Jeannot Hunziker bringt zusammen mit dem VTW die «Spielverderber» zur Aufführung. Durch den erfahrenen Regisseur kommen die Laienschauspieler in den Genuss einer sehr intuitiven, kreativen Theaterarbeit.
Text & Bild: Ingrid Eva Liedtke
Als ich Jeannot Hunziker, seines Zeichens Regisseur, Schauspieler, Musiker und Pädagoge treffe, habe ich endlich die Gelegenheit die Frage zu stellen, die mir seit meiner Kindheit auf der Zunge brennt: Was braucht es, um in der Theaterbranche Fuss zu fassen?
Doch auch er kann mir kein Patentrezept geben. Es gibt wohl keine einfache und allgemein gültige Antwort. Mit den unbeantworteten Lebensfragen befasst sich ja gerade das Theater fortwährend.
Jeannot Hunzikers Karriere lässt sich nicht an den üblichen Eckpfeilern anheften, und auch Hemmungen seien ihm bestimmt nicht fremd, doch da jeder welche habe, sei das normal. Durch seine Ausbildungen und seine jahrelange Erfahrung habe er aber Tricks, um sie zu überwinden.
Doch bei jemandem, der schon von Geburt an Musik- und Theaterluft schnupperte, glaube ich eher an die Kraft der genetischen Anlagen und an diese Spiellust, die er schon als kleines Kind mit seiner Familie erleben durfte. In dieser Familie war wohl niemand, der vor dem wenig einträglichen Künstlerleben warnte. Und schon früh nimmt man so teil an allerhand kreativer Inszenierung.
Eine schöne Kindheit
Die Eltern von Jeannot Hunziker sind Musiker und lieben das Theater. Mit ihren fünf Kindern veranstalten sie oft kleine Vorführungen zu Omas Geburtstag. Jeannot, der Benjamin, gibt als Zweijähriger den Koch, dann mit fünf Jahren den Ansager und findet es toll. Er erinnert sich an ein Nummernprogramm mit Akrobatik und mit von der Mutter selbst gedichteten Ansagen.
«Ich hatte eine schöne Kindheit und auch das Glück in die Rudolf-Steiner-Schule zu gehen. Dort bekam ich meine erste Hauptrolle, in einem Stück von Caldéron, Ulyssis und Kirke.»
«Oh Zeus, du Herr der Götter, wie Du die Bucht umschäumst mit düsterem Wetter», kann er noch heute rezitieren und erinnert sich an den Stolz des Achtklässlers. «Ich dachte, jetzt kann ich alles. Aber nachher bekam ich nie mehr eine Hauptrolle und war beleidig», lacht er.
Als Jüngster, unter vier Schwestern, spielt er Geige und Bratsche. Doch als er seine grosse Schwester, die ans Konservatorium geht, beim täglich stundenlangen Üben beobachtet, weiss er, das ist doch nichts für ihn.
Leidenschaft Inszenierung
Für das Inszenieren brennt der Theatermann schon früh. Schon als Primarschüler ist er begeistert von Jules Vernes «In 80 Tagen um die Welt». Sicher ist er eine Leseratte. Doch weit gefehlt! «Ich bin ein schlechter Leser. Ich kann nicht gut lesen und lese auch nicht gerne. Ich muss wohl oder übel die Stücke lesen, die ich inszenieren will. Von ‹In 80 Tagen um die Welt› habe ich den Film gesehen, ein paar Mal! Dann wollte ich unbedingt mit meinen Schulfreunden daraus ein Theaterstück machen und aufführen. Es spielt rund um den Erdball und brauchte daher rund 67 Szenen. Jede dauerte etwa eineinhalb Minuten und jeder Umbau etwa eine Stunde. – Es ist nie zur Aufführung gekommen.»
Trotzdem zeigte sich da schon das Talent und die Leidenschaft zur Inszenierung. «Ja, das stimmt, das kann man wirklich sagen, denn ich war sehr engagiert, meine Freunde zu motivieren, und ich nagelte diese Bühnenbilder aus Dachlatten und Karton zusammen. Zudem wollte ich unbedingt einen richtigen Opernvorhang haben.»
Hemmschwelle überwinden
Innere Bilder, Visionen und eine Berührtheit für die Theaterwelt offenbaren sich. Ein innerer Motor, der jede Hemmung überwindet?
«Schon ja, aber hemmungslos bin ich nicht, sondern im Alltag eher ein gehemmter Mensch. Vielleicht dient mir das Theater gerade deswegen als Brücke, um in andere Rollen zu schlüpfen oder mit Leuten Rollen zu erarbeiten. Dabei geht man immer wieder an Hemmschwellen, die es zu überwinden gilt. Man hat ja oft das Gefühl, man gibt nicht so viel von sich Preis, dabei gibt man alles. Natürlich habe ich während meiner Ausbildung bei Jacques Lecoq in Paris sehr viele Tricks und Methoden gelernt. Dafür bin ich sehr dankbar. Das geschah in einem ganz neuen und eigenwilligen Umgang mit der ganzen Theaterwelt und dem Dramatischen schlechthin.»
Oft spielt das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein oder in die richtige Familie geboren zu werden, eine entscheidende Rolle. Hätte der zwanzigjährige Jeannot Hunziker − immer noch auf der Suche nach seiner Bestimmung – nicht diesen Wochenkurs von Samy Molcho in Zürich besucht, wäre er nicht in der Ecole Jacques Lecoq gelandet. Dieser riet ihm, nicht die Schule von Étienne Decroux zu besuchen, wie geplant, da er dort viel Zeit nur mit körperlicher Detailarbeit verbringen werde, sondern sich bei Lecoq einzuschreiben.
Diese Zeit in Paris bei Lecoq wird eine sehr wichtige Erfahrung für den jungen Theatermann und entspricht seinem eher körperlichen, pantomimischen Zugang zum Theater. Bewegung, Ausdruck, Ausstrahlung von Stimmungen spielen die zentrale Rolle. «Dies ist eigentlich immer mein Zugang beim Inszenieren. Die Intuition spielt mit.»
Mit der Kreativität der Schauspieler arbeiten
Nach seiner Ausbildung begibt sich Jeannot Hunziker auf die Suche nach dem Eigenen, animiert von der Auseinandersetzung mit dem dramatischen Moment. Auch in seiner pädagogischen Arbeit zeigt sich, dass weniger Druck auf die Schüler zu mehr Lust führt, das Innere nach aussen zu wenden. Noch mehr Hemmungen werden abgebaut.
«Manche Regisseure und auch Pädagogen wollen den Schauspielern ihre Ideen aufdrücken. Ich arbeite lieber mit den Ideen und der Kreativität der Schauspieler. Es soll zu einer Heirat der Person des Darstellers mit der Person, die er oder sie spielen soll, kommen. Der Künstler ist ein Interpret mit eigenem Seelenleben. So entstehen lebendige Dialoge und nur sie können die Zuschauer berühren.»
Jeannot Hunziker, Schauspieler, Regisseur und Theaterpädagoge, sagt von sich, dass er ein sanguinischer Spieler, eine Spielernatur sei. Ganz vieles will er ausprobieren und so hat er auch bei zahlreichen Projekten und Theatergruppen mitgemacht, hat ein eigenes Theater namens Cirka gegründet und geleitet und auch da seine Philosophie in Theater- und Bewegungskurse einfliessen lassen. «Diese Art von Arbeiten liegt mir, und es bringt mich immer wieder mit anderen Leuten zusammen. Ich lerne sehr gerne Menschen kennen. Wie schon gesagt, in der Theaterarbeit kommt man sich oft nah und lernt viel.»
Die Vergänglichkeit des Ruhmes
Für mich war das Berühmtwerden immer eng an die Schauspielerei geknüpft. Davon hält der Theatermann nicht allzu viel. Es könne sich ergeben, aber: «Will man berühmt werden, muss man alles für eine ganz spezifische Sache geben. Spezialistentum ist gefragt und gut bezahlt.» Das habe durchaus seine Tücken, denn Berufsschauspieler oder gar berühmte Theaterpersönlichkeiten hätten immer auch viel zu verlieren. Das Phänomen sei zu beobachten, dass gerade «Routiniers» oft versuchten zu zeigen, dass sie «es können» und nicht mehr in der Lage sind eine Rolle mit der eigenen Seele zu verkneten und daraus eine echte, berührende Darbietung zu geben. Laienschauspieler seien da viel entspannter.
«Im Moment des Spiels haben Laiendarsteller nichts zu verlieren. Die Schauspielerei ist ihr Hobby, sie sind Amateure und Liebhaber. Sie tun alles aus Liebe, aus Faszination an der Sache und Begeisterung.» Da fragt man sich schon, ob Laienschauspieler gar keine Angst, keine Hemmungen, kein Lampenfieber haben. «Doch, schon, aber ich arbeite mit ihnen darauf hin, dass sie sich wohl fühlen mit ihrer Rolle. Das ist die Hauptsache. Es besteht keine Abhängigkeit von einem Engagement.»
Der reale Lohn ist der Applaus des Publikums
Der Applaus und die Begeisterung des Publikums ist der reale Lohn für alle Anstrengungen, die darin resultieren sollen, dass alles sehr natürlich und unangestrengt herüberkommt und möglichst jeden im Saal berührt. Das sei Erfolg.
Die Begeisterung mit der Hunziker von seiner Arbeit spricht ist ansteckend. Die Früchte dieser Arbeit sind im September zu geniessen. Dann kommen die «Spielverderber» von Michael Ende, gespielt vom Volkstheater Wädenswil unter der Regie von Jeannot Hunziker, zur Aufführung. Das Theater feiert zudem sein 75-Jahr-Jubiläum.
«Zusammen mit dem Vorstand des Volkstheaters haben wir einige Stücke in Erwägung gezogen und uns dann für dieses entschieden. Es ist in den Sechzigern uraufgeführt worden und seither nur selten gespielt worden. Die Handlung kurz zusammengefasst geht folgendermassen: zehn Leute aus ganz verschiedenen Gesellschaftsschichten und verschiedenen Alters, kommen zusammen, weil sie alle einen Brief bekommen haben, sie seien Erben von Johannes Philadelphias Nachlass. Sie reisen aus verschiedenen Regionen, auf verschiedene Art und Weise an und treffen sich auf dem Schloss des Verstorbenen. Niemand kennt Johannes Philadelphia und untereinander kennt man sich auch nicht. Es gibt ein Testament und die Gäste bekommen eine gemeinsame Aufgabe zu lösen, um so zu erfahren, was jedem einzelnen als Erbe zusteht.» …
und so nimmt die groteske Geschichte mit all den zwischenmenschlichen Tragödien ihren Lauf. Man findet sich selber wieder in den Charakteren und erkennt Parallelen zum heutigen Zustand der Welt. Und dann darf auch mal herzhaft gelacht werden.
Neue Bühnenbilder für
das Kammertheater
Corona-bedingt wird das Stück in der Kulturgarage aufgeführt. Die Glärnischhalle war zu gross (ca. 220 Plätze) und wäre in der momentanen Situation finanziell ein zu grosses Risiko gewesen. Nun muss eine Bühne und neue Bühnenbilder gebaut werden, so dass das Stück als Kammertheater aufgeführt werden kann.
«Anfangs war das Proben eine grosse Herausforderung. Zuerst wussten wir nicht einmal, ob wir überhaupt damit anfangen können. Doch dann entschloss ich mich, dass wir das schaffen. Wir haben im Mai statt im April mit Proben begonnen und anfangs nur zu fünft, ohne Regieassistenz, ohne Souffleuse, nur ich und höchstens vier Schauspieler. So haben wir diese Coronazeit probetechnisch überbrückt.»
Für den Kulturbetrieb und sehr viele der meist freischaffenden Künstler sei diese Zeit jedoch katastrophal. Er habe einigermassen Glück gehabt, da er immer verschiedene Engagements habe und einige noch beenden konnte.
Seine Begeisterung für das Theater, seine Neugier und seine Menschenfreundlichkeit sind Jeannot Hunziker in dieser schwierigen Zeit jedenfalls nicht abhanden gekommen.
Jeannot Hunziker bringt zusammen mit dem VTW die «Spielverderber» zur Aufführung. Durch den erfahrenen Regisseur kommen die Laienschauspieler in den Genuss einer sehr intuitiven, kreativen Theaterarbeit.
Text & Bild: Ingrid Eva Liedtke
Als ich Jeannot Hunziker, seines Zeichens Regisseur, Schauspieler, Musiker und Pädagoge treffe, habe ich endlich die Gelegenheit die Frage zu stellen, die mir seit meiner Kindheit auf der Zunge brennt: Was braucht es, um in der Theaterbranche Fuss zu fassen?
Doch auch er kann mir kein Patentrezept geben. Es gibt wohl keine einfache und allgemein gültige Antwort. Mit den unbeantworteten Lebensfragen befasst sich ja gerade das Theater fortwährend.
Jeannot Hunzikers Karriere lässt sich nicht an den üblichen Eckpfeilern anheften, und auch Hemmungen seien ihm bestimmt nicht fremd, doch da jeder welche habe, sei das normal. Durch seine Ausbildungen und seine jahrelange Erfahrung habe er aber Tricks, um sie zu überwinden.
Doch bei jemandem, der schon von Geburt an Musik- und Theaterluft schnupperte, glaube ich eher an die Kraft der genetischen Anlagen und an diese Spiellust, die er schon als kleines Kind mit seiner Familie erleben durfte. In dieser Familie war wohl niemand, der vor dem wenig einträglichen Künstlerleben warnte. Und schon früh nimmt man so teil an allerhand kreativer Inszenierung.
Eine schöne Kindheit
Die Eltern von Jeannot Hunziker sind Musiker und lieben das Theater. Mit ihren fünf Kindern veranstalten sie oft kleine Vorführungen zu Omas Geburtstag. Jeannot, der Benjamin, gibt als Zweijähriger den Koch, dann mit fünf Jahren den Ansager und findet es toll. Er erinnert sich an ein Nummernprogramm mit Akrobatik und mit von der Mutter selbst gedichteten Ansagen.
«Ich hatte eine schöne Kindheit und auch das Glück in die Rudolf-Steiner-Schule zu gehen. Dort bekam ich meine erste Hauptrolle, in einem Stück von Caldéron, Ulyssis und Kirke.»
«Oh Zeus, du Herr der Götter, wie Du die Bucht umschäumst mit düsterem Wetter», kann er noch heute rezitieren und erinnert sich an den Stolz des Achtklässlers. «Ich dachte, jetzt kann ich alles. Aber nachher bekam ich nie mehr eine Hauptrolle und war beleidig», lacht er.
Als Jüngster, unter vier Schwestern, spielt er Geige und Bratsche. Doch als er seine grosse Schwester, die ans Konservatorium geht, beim täglich stundenlangen Üben beobachtet, weiss er, das ist doch nichts für ihn.
Leidenschaft Inszenierung
Für das Inszenieren brennt der Theatermann schon früh. Schon als Primarschüler ist er begeistert von Jules Vernes «In 80 Tagen um die Welt». Sicher ist er eine Leseratte. Doch weit gefehlt! «Ich bin ein schlechter Leser. Ich kann nicht gut lesen und lese auch nicht gerne. Ich muss wohl oder übel die Stücke lesen, die ich inszenieren will. Von ‹In 80 Tagen um die Welt› habe ich den Film gesehen, ein paar Mal! Dann wollte ich unbedingt mit meinen Schulfreunden daraus ein Theaterstück machen und aufführen. Es spielt rund um den Erdball und brauchte daher rund 67 Szenen. Jede dauerte etwa eineinhalb Minuten und jeder Umbau etwa eine Stunde. – Es ist nie zur Aufführung gekommen.»
Trotzdem zeigte sich da schon das Talent und die Leidenschaft zur Inszenierung. «Ja, das stimmt, das kann man wirklich sagen, denn ich war sehr engagiert, meine Freunde zu motivieren, und ich nagelte diese Bühnenbilder aus Dachlatten und Karton zusammen. Zudem wollte ich unbedingt einen richtigen Opernvorhang haben.»
Hemmschwelle überwinden
Innere Bilder, Visionen und eine Berührtheit für die Theaterwelt offenbaren sich. Ein innerer Motor, der jede Hemmung überwindet?
«Schon ja, aber hemmungslos bin ich nicht, sondern im Alltag eher ein gehemmter Mensch. Vielleicht dient mir das Theater gerade deswegen als Brücke, um in andere Rollen zu schlüpfen oder mit Leuten Rollen zu erarbeiten. Dabei geht man immer wieder an Hemmschwellen, die es zu überwinden gilt. Man hat ja oft das Gefühl, man gibt nicht so viel von sich Preis, dabei gibt man alles. Natürlich habe ich während meiner Ausbildung bei Jacques Lecoq in Paris sehr viele Tricks und Methoden gelernt. Dafür bin ich sehr dankbar. Das geschah in einem ganz neuen und eigenwilligen Umgang mit der ganzen Theaterwelt und dem Dramatischen schlechthin.»
Oft spielt das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein oder in die richtige Familie geboren zu werden, eine entscheidende Rolle. Hätte der zwanzigjährige Jeannot Hunziker − immer noch auf der Suche nach seiner Bestimmung – nicht diesen Wochenkurs von Samy Molcho in Zürich besucht, wäre er nicht in der Ecole Jacques Lecoq gelandet. Dieser riet ihm, nicht die Schule von Étienne Decroux zu besuchen, wie geplant, da er dort viel Zeit nur mit körperlicher Detailarbeit verbringen werde, sondern sich bei Lecoq einzuschreiben.
Diese Zeit in Paris bei Lecoq wird eine sehr wichtige Erfahrung für den jungen Theatermann und entspricht seinem eher körperlichen, pantomimischen Zugang zum Theater. Bewegung, Ausdruck, Ausstrahlung von Stimmungen spielen die zentrale Rolle. «Dies ist eigentlich immer mein Zugang beim Inszenieren. Die Intuition spielt mit.»
Mit der Kreativität der Schauspieler arbeiten
Nach seiner Ausbildung begibt sich Jeannot Hunziker auf die Suche nach dem Eigenen, animiert von der Auseinandersetzung mit dem dramatischen Moment. Auch in seiner pädagogischen Arbeit zeigt sich, dass weniger Druck auf die Schüler zu mehr Lust führt, das Innere nach aussen zu wenden. Noch mehr Hemmungen werden abgebaut.
«Manche Regisseure und auch Pädagogen wollen den Schauspielern ihre Ideen aufdrücken. Ich arbeite lieber mit den Ideen und der Kreativität der Schauspieler. Es soll zu einer Heirat der Person des Darstellers mit der Person, die er oder sie spielen soll, kommen. Der Künstler ist ein Interpret mit eigenem Seelenleben. So entstehen lebendige Dialoge und nur sie können die Zuschauer berühren.»
Jeannot Hunziker, Schauspieler, Regisseur und Theaterpädagoge, sagt von sich, dass er ein sanguinischer Spieler, eine Spielernatur sei. Ganz vieles will er ausprobieren und so hat er auch bei zahlreichen Projekten und Theatergruppen mitgemacht, hat ein eigenes Theater namens Cirka gegründet und geleitet und auch da seine Philosophie in Theater- und Bewegungskurse einfliessen lassen. «Diese Art von Arbeiten liegt mir, und es bringt mich immer wieder mit anderen Leuten zusammen. Ich lerne sehr gerne Menschen kennen. Wie schon gesagt, in der Theaterarbeit kommt man sich oft nah und lernt viel.»
Die Vergänglichkeit des Ruhmes
Für mich war das Berühmtwerden immer eng an die Schauspielerei geknüpft. Davon hält der Theatermann nicht allzu viel. Es könne sich ergeben, aber: «Will man berühmt werden, muss man alles für eine ganz spezifische Sache geben. Spezialistentum ist gefragt und gut bezahlt.» Das habe durchaus seine Tücken, denn Berufsschauspieler oder gar berühmte Theaterpersönlichkeiten hätten immer auch viel zu verlieren. Das Phänomen sei zu beobachten, dass gerade «Routiniers» oft versuchten zu zeigen, dass sie «es können» und nicht mehr in der Lage sind eine Rolle mit der eigenen Seele zu verkneten und daraus eine echte, berührende Darbietung zu geben. Laienschauspieler seien da viel entspannter.
«Im Moment des Spiels haben Laiendarsteller nichts zu verlieren. Die Schauspielerei ist ihr Hobby, sie sind Amateure und Liebhaber. Sie tun alles aus Liebe, aus Faszination an der Sache und Begeisterung.» Da fragt man sich schon, ob Laienschauspieler gar keine Angst, keine Hemmungen, kein Lampenfieber haben. «Doch, schon, aber ich arbeite mit ihnen darauf hin, dass sie sich wohl fühlen mit ihrer Rolle. Das ist die Hauptsache. Es besteht keine Abhängigkeit von einem Engagement.»
Der reale Lohn ist der Applaus des Publikums
Der Applaus und die Begeisterung des Publikums ist der reale Lohn für alle Anstrengungen, die darin resultieren sollen, dass alles sehr natürlich und unangestrengt herüberkommt und möglichst jeden im Saal berührt. Das sei Erfolg.
Die Begeisterung mit der Hunziker von seiner Arbeit spricht ist ansteckend. Die Früchte dieser Arbeit sind im September zu geniessen. Dann kommen die «Spielverderber» von Michael Ende, gespielt vom Volkstheater Wädenswil unter der Regie von Jeannot Hunziker, zur Aufführung. Das Theater feiert zudem sein 75-Jahr-Jubiläum.
«Zusammen mit dem Vorstand des Volkstheaters haben wir einige Stücke in Erwägung gezogen und uns dann für dieses entschieden. Es ist in den Sechzigern uraufgeführt worden und seither nur selten gespielt worden. Die Handlung kurz zusammengefasst geht folgendermassen: zehn Leute aus ganz verschiedenen Gesellschaftsschichten und verschiedenen Alters, kommen zusammen, weil sie alle einen Brief bekommen haben, sie seien Erben von Johannes Philadelphias Nachlass. Sie reisen aus verschiedenen Regionen, auf verschiedene Art und Weise an und treffen sich auf dem Schloss des Verstorbenen. Niemand kennt Johannes Philadelphia und untereinander kennt man sich auch nicht. Es gibt ein Testament und die Gäste bekommen eine gemeinsame Aufgabe zu lösen, um so zu erfahren, was jedem einzelnen als Erbe zusteht.» …
und so nimmt die groteske Geschichte mit all den zwischenmenschlichen Tragödien ihren Lauf. Man findet sich selber wieder in den Charakteren und erkennt Parallelen zum heutigen Zustand der Welt. Und dann darf auch mal herzhaft gelacht werden.
Neue Bühnenbilder für
das Kammertheater
Corona-bedingt wird das Stück in der Kulturgarage aufgeführt. Die Glärnischhalle war zu gross (ca. 220 Plätze) und wäre in der momentanen Situation finanziell ein zu grosses Risiko gewesen. Nun muss eine Bühne und neue Bühnenbilder gebaut werden, so dass das Stück als Kammertheater aufgeführt werden kann.
«Anfangs war das Proben eine grosse Herausforderung. Zuerst wussten wir nicht einmal, ob wir überhaupt damit anfangen können. Doch dann entschloss ich mich, dass wir das schaffen. Wir haben im Mai statt im April mit Proben begonnen und anfangs nur zu fünft, ohne Regieassistenz, ohne Souffleuse, nur ich und höchstens vier Schauspieler. So haben wir diese Coronazeit probetechnisch überbrückt.»
Für den Kulturbetrieb und sehr viele der meist freischaffenden Künstler sei diese Zeit jedoch katastrophal. Er habe einigermassen Glück gehabt, da er immer verschiedene Engagements habe und einige noch beenden konnte.
Seine Begeisterung für das Theater, seine Neugier und seine Menschenfreundlichkeit sind Jeannot Hunziker in dieser schwierigen Zeit jedenfalls nicht abhanden gekommen.