Museumsmitglieder nach sechs Stunden die Tore geschlossen haben. «Die grösste Belohnung für uns waren die strahlenden Gesichter nach den Vorführungen», erzählt Ortsmuseumspräsident Ruedi Weber voller Freude. Die Arbeitsstunden, welche von Vorstandsmitgliedern, Freiwilligen, Fachkräften und natürlich den Hofbesitzern, Elisabeth und Gustav Bachmann, geleistet wurden in den vergangenen zwei Jahren, sind kaum zu beziffern. Einzelne Phasen der Restaurierung wurden fotografisch festgehalten und wurden an den Vorführungen gezeigt.
In Etappen erkunden
Bereits am Eingang angeschlagen sind alte Pläne des Hydrantensystems, welches der Industrielle Rudolf Zinggeler (1819–1897) für Richterswil gebaut hat. Seiner Weitsicht ist es auch zu verdanken, dass die Gemeinde wenig später eine ausgezeichnete Trinkwasserversorgung hatte.
Wie Rico Wengle vom Ortsmuseum am Eröffnungstag erklärte, wurde damals nicht nur die Turbine der Mosterei mit dem neu geschaffenen Wassersystem angetrieben, sondern auch zahlreiche andere kleinere Handwerksbetriebe; die Maschinen der Teigwarenfabrik genauso wie die Orgel der Kirche nutzten die Wasserkraft.
Betritt man die ehemalige Tenne, trifft man auf eine schöne Sammlung alter, wenn nicht sogar historischer Werkzeuge und Gerätschaften, wie die der Heuerei, Holz- oder Kornverarbeitung, Pferdekummet oder Ochsengespanne, ein Dengelstock usw., die themenbezogen ausgestellt und beschriftet sind. Illustriert werden die Ausstellungsstücke von Fotografien aus dem Bestand der Familie Bachmann, welche die Handhabung solcher Geräte verdeutlicht. Es ist sogar noch ein Hühnerversandkäfig mit originaler Versandbeschriftung vorhanden.
Wie die Besucher hier von Trudi Faes (Ortsmuseum) erfuhren, war im frühen Mittelalter der Apfel das einzige Obst, das kultiviert und verarbeitet wurde. Süsser und saurer Most wurden zu diversen Gelegenheiten konsumiert, denn Wein war für die ärmere Landbevölkerung zu teuer. In einer Powerpointpräsentation, mit zauberhaften Zeichnungen Elisabeth Bachmanns untermalen, wurde der ganze Ablauf von der Frucht zum fertigen Most aufgezeigt.
Wissen und Leidenschaft
Weiter zur nächsten Station führte Heinz Jucker (Ortsmuseum) die Turbine vor, die zu Vorführungszwecken mit Wasser aus dem nahe gelegenen Hydranten gespiesen wurde. Durch die ausgeklügelte Transmission konnten so die Gerätschaften unter anderem zur Mostpressung angetrieben werden.
Ein Grossteil der Lederriemen mussten ersetzt werden, deshalb wurde der Präsident des Sagi-Museums, Thomas von Atzigen, um Hilfe gebeten, weil in dem alten Sägewerk ebenfalls mit Transmissionen gearbeitet wird und er sich mit deren Handhabung bestens auskennt. Dazu Ruedi Weber: «Er weiss, wie man die Schlösser einbaut, wo die Lederriemen zusammenkommen und wie sie richtig gespannt werden. Thomas ist ein Praktiker und stand uns mit seinem Wissen gerne zur Seite.»
Die grosse Mostpresse wurde übrigens 1890 im Bären Richterswil von den Gebr. Sennhauser hergestellt. Diese könnte tatsächlich in Betrieb genommen werden, zumal sie nicht nur restauriert und geputzt wurde, sondern auch mit einer Blechwanne hygienisch ausgestattet worden ist. Um sie zu füllen, wären jedoch Unmengen an Äpfeln nötig, und ob sich ein solcher Pressvorgang jemals realisieren lässt, steht in den Sternen. Hinzu käme, dass die grosse Menge Most in sinnvoller Zeit vertrieben werden müsste.
Im selben Raum erläutert Gustav Bachmann die ausgeklügelte Verarbeitung vom Apfel bis zu köstlichem Most. Er weiss um die speziellen Mischungen und Voraussetzungen für die Herstellung des Saftes, ebenso wie die Tricks für die Lagerung desselben. Früher wurden die ausgepressten Äpfel zum Schluss noch durch die Dreschmühle gelassen und in den beiden Silos am Chilerain gelagert, um daraus im Winter hochprozentigen Schnapps zu brennen.
Der alles ins Rollen brachte
Im Lagergewölbe erklärt Hans Streiff, worauf es bei der Handhabung und Pflege der gewaltigen Eichenfässer ankommt, erzählt von Füllmethoden ebenso wie von der Gefahr der Gase, die beim Gärungsprozess von saurem Most entstehen. Diese hätten auch Menschenopfer gefordert, wenn sich die Leute zu ihrem Schutz nicht mit einer brennenden Kerze ausgestattet in den Lagerraum begeben haben (bei zu hoher CO2-Konzentration wäre die Kerze ausgegangen). Im Lagerraum erkennt man auch die Silos, in denen die ausgepresste Apfelmasse darauf wartete weiterverarbeitet zu werden. Und auch diese nach der Destillation zurückgebliebene Apfelmasse wurde nochmals verarbeitet: es wurden «Zigerli» hergestellt, getrocknete Brocken zum Einheizen der (Kachel-)Öfen.
Streiffs «Gwunder» ist es zu verdanken, dass die Mosterei «entdeckt» wurde. Dass die Besitzer, Elisabeth und Gustav Bachmann, für die Restauration und Öffnung der Mosterei für Besucher gewonnen werden konnten, ist ein Glücksfall. So wurde in wunderbarer Zusammenarbeit aus- und umgebaut, renoviert und in Stand gesetzt, was das Zeug hielt. Zwar sei das Museum noch nicht ganz fertig, wie Ortsmuseum-Präsident Weber sagt, die Beteiligten wären sich jedoch einig gewesen, dass eine Eröffnung stattfinden kann. Der Ansturm an jenem Sonntag hat dann gleichermassen überrascht wie erfreut.
Gaumenschmaus
Auf dem Platz zwischen Schuppen und Stall wurden die vielen Gäste an den Festtischen mit diversen Leckereien verwöhnt, die Anita Pfister (Ortsmuseum) und Elisabeth Bachmann unentwegt vorbereiteten und servierten. Süffig bot sich der dunkle, milde und hier am Chilerain frisch gepresste Süssmost an und wurde von Gross und Klein genossen.
Was künftig in der Mosterei noch getan werden soll und wie sie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ist noch Diskussionsstoff im Ortsmuseum-Vorstand. Es wird beabsichtigt Führungen anzubieten, auch für Schulklassen.
Äpfel sammeln dürfen Kinder ja bereits, wenn sie von Gustav Bachmann auf eine Führung durch die Mosti mitgenommen werden: «Er macht das wirklich super, ist sehr geduldig mit den Schülerinnen und Schülern», weiss Weber. Und Kinder mögen es, altes Handwerk zu entdecken.
Schön, wenn das neue Museum auch künftig zum Besuchermagnet würde.n
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Über 240 Besucherinnen und Besucher durften am
3. Oktober an der Eröffnung der Mosterei am Chilerain empfangen werden – ein Ansturm, mit dem die Verantwortlichen nicht gerechnet haben. Eine kleine Erfolgsgeschichte.
Text: Reni Bircher, Bilder: Guido Bircher
Bereits wenige Minuten nach der offiziellen Eröffnung der Mosterei wurde die erste Besuchergruppe durch das Museum geschleust. Ab da ging es beinahe im Viertelstundentakt weiter, bis die erschöpften, aber mehr als zufriedenen Museumsmitglieder nach sechs Stunden die Tore geschlossen haben. «Die grösste Belohnung für uns waren die strahlenden Gesichter nach den Vorführungen», erzählt Ortsmuseumspräsident Ruedi Weber voller Freude. Die Arbeitsstunden, welche von Vorstandsmitgliedern, Freiwilligen, Fachkräften und natürlich den Hofbesitzern, Elisabeth und Gustav Bachmann, geleistet wurden in den vergangenen zwei Jahren, sind kaum zu beziffern. Einzelne Phasen der Restaurierung wurden fotografisch festgehalten und wurden an den Vorführungen gezeigt.
In Etappen erkunden
Bereits am Eingang angeschlagen sind alte Pläne des Hydrantensystems, welches der Industrielle Rudolf Zinggeler (1819–1897) für Richterswil gebaut hat. Seiner Weitsicht ist es auch zu verdanken, dass die Gemeinde wenig später eine ausgezeichnete Trinkwasserversorgung hatte.
Wie Rico Wengle vom Ortsmuseum am Eröffnungstag erklärte, wurde damals nicht nur die Turbine der Mosterei mit dem neu geschaffenen Wassersystem angetrieben, sondern auch zahlreiche andere kleinere Handwerksbetriebe; die Maschinen der Teigwarenfabrik genauso wie die Orgel der Kirche nutzten die Wasserkraft.
Betritt man die ehemalige Tenne, trifft man auf eine schöne Sammlung alter, wenn nicht sogar historischer Werkzeuge und Gerätschaften, wie die der Heuerei, Holz- oder Kornverarbeitung, Pferdekummet oder Ochsengespanne, ein Dengelstock usw., die themenbezogen ausgestellt und beschriftet sind. Illustriert werden die Ausstellungsstücke von Fotografien aus dem Bestand der Familie Bachmann, welche die Handhabung solcher Geräte verdeutlicht. Es ist sogar noch ein Hühnerversandkäfig mit originaler Versandbeschriftung vorhanden.
Wie die Besucher hier von Trudi Faes (Ortsmuseum) erfuhren, war im frühen Mittelalter der Apfel das einzige Obst, das kultiviert und verarbeitet wurde. Süsser und saurer Most wurden zu diversen Gelegenheiten konsumiert, denn Wein war für die ärmere Landbevölkerung zu teuer. In einer Powerpointpräsentation, mit zauberhaften Zeichnungen Elisabeth Bachmanns untermalen, wurde der ganze Ablauf von der Frucht zum fertigen Most aufgezeigt.
Wissen und Leidenschaft
Weiter zur nächsten Station führte Heinz Jucker (Ortsmuseum) die Turbine vor, die zu Vorführungszwecken mit Wasser aus dem nahe gelegenen Hydranten gespiesen wurde. Durch die ausgeklügelte Transmission konnten so die Gerätschaften unter anderem zur Mostpressung angetrieben werden.
Ein Grossteil der Lederriemen mussten ersetzt werden, deshalb wurde der Präsident des Sagi-Museums, Thomas von Atzigen, um Hilfe gebeten, weil in dem alten Sägewerk ebenfalls mit Transmissionen gearbeitet wird und er sich mit deren Handhabung bestens auskennt. Dazu Ruedi Weber: «Er weiss, wie man die Schlösser einbaut, wo die Lederriemen zusammenkommen und wie sie richtig gespannt werden. Thomas ist ein Praktiker und stand uns mit seinem Wissen gerne zur Seite.»
Die grosse Mostpresse wurde übrigens 1890 im Bären Richterswil von den Gebr. Sennhauser hergestellt. Diese könnte tatsächlich in Betrieb genommen werden, zumal sie nicht nur restauriert und geputzt wurde, sondern auch mit einer Blechwanne hygienisch ausgestattet worden ist. Um sie zu füllen, wären jedoch Unmengen an Äpfeln nötig, und ob sich ein solcher Pressvorgang jemals realisieren lässt, steht in den Sternen. Hinzu käme, dass die grosse Menge Most in sinnvoller Zeit vertrieben werden müsste.
Im selben Raum erläutert Gustav Bachmann die ausgeklügelte Verarbeitung vom Apfel bis zu köstlichem Most. Er weiss um die speziellen Mischungen und Voraussetzungen für die Herstellung des Saftes, ebenso wie die Tricks für die Lagerung desselben. Früher wurden die ausgepressten Äpfel zum Schluss noch durch die Dreschmühle gelassen und in den beiden Silos am Chilerain gelagert, um daraus im Winter hochprozentigen Schnapps zu brennen.
Der alles ins Rollen brachte
Im Lagergewölbe erklärt Hans Streiff, worauf es bei der Handhabung und Pflege der gewaltigen Eichenfässer ankommt, erzählt von Füllmethoden ebenso wie von der Gefahr der Gase, die beim Gärungsprozess von saurem Most entstehen. Diese hätten auch Menschenopfer gefordert, wenn sich die Leute zu ihrem Schutz nicht mit einer brennenden Kerze ausgestattet in den Lagerraum begeben haben (bei zu hoher CO2-Konzentration wäre die Kerze ausgegangen). Im Lagerraum erkennt man auch die Silos, in denen die ausgepresste Apfelmasse darauf wartete weiterverarbeitet zu werden. Und auch diese nach der Destillation zurückgebliebene Apfelmasse wurde nochmals verarbeitet: es wurden «Zigerli» hergestellt, getrocknete Brocken zum Einheizen der (Kachel-)Öfen.
Streiffs «Gwunder» ist es zu verdanken, dass die Mosterei «entdeckt» wurde. Dass die Besitzer, Elisabeth und Gustav Bachmann, für die Restauration und Öffnung der Mosterei für Besucher gewonnen werden konnten, ist ein Glücksfall. So wurde in wunderbarer Zusammenarbeit aus- und umgebaut, renoviert und in Stand gesetzt, was das Zeug hielt. Zwar sei das Museum noch nicht ganz fertig, wie Ortsmuseum-Präsident Weber sagt, die Beteiligten wären sich jedoch einig gewesen, dass eine Eröffnung stattfinden kann. Der Ansturm an jenem Sonntag hat dann gleichermassen überrascht wie erfreut.
Gaumenschmaus
Auf dem Platz zwischen Schuppen und Stall wurden die vielen Gäste an den Festtischen mit diversen Leckereien verwöhnt, die Anita Pfister (Ortsmuseum) und Elisabeth Bachmann unentwegt vorbereiteten und servierten. Süffig bot sich der dunkle, milde und hier am Chilerain frisch gepresste Süssmost an und wurde von Gross und Klein genossen.
Was künftig in der Mosterei noch getan werden soll und wie sie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ist noch Diskussionsstoff im Ortsmuseum-Vorstand. Es wird beabsichtigt Führungen anzubieten, auch für Schulklassen.
Äpfel sammeln dürfen Kinder ja bereits, wenn sie von Gustav Bachmann auf eine Führung durch die Mosti mitgenommen werden: «Er macht das wirklich super, ist sehr geduldig mit den Schülerinnen und Schülern», weiss Weber. Und Kinder mögen es, altes Handwerk zu entdecken.
Schön, wenn das neue Museum auch künftig zum Besuchermagnet würde.n