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Wie viel Freizeitanlage braucht Wädenswil?

Die Freizeitanlage in der Schulanlage Untermosen kommt mehrfach unter Druck: Einerseits müssen die Schulbauten selbst, in denen die Freizeitanlage untergebracht ist, in den nächsten Jahren zwingend saniert oder sogar neu gebaut werden, andrerseits hinterfragt das Stadtparlament immer wieder mal die Kosten dieser Institution. Während die Rechner im Gemeindeparlament von einem über die Jahre erwirtschafteten Defizit von mehreren Millionen Franken sprechen, heben Befürworter den sozialen und ideellen Wert der Freizeitanlage hervor.
Im Herbst 1975 wurde die Freizeitanlage Untermosen eröffnet und vom Verein GeFU (Gemeinschafts- und Freizeitanlage Untermosen) geführt. Die Freizeitanlage bietet der Bevölkerung Möglichkeiten zur Freizeitbeschäftigung, stellt Werkstätten zur Verfügung und bietet ein professionelles Kursangebot an – ein in dieser Form einmaliges Angebot am linken Zürichsee-ufer. Per 1. Januar 2012 wurde die Freizeitanlage eine Dienststelle der Stadt, und aus dem ursprünglichen Trägerverein wurde der Förderverein FZA. Bei der Übergabe vom Trägerverein an die Stadt meinte der damalige Stadtrat Johannes Zollinger noch optimistisch: «Das Spital haben Sie uns genommen – die Freizeitanlage behalten wir!» Neun Jahre später steht diese Aussage auf dem Prüfstand.

Denn in der Folge wurde aus der Dienststelle Freizeitanlage und der Dienststelle Jugend neu die Dienststelle Soziokultur. Der Stadtrat hat damals entschieden, die zwei Dienststellen als Pilotprojekt zusammenzuführen. «Durch die Zusammenlegung können Synergien genutzt und das Angebot neu ausgerichtet werden», kommunizierte die Stadt im Jahr 2018. Das Pilotprojekt startete am 1. Januar 2019, dauerte bis Mitte 2021 und wurde nun fest etabliert.

Innerhalb dieser neuen Strukturen aber kommt die Freizeitanlage Untermosen in der bisherigen Form unter Druck. Dieser Druck kommt einerseits aus dem Stadtrat, der sich mehr Dezentralisierung wünscht, andrerseits aus dem rechten Flügel des Parlaments.

Mitte Juli hat die FDP-/GLP-Fraktion ein Postulat eingereicht, in dem der Stadtrat zur Prüfung eingeladen wird, «wie und ob der Betrieb der Freizeitanlage (FZA) mit konzeptionellen Anpassungen kostenoptimiert werden kann». Dies mit der Begründung, dass seit der Übernahme durch die Stadt im Jahr 2012 «die Freizeitanlage ein Defizit von mehreren Millionen Franken erwirtschaftet hätte».

Das Postulat lässt kein gutes Haar an der Institution: «Spätestens seit der Rechnungsabnahme 2019 weiss die Behörde genau, dass die Kursräumlichkeiten der FZA wenig ausgelastet und deren Mitarbeiter unterbeschäftigt sind. (…) Weder das Kurswesen noch die Cafeteria in den FZA-Räumlichkeiten waren jemals in der Lage, kostendeckend zu arbeiten», liest man in der Begründung weiter. Zudem seien Kursangebot nicht auf die aktuellen Bedürfnisse ausgerichtet und nicht mehr zeitgemäss, die Anzahl der Kursteilnehmer unbefriedigend.

Unabhängig von diesem Postulat hat sich der Stadtrat bereits Gedanken gemacht über die Zukunft der Freizeitanlage.

Er plant eine Dezentralisierung der Angebote. Diese sollen sich also nicht mehr auf den einen Standort im Untermosen konzentrieren, sondern sollen in die verschiedenen Ortsteile und die Quartiere: «Auf diesem Weg wollen wir mehr Menschen erreichen und mehr Begegnungen in der Bevölkerung ermöglichen. Mit Treffpunkten in den Quartieren kann man dort direkt zu mehr Lebensqualität beitragen. Wir wollen das Leben in den Quartieren stärken», sagt Stadtpräsident Philipp Kutter. Und er bekräftigt auch: «Die heutige Freizeitanlage ist ein Ort der Begegnung, sie bietet Räume für private und öffentliche Anlässe wie das Mai-Mai-Fest. Und sie ist ein Ort der Kreativität. All diese Funktionen wollen wir erhalten – aber nicht in einem einzigen Zentrum.»
Die gut ausgerüsteten Werkstätten, in denen Metall, Glas, oder Holz bearbeiten werden kann, sollen dabei an einem Standort erhalten bleiben, jedoch nicht mehr von der Stadt betrieben werden. Einige Jahre könnten die Werkstätten noch in den heutigen Räumen bleiben. Kutter macht allerdings klar, dass die Freizeitanlage in der heutigen Grösse kaum in einem Neubau im Untermosen Platz finden würde: «Dieser Raumbedarf kann dort voraussichtlich nicht mitberücksichtigt werden.» Wenn die Werkstätten nicht mehr von der Stadt betrieben würden, wer soll einspringen? «Wir würden diese gerne einem Betreiber übergeben. Vielleicht entsteht ein neuer Verein – etwa aus dem Förderverein –, oder eine bestehende Institution übernimmt die Werkstätten», erläutert Kutter die stadträtlichen Pläne. Darum soll diese Übergabe möglichst bald stattfinden, «damit sich eine Trägerschaft genügend Gedanken machen kann, bis die Räume im ‹Umo› nicht mehr zur Verfügung stehen».

Mit diesen Überlegungen soll die Institution Freizeitanlage auch aus dem politischen Kreuzfeuer genommen werden: «Wir versuchen mit der Weiterentwicklung der Freizeitanlage zu mehreren Quartierzentren, diese so auf ein starkes Fundament zu stellen.»

Als Gegenpol zum politischen Druck aus Parlament und Stadtrat hat der Förderverein eine Arbeitsgruppe eingesetzt – bestehend aus den ehemaligen Gemeinderäten Simon Kägi und Peter Dolder sowie Marco Menzi. Dolder ist auch Co-Präsident des Fördervereins, der die Freizeitanlage ideell und teils auch finanziell unterstützt. Er ist gemäss Statuten bestrebt, den Bekanntheitsgrad der FZA bei der Bevölkerung zu erhöhen und dient als Sprachrohr der Mitglieder gegenüber Betriebsleitung und Stadt.

«Unsere Arbeitsgruppe setzt sich für den Erhalt und eine Zukunft der FZA ein. Wir stellen uns gegen die Abbaupläne der Dienststelle Soziokultur und des Stadtrates. Die Freizeitanlage sehen wir als ein einmaliges soziokulturelles, gestalterisches und künstlerisches Juwel am Zürichsee», legen die drei vom Förderverein delegierten Ansprechspersonen dar.

Sie monieren in erster Linie, dass die Bevölkerung den schleichenden, aber stetigen Abbau gar nicht mitbekommen habe. Und auch an die Adresse der Politiker finden sie klare Worte: «Es ist gar nicht so, dass die Angestellten der Freizeitanlage herumstehen würden und nicht wüssten, was tun. Die Gemeindeparlamentarier kommen ein-, maximal zweimal im Jahr vorbei, nämlich wenn es um Rechnung oder Budget geht, und können sich so gar kein Bild machen, was in der Freizeitanlage alles läuft. So werden schliesslich Zahlen herumgeboten, die schlicht nicht stimmen oder veraltet sind», ereifert sich Peter Dolder. Zum Kurswesen führt Simon Kägi aus, dass viele der Kurse sicherheitsrelevant seien. «Die müssen angeboten werden, damit die Benutzer die Maschinen in den Werkstätten auch benutzen dürfen – oder, damit sie auch mit den entsprechenden Materialen wie Ton umgehen können.»

Sie fordern daher «einen Marschhalt und keine weitere Zerstückelung.» Besonders auch der Auslagerung der Werkstätten stehen sie kritisch gegenüber. So fragt sich Peter Dolder, ob eine bestehende Institution – wie zum Beispiel das «Soziale Netz Horgen» oder die Stiftung Bühl – den Betrieb im Sinne der jetzigen Nutzer der Freizeitanlage aufrechterhalten könnte. «Die Idee ist gut, aber nicht fertig gedacht», meint er dazu.

«Wir sind uns bewusst, dass die Stadt sparen muss, aber die getätigten Sparmassnahmen im Bereich der Freizeitanlage haben ohne Mitwirkung oder Wissen der Bevölkerung stattgefunden», sagt Simon Kägi. Sie wollen daher nicht nur die breite Bevölkerung informieren, sie wollen sie mit einer Infoveranstaltung mit Workshop auch zum aktiven Handeln bewegen. Ihre Ziele und der Auftrag aus dem Förderverein sind klar: «Der Förderverein wünscht eine Weiterführung im Sinne der Mitglieder und Nutzer in der bisherigen Form, am bisherigen Standort. Wir fordern, dass die Räumlichkeiten der Freizeitanlage in das Raumprogramm des künftigen Neubaus aufgenommen werden!»

Nach der Infoveranstaltung werden die weiteren Schritte geprüft. «Wir möchten erst den Puls der Bevölkerung spüren». Danach wären verschiedene Wege gangbar, etwa eine Petition oder eine Initiative.

Eine Initiative zum Erhalt plant derzeit auch die Grüne Partei Wädenswil; der Förderverein der Freizeitanlage wurde darüber bereits informiert.
Während Simon Kägi der Initiative eher kritisch gegenüber steht – «die Freizeitanlage soll kein politischer Spielball werden», findet Peter Dolder, dass eine Initiative der Sache nicht schade.

Wäre ein Mitbeteiligung der weiteren Bezirksgemeinden an diesem Juwel denkbar? Dolder verweist an den Stadtrat: «Das müsste politisch aufgegleist werden.» Stadtpräsident Kutter winkt jedoch ab: «Die Idee hört sich gut an, dürfte aber kaum auf offene Arme in den anderen Gemeinden stossen.»

Wie sich die Diskussion und die Auswirkungen auf die Freizeitanlage auch auswirken mögen: Die Grundidee der Begegnung und des interkulturellen Austauschs müssen erhalten bleiben – da sind sich Förderverein wie der Stadtrat einig. Ob nun die Freizeitanlage im Ganzen wie bisher – und mit den entsprechenden Konsequenzen –, oder als dezentrale Einheit erhalten bleibt, werden die weiteren Diskussionen zeigen.

Am 15. September, um 19 Uhr in der Freizeitanlage, lädt der Förderverein zu einem Infoabend und Workshop zur Zukunft der Freizeitanlage ein.

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