Meike Lungershausen ist Hautärztin in Wädenswil. Im Interview erzählt sie, wie sie mit der neuen nicht ganz einfachen Situation umgeht, wie die Reaktion der Patientinnen und Patienten auf die teilweise Schliessung der Praxis ausfiel und welche positiven Aspekte sie dennoch allem abgewinnen kann.
Interview mit Meike Lungershausen
Frau Lungershausen, auch die Arztpraxen mussten mit dem Shutdown unmittelbar schliessen, respektive durften nur noch dringende Fälle behandeln. Was war ihre erste Reaktion?
Das Corona-Virus hat uns wie alle ziemlich überrascht. Wir haben vorher viel spekuliert und diskutiert, gemutmasst und überlegt, waren dann aber emotional doch gar nicht so vorbereitet auf all die Restriktionen und tiefgreifenden Anpassungen wie wir dachten. Wir waren dann allerdings ziemlich schnell mit dem Ergreifen von Massnahmen.
Welche Massnahmen waren das?
Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir bereits keine Hände mehr schüttelten und Türgriffe regelmässig desinfizierten, als wir noch gar keine offizielle Regelung hatten, ich glaube, es war Mitte, Ende Februar. Und wir waren uns keinesfalls sicher, ob dies bei den Patienten so gut ankommen würde.
Warum haben Sie das bezweifelt?
Wir hatten schon ein bisschen gemischte Gefühle. Was, wenn die Patienten dies als lächerlich abtun? Was, wenn wir ihnen damit Angst einjagen? Panik verbreiten war wirklich das Letzte was wir wollten. Aber für uns alle fühlte es sich einfach richtig an. Wir haben viel gesprochen und waren auf die unterschiedlichsten Reaktionen eingestellt.
Und wie waren die Reaktionen dann?
Letztlich waren unsere Befürchtungen dann völlig unbegründet. Ich kann mich an den ersten Tag unserer Massnahmen als einen guten, warmen, verständnisvollen Tag erinnern, welcher zwar physischen Abstand erzeugte, aber psychische Nähe schuf.
Das änderte sich vermutlich im Laufe der Zeit auch.
Natürlich ist im Hinblick auf die Reaktionen auch in einer Praxis, sei dies telefonisch oder persönlich, alles dabei: vom Unmut über all die Massnahmen und Restriktionen bis zur Negierung der aktuellen Lage, von Panik bis zum verständnisvollen Umgang mit der für uns alle neuen Situation. Im Allgemeinen sind unsere Patienten aber sehr verständnisvoll und wertschätzend und haben viel Geduld mit uns, den Ausfällen, Verschiebungen und den teilweise längeren Wartezeiten am Telefon.
„… keine Kaffeemaschine, keine Wasserbecher, keine Zeitschriften, keine Ipads mehr …“
Wie handhaben Sie die nötigen Schutzmassnahmen inzwischen?
Unsere Praxis ist sehr akribisch mit den Schutzmassnahmen, welche in Vielem über die Richtlinien des Bundes hinausgehen, und wir legen viel Wert auf eine wirklich nahtlose Desinfektion aller Flächen, die irgendwie berührt werden können. Im vorderen Teil der Praxis wird angefangen zu desinfizieren und wenn hinten angekommen, wird vorne wieder begonnen. Es gibt keine Kaffeemaschine, keine Wasserbecher, keine Zeitschriften, keine Ipads mehr.
Gesundheit geht vor Wohlfühlambiente.
Ja, sehr steril und unpersönlich sieht das leider aus. Unser heimeliger Charakter ist einer kühleren Atmosphäre gewichen. Im Wartezimmer stehen nur noch einzelne Stühle. Alle Mitarbeiter tragen einen Mundschutz, es wird Distanz gewahrt.
Wie wirkt sich die Situation auf die Arbeit?
Unser Arbeiten ist sehr anders jetzt und deutlich erschwert. Wir Ärzte arbeiten mit FFP2-Masken und das Atmen dahinter ist schlichtweg furchtbar. Ich bewundere alle, die dies tagtäglich und immer tragen müssen, dazu noch eine Ganzkörper-Schutzanzug – ich frage mich wirklich, wie das überhaupt physisch möglich ist – mir wird schon nach einer kurzen Zeit schummrig und übel und ich muss dann dringend kurz ans Fenster, um mal wieder tief einzuatmen und Sauerstoff zu tanken. Meine männlichen Kollegen kriegen das irgendwie besser hin als ich. Demnächst sollen nun auch noch Schutzbrillen dazu kommen, mal sehen, wie dies dann wird.
Und wie gehen Ihre Mitarbeitenden damit um?
Ich glaube, unser Personal ist am Meisten in Mitleidenschaft gezogen; sie versuchen wirklich ihr Bestes, um allem gerecht zu werden. Da sind einerseits die vielen Absagen resp. Verschiebungen, die getätigt werden müssen, dann die telefonisch zu beantwortenden Fragen und Unsicherheiten der Patienten, andererseits die Gewährleistung einer minimal und doch gut funktionierenden Praxis, auch der einzuhaltende Abstand der Einzelnen, der Leerlauf und doch Präsenszeit, das ganze Umorganisieren – ein echter Spagat. Daneben die Ängste über die eigene Gesundheit und die Zukunft. Ich bewundere unsere MPA’s (Medizinische Praxisassistentin) in der Praxis, sie sind mit viel Neuem belastet und machen dennoch im Moment das Unmögliche möglich, tagtäglich. Es kommen auch viele positive Gedanken und Handlungen.
Apropos „unmöglich“: Wie steht es mit Desinfektionsmitteln bei Ihnen in der Praxis?
Es war sehr überraschend und verunsichernd, dass uns irgendwann das Desinfektionsmittel langsam ausging. Was waren wir alle verzweifelt; wir haben uns schon „Selbstmixtutorials“ angeschaut. Das war irgendwie komisch und tragisch zugleich. Glücklicherweise kam dann die ersehnte Lieferung noch gerade vor unserem Supergau.
Ende April können Praxen wieder den vollen Betrieb aufnehmen. Erwarten Sie eine Rückkehr zur «Normalität»?
Eine totale Rückkehr zur Normalität wird sicher erst in vielen Monaten möglich sein. Es kann ja nicht einfach von heute auf morgen alles wieder so sein als wäre nichts gewesen. Ich denke, der Mundschutz wird uns noch lange erhalten bleiben und auch die angestrebte körperliche Distanz. Wir werden uns auch anfreunden müssen mit anderen Arbeitszeiten, um weiterhin so wenig wie möglich Patienten gleichzeitig aber doch so vielen wie möglich wieder einen Termin in der Praxis geben zu können. Flexibilität ist das neue Zauberwort, denke ich. Woche um Woche, Monat um Monat neu eruieren, neu orientieren, neu planen. Ich hoffe einfach, dass wir schnell wieder all den vielen Patienten helfen können, die nun in der letzten Zeit nicht mehr kommen konnten. Zudem sind wir dabei, eine Online-Sprechstunde aufzubauen.
Was wünschen Sie sich für die nächste Zeit?
Wünschenswert wäre, wenn die Geduld und das bis jetzt entgegengebrachte Verständnis der Patienten an die neuen Anpassungen auch noch weiterhin anhalten würde. Dass diese Zeit eine Zeit sein wird, von welcher wir alle noch lange sprechen werden, ist sicher unbestritten. Ich hoffe einfach, dass wir die wieder neu entdeckte Mitmenschlichkeit, den Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft noch lange in uns tragen und weitergeben werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
Mit Meike Lungershausen sprach Jana Riedmüller
Meike Lungershausen ist Hautärztin in Wädenswil. Im Interview erzählt sie, wie sie mit der neuen nicht ganz einfachen Situation umgeht, wie die Reaktion der Patientinnen und Patienten auf die teilweise Schliessung der Praxis ausfiel und welche positiven Aspekte sie dennoch allem abgewinnen kann.
Interview mit Meike Lungershausen
Frau Lungershausen, auch die Arztpraxen mussten mit dem Shutdown unmittelbar schliessen, respektive durften nur noch dringende Fälle behandeln. Was war ihre erste Reaktion?
Das Corona-Virus hat uns wie alle ziemlich überrascht. Wir haben vorher viel spekuliert und diskutiert, gemutmasst und überlegt, waren dann aber emotional doch gar nicht so vorbereitet auf all die Restriktionen und tiefgreifenden Anpassungen wie wir dachten. Wir waren dann allerdings ziemlich schnell mit dem Ergreifen von Massnahmen.
Welche Massnahmen waren das?
Ich kann mich noch gut erinnern, dass wir bereits keine Hände mehr schüttelten und Türgriffe regelmässig desinfizierten, als wir noch gar keine offizielle Regelung hatten, ich glaube, es war Mitte, Ende Februar. Und wir waren uns keinesfalls sicher, ob dies bei den Patienten so gut ankommen würde.
Warum haben Sie das bezweifelt?
Wir hatten schon ein bisschen gemischte Gefühle. Was, wenn die Patienten dies als lächerlich abtun? Was, wenn wir ihnen damit Angst einjagen? Panik verbreiten war wirklich das Letzte was wir wollten. Aber für uns alle fühlte es sich einfach richtig an. Wir haben viel gesprochen und waren auf die unterschiedlichsten Reaktionen eingestellt.
Und wie waren die Reaktionen dann?
Letztlich waren unsere Befürchtungen dann völlig unbegründet. Ich kann mich an den ersten Tag unserer Massnahmen als einen guten, warmen, verständnisvollen Tag erinnern, welcher zwar physischen Abstand erzeugte, aber psychische Nähe schuf.
Das änderte sich vermutlich im Laufe der Zeit auch.
Natürlich ist im Hinblick auf die Reaktionen auch in einer Praxis, sei dies telefonisch oder persönlich, alles dabei: vom Unmut über all die Massnahmen und Restriktionen bis zur Negierung der aktuellen Lage, von Panik bis zum verständnisvollen Umgang mit der für uns alle neuen Situation. Im Allgemeinen sind unsere Patienten aber sehr verständnisvoll und wertschätzend und haben viel Geduld mit uns, den Ausfällen, Verschiebungen und den teilweise längeren Wartezeiten am Telefon.
Wie handhaben Sie die nötigen Schutzmassnahmen inzwischen?
Unsere Praxis ist sehr akribisch mit den Schutzmassnahmen, welche in Vielem über die Richtlinien des Bundes hinausgehen, und wir legen viel Wert auf eine wirklich nahtlose Desinfektion aller Flächen, die irgendwie berührt werden können. Im vorderen Teil der Praxis wird angefangen zu desinfizieren und wenn hinten angekommen, wird vorne wieder begonnen. Es gibt keine Kaffeemaschine, keine Wasserbecher, keine Zeitschriften, keine Ipads mehr.
Gesundheit geht vor Wohlfühlambiente.
Ja, sehr steril und unpersönlich sieht das leider aus. Unser heimeliger Charakter ist einer kühleren Atmosphäre gewichen. Im Wartezimmer stehen nur noch einzelne Stühle. Alle Mitarbeiter tragen einen Mundschutz, es wird Distanz gewahrt.
Wie wirkt sich die Situation auf die Arbeit?
Unser Arbeiten ist sehr anders jetzt und deutlich erschwert. Wir Ärzte arbeiten mit FFP2-Masken und das Atmen dahinter ist schlichtweg furchtbar. Ich bewundere alle, die dies tagtäglich und immer tragen müssen, dazu noch eine Ganzkörper-Schutzanzug – ich frage mich wirklich, wie das überhaupt physisch möglich ist – mir wird schon nach einer kurzen Zeit schummrig und übel und ich muss dann dringend kurz ans Fenster, um mal wieder tief einzuatmen und Sauerstoff zu tanken. Meine männlichen Kollegen kriegen das irgendwie besser hin als ich. Demnächst sollen nun auch noch Schutzbrillen dazu kommen, mal sehen, wie dies dann wird.
Und wie gehen Ihre Mitarbeitenden damit um?
Ich glaube, unser Personal ist am Meisten in Mitleidenschaft gezogen; sie versuchen wirklich ihr Bestes, um allem gerecht zu werden. Da sind einerseits die vielen Absagen resp. Verschiebungen, die getätigt werden müssen, dann die telefonisch zu beantwortenden Fragen und Unsicherheiten der Patienten, andererseits die Gewährleistung einer minimal und doch gut funktionierenden Praxis, auch der einzuhaltende Abstand der Einzelnen, der Leerlauf und doch Präsenszeit, das ganze Umorganisieren – ein echter Spagat. Daneben die Ängste über die eigene Gesundheit und die Zukunft. Ich bewundere unsere MPA’s (Medizinische Praxisassistentin) in der Praxis, sie sind mit viel Neuem belastet und machen dennoch im Moment das Unmögliche möglich, tagtäglich. Es kommen auch viele positive Gedanken und Handlungen.
Apropos „unmöglich“: Wie steht es mit Desinfektionsmitteln bei Ihnen in der Praxis?
Es war sehr überraschend und verunsichernd, dass uns irgendwann das Desinfektionsmittel langsam ausging. Was waren wir alle verzweifelt; wir haben uns schon „Selbstmixtutorials“ angeschaut. Das war irgendwie komisch und tragisch zugleich. Glücklicherweise kam dann die ersehnte Lieferung noch gerade vor unserem Supergau.
Ende April können Praxen wieder den vollen Betrieb aufnehmen. Erwarten Sie eine Rückkehr zur «Normalität»?
Eine totale Rückkehr zur Normalität wird sicher erst in vielen Monaten möglich sein. Es kann ja nicht einfach von heute auf morgen alles wieder so sein als wäre nichts gewesen. Ich denke, der Mundschutz wird uns noch lange erhalten bleiben und auch die angestrebte körperliche Distanz. Wir werden uns auch anfreunden müssen mit anderen Arbeitszeiten, um weiterhin so wenig wie möglich Patienten gleichzeitig aber doch so vielen wie möglich wieder einen Termin in der Praxis geben zu können. Flexibilität ist das neue Zauberwort, denke ich. Woche um Woche, Monat um Monat neu eruieren, neu orientieren, neu planen. Ich hoffe einfach, dass wir schnell wieder all den vielen Patienten helfen können, die nun in der letzten Zeit nicht mehr kommen konnten. Zudem sind wir dabei, eine Online-Sprechstunde aufzubauen.
Was wünschen Sie sich für die nächste Zeit?
Wünschenswert wäre, wenn die Geduld und das bis jetzt entgegengebrachte Verständnis der Patienten an die neuen Anpassungen auch noch weiterhin anhalten würde. Dass diese Zeit eine Zeit sein wird, von welcher wir alle noch lange sprechen werden, ist sicher unbestritten. Ich hoffe einfach, dass wir die wieder neu entdeckte Mitmenschlichkeit, den Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft noch lange in uns tragen und weitergeben werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
Mit Meike Lungershausen sprach Jana Riedmüller