Vor nicht ganz vier Jahren trafen wir den Hüttner Jan Dutler auf dem Wädenswiler Seeplatz, unmittelbar vor der Zürcher Premiere des Programms «OVO» des renommierten «Cirque du Soleil». Dutler spielte dort die Fliege «Foreigner», eine der Hauptcharakteren. Dann kam Corona und die ganze «Cirque du Soleil»-Organisation ging in die Insolvenz. Jetzt trafen wir Dutler wieder – in einer Holzwerkstatt in Horgen-Arn und im «Übergwändli» …
Interview & Bild: Stefan Baumgartner
Kurzer Rückblick: Jan Dutler ist in Hütten aufgewachsen, lernte in Wädenswil bei der Zogg AG Zimmermann und ging danach von 2005 bis 2008 auf die traditionelle Wanderschaft, die Walz. Wie es die Tradition will, kletterte Dutler über die Ortstafel von Hütten und ist von dannen gezogen, nur mit einem Fünfliber im Sack und dem Charlottenburger, seinem Bündel, über der Schulter. Von 2014 bis 2016 besuchte er die «École de Clown et Comédie Francine Côté» in Montreal und wurde dort für den «Cirque du Soleil» entdeckt und war mit diesem bis letztes Jahr für das Programm «Ovo» auf Tournee.
Wie es Jan Dutler in den vergangenen vier Jahren erging – besonders auch im turbulenten letzten Jahr –, erzählt er uns in einem spannenden Gespräch.
Als wir uns das letzte Mal trafen, tratest Du noch gleichentags als Fliege «Foreigner» auf. Wie lange warst Du im Programm «Ovo» auf Tournee?
«Ovo» lief weiter bis zum Ausbruch der Pandemie im Frühling 2020, wir waren bis dahin unterwegs. Wir waren auf Tournee in den USA, dann kam der Abbruch.
Du standest also von einem Tag auf den anderen auf der Strasse?
Genau, denn mit dem Abbruch der Tourneen ging schliesslich das ganze «Cirque du Soleil»-Unternehmen in die Insolvenz und musste praktisch das ganze Personal entlassen. Immerhin gab es vom Management noch zwei Entschädigungszahlungen. Da ich damals aber noch nicht die kanadische Daueraufenthaltsgenehmigung hatte, bekam ich vom kanadischen Staat keine Unterstützung.
Unser letztes Gespräch endete mit dem Ausblick, in Kanada sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen. Immerhin da scheint beides geklappt zu haben?
Ja, genau. Meine Partnerin und ich haben im August 2018 geheiratet, im Dezember 2019 kam unser Junge auf die Welt. Nach dem Tourneeabbruch gingen meine Frau und ich zurück nach Kanada. Dort war totaler Lockdown. Wir wohnen bei Montreal, ziehen nächstens in ein eher kleines Dorf. Noch haben wir kein eigenes Haus, das war geplant, aber da auch meine Partnerin beim CDS als Kostüm- und Bühnenbildnerin arbeitete und ebenso wie ich von einem Tag auf den anderen arbeitslos wurde, muss der Hausbau noch etwas warten. Wir waren also beide joblos, meine Frau junge Mutter. Ich habe dann mit meinem Schwager – also dem Bruder meiner kanadischen Frau – zusammen begonnen, auf meinem gelernten Beruf als Zimmermann zu arbeiten. So begannen wir mit Holzbauten, bauten Terrassen, machten Innenausbau – alles, was mit Holz zu tun hatte. Wir passten gut zusammen und so gründeten wir zusammen die Firma Schwager Constructions.
So renkt sich alles langsam wieder ein. Und wie kamst Du jetzt in die Schweiz?
Meine Frau und ich bekamen die Möglichkeit, ein Haus in Samstagern zu mieten. Wir waren 2020 zwischen den beiden Corona-Wellen schon mal kurz in der Schweiz, trafen eine «Chindsgi»-Kollegin aus Hütten, die damals plante, auf Reisen zu gehen. Das musste sie jedoch um ein Jahr verschieben, und so planten wir unseren Aufenthalt entsprechend ihrer Reise. Nun waren wir zwei Monate in deren Haus. Meine Frau befindet sich zur Zeit in einer Umschulung, die aber online passiert, so passte auch das sehr gut. Und um den Aufenthalt in der Schweiz zu finanzieren, gehe ich hier wieder meiner gelernten Arbeit nach. Aber das ist das schöne hier: man kennt sich noch. So habe ich erfahren, dass sich mein damaliger Oberstift selbstständig gemacht hat. Es brauchte ein Telefonanruf, und wir waren uns sofort einig.
Es waren eigentlich für mich und meine Frau keine Ferien, aber unser Sohn kam so bei seinen Grosseltern zum Intensiv-Schweizerdeutsch-Kurs.
Mittlerweile hat sich die Coronasituation vielerorts beruhigt. Wie geht es mit Dir und wie geht es mit dem «Cirque du Soleil» weiter?
Mittlerweile ergab sich für den «Cirque du Soleil» eine Lösung, und die künstlerische Leiterin hat mit mir Kontakt für eine Fortsetzung des Engagements aufgenommen. Unterschrieben ist aber noch nichts, ausserdem habe ich eine weitere Anfrage von einem Unternehmen in Quebec bekommen. Dort hätte ich die spannende Möglichkeit, in Varieté-Theatern in Europa zu spielen. Das Angebot kam vom «Machine du Cirque», einer Artistentruppe aus Quebec.
Zirkus scheint in Kanada – anders etwa im Vergleich zur Schweiz, wo die kleinen Zirkusse Mühe haben – immer noch ein Business zu sein?
Ja, für Zirkus ist Québec ein gutes Pflaster, es gibt viele Produktionen, die von dort aus nach Europa oder in die Staaten gehen für Auftritte. Es gibt sicher ein gutes Dutzend, die in Europa und in den USA touren. Montreal und Québec – diese beiden Städte sind wie Laboratorien für die Zirkuswelt. In beiden Orten gibt es Schulen, die Produktio-nen werden gefördert, es gibt Festivals. In Montreal steht auch eine runde Halle, wie ein Zirkuszelt – einzigartig in Nordamerika. Und die Halle steht neben dem «Cirque du Soleil»-Hauptquartier und einer Zirkusschule.
Ein Projekt ist ja auch Dein eigenes Soloprogramm …
… Genau. Ich habe ja als Solo-Strassenkünstler begonnen, und ich kann mir auch gut vorstellen, wieder als Kleinkünstler unterwegs zu sein. Bis anhin hatte ich zu wenig Zeit, ein eigenes Programm zu entwickeln. Aber in den letzten paar Monaten konnte ich meine eigene «Baushow» etwas verfeinern. Zudem war ich auch immer im elektronischen Austausch mit Künstlern in Kanada und habe da wertvolles Feedback erhalten – so etwas wie eine Clown-Selbsthilfegruppe.
Vor vier Jahren haben wir auch über Dein soziales Engagement gesprochen, Du hast ja ausserdem ein Praktikum als Sozialpädagoge gemacht … Gibt es auch bald ein soziales Clownprojekt von Jan Dutler?
Ein eigenes Projekt ist noch ganz in der Schwebe. Aber auf der Tournee mit dem «Cirque du Soleil» gaben wir immer wieder Workshops, etwa für Jugendliche in Russland oder in Zirkusschulen für Waisenkinder. Wir suchen immer den Kontakt zu speziellen Zirkusschulen für Benachteiligte.
Aber man sieht Dich bald wieder auf der Bühne oder in der Manege?
Ab 2022 bestimmt wieder auf einer Tournee, wo, ist wie erwähnt noch in der Schwebe. Zudem möchte ich meine Soloshow finalisieren und vielleicht mal einen «Rohling» entwicklen und präsentieren – und diesen dann gerne auch in der Schweiz aufführen. Auf das bin ich fast mehr «scharf», als wieder im «Cirque du Soleil» aufzutreten, denn die Rolle dort ist schon sehr vorgegeben und lässt wenig Spielraum.
Am 27. Juni flog Jan Dutler mit seiner Familie zurück nach Montreal. Vorerst wird er dort wieder «ga schwagere», also zusammen mit seinem Schwager als Holzbauer arbeiten. Die Umschulung seiner Frau ist Ende Jahr zu Ende, und Dutler hofft, Anfang 2022 wieder künstlerisch auf Tournee zu gehen. Mit wem entscheidet sich in den nächsten Wochen.
Vor nicht ganz vier Jahren trafen wir den Hüttner Jan Dutler auf dem Wädenswiler Seeplatz, unmittelbar vor der Zürcher Premiere des Programms «OVO» des renommierten «Cirque du Soleil». Dutler spielte dort die Fliege «Foreigner», eine der Hauptcharakteren. Dann kam Corona und die ganze «Cirque du Soleil»-Organisation ging in die Insolvenz. Jetzt trafen wir Dutler wieder – in einer Holzwerkstatt in Horgen-Arn und im «Übergwändli» …
Interview & Bild: Stefan Baumgartner
Kurzer Rückblick: Jan Dutler ist in Hütten aufgewachsen, lernte in Wädenswil bei der Zogg AG Zimmermann und ging danach von 2005 bis 2008 auf die traditionelle Wanderschaft, die Walz. Wie es die Tradition will, kletterte Dutler über die Ortstafel von Hütten und ist von dannen gezogen, nur mit einem Fünfliber im Sack und dem Charlottenburger, seinem Bündel, über der Schulter. Von 2014 bis 2016 besuchte er die «École de Clown et Comédie Francine Côté» in Montreal und wurde dort für den «Cirque du Soleil» entdeckt und war mit diesem bis letztes Jahr für das Programm «Ovo» auf Tournee.
Wie es Jan Dutler in den vergangenen vier Jahren erging – besonders auch im turbulenten letzten Jahr –, erzählt er uns in einem spannenden Gespräch.
Als wir uns das letzte Mal trafen, tratest Du noch gleichentags als Fliege «Foreigner» auf. Wie lange warst Du im Programm «Ovo» auf Tournee?
«Ovo» lief weiter bis zum Ausbruch der Pandemie im Frühling 2020, wir waren bis dahin unterwegs. Wir waren auf Tournee in den USA, dann kam der Abbruch.
Du standest also von einem Tag auf den anderen auf der Strasse?
Genau, denn mit dem Abbruch der Tourneen ging schliesslich das ganze «Cirque du Soleil»-Unternehmen in die Insolvenz und musste praktisch das ganze Personal entlassen. Immerhin gab es vom Management noch zwei Entschädigungszahlungen. Da ich damals aber noch nicht die kanadische Daueraufenthaltsgenehmigung hatte, bekam ich vom kanadischen Staat keine Unterstützung.
Unser letztes Gespräch endete mit dem Ausblick, in Kanada sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen. Immerhin da scheint beides geklappt zu haben?
Ja, genau. Meine Partnerin und ich haben im August 2018 geheiratet, im Dezember 2019 kam unser Junge auf die Welt. Nach dem Tourneeabbruch gingen meine Frau und ich zurück nach Kanada. Dort war totaler Lockdown. Wir wohnen bei Montreal, ziehen nächstens in ein eher kleines Dorf. Noch haben wir kein eigenes Haus, das war geplant, aber da auch meine Partnerin beim CDS als Kostüm- und Bühnenbildnerin arbeitete und ebenso wie ich von einem Tag auf den anderen arbeitslos wurde, muss der Hausbau noch etwas warten. Wir waren also beide joblos, meine Frau junge Mutter. Ich habe dann mit meinem Schwager – also dem Bruder meiner kanadischen Frau – zusammen begonnen, auf meinem gelernten Beruf als Zimmermann zu arbeiten. So begannen wir mit Holzbauten, bauten Terrassen, machten Innenausbau – alles, was mit Holz zu tun hatte. Wir passten gut zusammen und so gründeten wir zusammen die Firma Schwager Constructions.
So renkt sich alles langsam wieder ein. Und wie kamst Du jetzt in die Schweiz?
Meine Frau und ich bekamen die Möglichkeit, ein Haus in Samstagern zu mieten. Wir waren 2020 zwischen den beiden Corona-Wellen schon mal kurz in der Schweiz, trafen eine «Chindsgi»-Kollegin aus Hütten, die damals plante, auf Reisen zu gehen. Das musste sie jedoch um ein Jahr verschieben, und so planten wir unseren Aufenthalt entsprechend ihrer Reise. Nun waren wir zwei Monate in deren Haus. Meine Frau befindet sich zur Zeit in einer Umschulung, die aber online passiert, so passte auch das sehr gut. Und um den Aufenthalt in der Schweiz zu finanzieren, gehe ich hier wieder meiner gelernten Arbeit nach. Aber das ist das schöne hier: man kennt sich noch. So habe ich erfahren, dass sich mein damaliger Oberstift selbstständig gemacht hat. Es brauchte ein Telefonanruf, und wir waren uns sofort einig.
Es waren eigentlich für mich und meine Frau keine Ferien, aber unser Sohn kam so bei seinen Grosseltern zum Intensiv-Schweizerdeutsch-Kurs.
Mittlerweile hat sich die Coronasituation vielerorts beruhigt. Wie geht es mit Dir und wie geht es mit dem «Cirque du Soleil» weiter?
Mittlerweile ergab sich für den «Cirque du Soleil» eine Lösung, und die künstlerische Leiterin hat mit mir Kontakt für eine Fortsetzung des Engagements aufgenommen. Unterschrieben ist aber noch nichts, ausserdem habe ich eine weitere Anfrage von einem Unternehmen in Quebec bekommen. Dort hätte ich die spannende Möglichkeit, in Varieté-Theatern in Europa zu spielen. Das Angebot kam vom «Machine du Cirque», einer Artistentruppe aus Quebec.
Zirkus scheint in Kanada – anders etwa im Vergleich zur Schweiz, wo die kleinen Zirkusse Mühe haben – immer noch ein Business zu sein?
Ja, für Zirkus ist Québec ein gutes Pflaster, es gibt viele Produktionen, die von dort aus nach Europa oder in die Staaten gehen für Auftritte. Es gibt sicher ein gutes Dutzend, die in Europa und in den USA touren. Montreal und Québec – diese beiden Städte sind wie Laboratorien für die Zirkuswelt. In beiden Orten gibt es Schulen, die Produktio-nen werden gefördert, es gibt Festivals. In Montreal steht auch eine runde Halle, wie ein Zirkuszelt – einzigartig in Nordamerika. Und die Halle steht neben dem «Cirque du Soleil»-Hauptquartier und einer Zirkusschule.
Ein Projekt ist ja auch Dein eigenes Soloprogramm …
… Genau. Ich habe ja als Solo-Strassenkünstler begonnen, und ich kann mir auch gut vorstellen, wieder als Kleinkünstler unterwegs zu sein. Bis anhin hatte ich zu wenig Zeit, ein eigenes Programm zu entwickeln. Aber in den letzten paar Monaten konnte ich meine eigene «Baushow» etwas verfeinern. Zudem war ich auch immer im elektronischen Austausch mit Künstlern in Kanada und habe da wertvolles Feedback erhalten – so etwas wie eine Clown-Selbsthilfegruppe.
Vor vier Jahren haben wir auch über Dein soziales Engagement gesprochen, Du hast ja ausserdem ein Praktikum als Sozialpädagoge gemacht … Gibt es auch bald ein soziales Clownprojekt von Jan Dutler?
Ein eigenes Projekt ist noch ganz in der Schwebe. Aber auf der Tournee mit dem «Cirque du Soleil» gaben wir immer wieder Workshops, etwa für Jugendliche in Russland oder in Zirkusschulen für Waisenkinder. Wir suchen immer den Kontakt zu speziellen Zirkusschulen für Benachteiligte.
Aber man sieht Dich bald wieder auf der Bühne oder in der Manege?
Ab 2022 bestimmt wieder auf einer Tournee, wo, ist wie erwähnt noch in der Schwebe. Zudem möchte ich meine Soloshow finalisieren und vielleicht mal einen «Rohling» entwicklen und präsentieren – und diesen dann gerne auch in der Schweiz aufführen. Auf das bin ich fast mehr «scharf», als wieder im «Cirque du Soleil» aufzutreten, denn die Rolle dort ist schon sehr vorgegeben und lässt wenig Spielraum.
Am 27. Juni flog Jan Dutler mit seiner Familie zurück nach Montreal. Vorerst wird er dort wieder «ga schwagere», also zusammen mit seinem Schwager als Holzbauer arbeiten. Die Umschulung seiner Frau ist Ende Jahr zu Ende, und Dutler hofft, Anfang 2022 wieder künstlerisch auf Tournee zu gehen. Mit wem entscheidet sich in den nächsten Wochen.