… Heinz Lüthi. Lehrer, Schriftsteller und Mitglied von «Cabaret Rotstift», eines der bekanntesten Schweizer Cabaret-Ensemble.
Interview & Bild: Reni Bircher
Herr Lüthi, seit wann leben Sie in Richterswil?
Ich bin im Seefeld (Zürich) aufgewachsen und der See hat mich stark geprägt, zudem segle ich sehr gerne. Meine erste «Begegnung» mit Richterswil war allerdings nicht so gut: Während einem Segelausflug vor vielen Jahren legte ich ein einziges Mal an einem ziemlich maroden Steg oberhalb der Badi an. Dort entdeckte ich ein älteres Ehepaar, welches seine Bootsblache flickte, die von Nachtbuben mutwillig zerschnitten worden war. Ein paar Schritte weiter wurde ich mehrerer zerschlagener Laternen gewahr und dachte so bei mir: So, das war’s – nach Richterswil komme ich garantiert nicht mehr. Und jetzt leben wir seit 2002 hier (lacht).
Wir haben lange Jahre in einem Haus im Limmattal gewohnt, aber aufs Alter wollten wir es einfach bequemer und leichter haben. Fünf oder sechs Jahre lang suchten wir nach etwas Passendem am See und jedesmal, wenn es in der Annonce hiess «teilweise Seesicht», dann musste man im WC auf einen Hocker steigen und aus dem Fensterchen gucken, um den See zu sehen. Als wir die Wohnung hier mit entsprechendem Ausblick gesehen haben, da mussten wir zugreifen. Es ist uns hier sehr wohl!
Ihr Lieblingsort in Richterswil?
Der See ist halt immer ein Thema. Und wenn wir von Zürich her kommen und mit der SOB rauffahren, ist der Ausblick vom Gottfried-Keller-Plätzli einfach herrlich. Das Panorama mit den Bergen – besonders an einem Föhntag –, ist wunderbar.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an einem Mitmenschen?
Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, und wenn jemand eine eigene Meinung vertritt.
Eine Person, die Sie bewundern.
Da gibt es tatsächlich mehrere, so was wie Leitfiguren. Im Theater ist es Ruedi Walter, als Schriftsteller Jeremias Gotthelf – zwei sehr gegensätzliche Persönlichkeiten … In der Geschichte – ein Hobby von mir – möchte ich sagen Helmut Schmidt, Jean Rudolf von Salis und Herbert Lüthy. Die bedeutenden Historiker der Schweiz sind mir ein Vorbild, und da gibt es ja mehrere.
Was lesen Sie derzeit?
Ich befasse mich zurzeit mit der Kulturgeschichte des Zürcher Oberlandes. Es handelt sich um Ergänzung und Korrektur eines bestehenden Textes, was eine ziemlich mühsame Arbeit ist. Daneben lese ich von Gerhard Meier «Baur und Bindschädler, die Amrainer Tetralogie», ein grossartiges, poetisches Werk, das aber vom Leser vollste Konzentration verlangt.
Trauern Sie der Zeit mit dem «Cabaret Rotstift» nach?
Nein. Das war eine schöne, gute, glückliche Zeit und sehr streng. Sie war voller Freundschaft und Action, aber sie ist jetzt vorüber, und schon aus rein physischer Hinsicht könnte ich das heute gar nicht mehr bewältigen. Ich wurde zwar nochmals angefragt für «Rotstift reloaded», aber das wollte ich nicht mehr. Ab und zu trete ich noch bei Seniorenvereinen und Kirchgemeindeabenden auf, auch Lesungen mache ich noch.
Wie kommt man als Lehrer zu einem Cabaret-Ensemble?
In mir waren schon immer zwei, nein, drei Seelen: der Lehrer, der Schreibende und der Schauspieler. Und all das konnte ich in meinem Leben verwirklichen. Ich war ein halbes Jahr am Bühnenstudio Zürich und habe auch die Aufnahmeprüfung für die Tagesschule gemacht. Diese Ausbildung dauert jedoch zwei Jahre und ich hätte den Lehrerberuf aufgeben müssen. Hinzu kam die Einschätzung durch den Leiter vom Bühnenstudio, Felix Rellstab: er hatte einen guten Blick für mein Wesen und meinte nach der Aufnahmeprüfung, dass ich es wohl nicht zu tragenden Rollen am Schauspielhaus bringen würde. Das war hart, aber er sagte mir auch, dass er festgestellt hätte, dass ich eine humoristische Begabung habe, genauso wie zum (satirischen) Schreiben. Und er erzählte mir von einem Cabaret-Ensemble, alles Lehrer, die sich gut auf der Bühne bewegen und auch singen, ich solle mich dort melden.
Zuerst dachte ich, um Gottes willen, ich will doch ein grosser Schauspieler werden und der will mich in so einem Feld-Wald-und-Wiesen-Ensemble versorgen?! Aber Rellstab gab mir den richtigen Ratschlag, weil er einfach «weiter» gesehen hat als ich. So führte mich der Weg genau dorthin. Der Groschen fiel dann erst recht bei mir, als ich die Urform der Kleinen Niederdorfoper sah und erkannte, dass man mittels Mundart enorme Ausdruckskraft haben kann und es den Zuschauer unmittelbar «anfällt». Das war faszinierend und hat mich schwer beeindruckt. Dass es nachher mit «Rotstift» klappte, war toll.
War es schwierig, als Lehrer zu arbeiten, nachdem das Cabaret einen solchen Erfolg hatte?
Generell gilt: Eine Schulstube, in der nicht gelacht wird, ist keine gute Schulstube. Wir alle vom Cabaret haben unseren Lehrerberuf sehr ernst genommen und dieser stand immer an erster Stelle. Die Bühne galt als Freizeit. Wir haben uns auch immer auf zwei Vorstellungen pro Woche beschränkt, wenn diese ausserhalb der Stadt Zürich stattfanden – obwohl natürlich schon Angebote da gewesen wären.
Was waren Ihre Ansprüche als Komödiant an sich selbst und Ihre Kollegen?
Wenn ich heutige Comedians sehe – und auch schon damals, obwohl die Konkurrenz nicht so gross war – fehlt mir manchmal das Verständnis. Unsere Sketche gingen nie unter die Gürtellinie, waren nie obszön, und derbe Wörter wie – bitte verzeihen Sie – «Scheisse» hat es nicht gegeben. Unsere Unterhaltung war nie verletzend. Wir haben den Alltag der Schweizer glossiert und aufs Korn genommen, und uns waren auch musikalische Nummern wichtig.
Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Komödianten aus?
Gespür für Anstand und die Zeit. Irgendwann kommt einfach der Punkt, an dem etwas nicht mehr lustig ist.
Was treibt Sie heute im Alltag an?
Ich freue mich über jeden Tag, an dem ich aufwachen darf. Die Freunde, welche noch leben, sind uns wichtig; die schöne Umgebung und der See sind Antrieb, genauso wie unsere neun Enkel. Und natürlich das Schreiben, denn ich arbeite an meinem zweiten Band von «Strömungen», eine Limmattaler Geschichte. Dafür ziehe ich mich wochenweise in unser kleines Refugium im Bündnerland zurück.
Heinz Lüthi hat bereits 15 Bücher geschrieben und den Altberg Verlag Richterswil gegründet.
… Heinz Lüthi. Lehrer, Schriftsteller und Mitglied von «Cabaret Rotstift», eines der bekanntesten Schweizer Cabaret-Ensemble.
Interview & Bild: Reni Bircher
Herr Lüthi, seit wann leben Sie in Richterswil?
Ich bin im Seefeld (Zürich) aufgewachsen und der See hat mich stark geprägt, zudem segle ich sehr gerne. Meine erste «Begegnung» mit Richterswil war allerdings nicht so gut: Während einem Segelausflug vor vielen Jahren legte ich ein einziges Mal an einem ziemlich maroden Steg oberhalb der Badi an. Dort entdeckte ich ein älteres Ehepaar, welches seine Bootsblache flickte, die von Nachtbuben mutwillig zerschnitten worden war. Ein paar Schritte weiter wurde ich mehrerer zerschlagener Laternen gewahr und dachte so bei mir: So, das war’s – nach Richterswil komme ich garantiert nicht mehr. Und jetzt leben wir seit 2002 hier (lacht).
Wir haben lange Jahre in einem Haus im Limmattal gewohnt, aber aufs Alter wollten wir es einfach bequemer und leichter haben. Fünf oder sechs Jahre lang suchten wir nach etwas Passendem am See und jedesmal, wenn es in der Annonce hiess «teilweise Seesicht», dann musste man im WC auf einen Hocker steigen und aus dem Fensterchen gucken, um den See zu sehen. Als wir die Wohnung hier mit entsprechendem Ausblick gesehen haben, da mussten wir zugreifen. Es ist uns hier sehr wohl!
Ihr Lieblingsort in Richterswil?
Der See ist halt immer ein Thema. Und wenn wir von Zürich her kommen und mit der SOB rauffahren, ist der Ausblick vom Gottfried-Keller-Plätzli einfach herrlich. Das Panorama mit den Bergen – besonders an einem Föhntag –, ist wunderbar.
Welche Eigenschaften schätzen Sie an einem Mitmenschen?
Zuverlässigkeit, Freundlichkeit, und wenn jemand eine eigene Meinung vertritt.
Eine Person, die Sie bewundern.
Da gibt es tatsächlich mehrere, so was wie Leitfiguren. Im Theater ist es Ruedi Walter, als Schriftsteller Jeremias Gotthelf – zwei sehr gegensätzliche Persönlichkeiten … In der Geschichte – ein Hobby von mir – möchte ich sagen Helmut Schmidt, Jean Rudolf von Salis und Herbert Lüthy. Die bedeutenden Historiker der Schweiz sind mir ein Vorbild, und da gibt es ja mehrere.
Was lesen Sie derzeit?
Ich befasse mich zurzeit mit der Kulturgeschichte des Zürcher Oberlandes. Es handelt sich um Ergänzung und Korrektur eines bestehenden Textes, was eine ziemlich mühsame Arbeit ist. Daneben lese ich von Gerhard Meier «Baur und Bindschädler, die Amrainer Tetralogie», ein grossartiges, poetisches Werk, das aber vom Leser vollste Konzentration verlangt.
Trauern Sie der Zeit mit dem «Cabaret Rotstift» nach?
Nein. Das war eine schöne, gute, glückliche Zeit und sehr streng. Sie war voller Freundschaft und Action, aber sie ist jetzt vorüber, und schon aus rein physischer Hinsicht könnte ich das heute gar nicht mehr bewältigen. Ich wurde zwar nochmals angefragt für «Rotstift reloaded», aber das wollte ich nicht mehr. Ab und zu trete ich noch bei Seniorenvereinen und Kirchgemeindeabenden auf, auch Lesungen mache ich noch.
Wie kommt man als Lehrer zu einem Cabaret-Ensemble?
In mir waren schon immer zwei, nein, drei Seelen: der Lehrer, der Schreibende und der Schauspieler. Und all das konnte ich in meinem Leben verwirklichen. Ich war ein halbes Jahr am Bühnenstudio Zürich und habe auch die Aufnahmeprüfung für die Tagesschule gemacht. Diese Ausbildung dauert jedoch zwei Jahre und ich hätte den Lehrerberuf aufgeben müssen. Hinzu kam die Einschätzung durch den Leiter vom Bühnenstudio, Felix Rellstab: er hatte einen guten Blick für mein Wesen und meinte nach der Aufnahmeprüfung, dass ich es wohl nicht zu tragenden Rollen am Schauspielhaus bringen würde. Das war hart, aber er sagte mir auch, dass er festgestellt hätte, dass ich eine humoristische Begabung habe, genauso wie zum (satirischen) Schreiben. Und er erzählte mir von einem Cabaret-Ensemble, alles Lehrer, die sich gut auf der Bühne bewegen und auch singen, ich solle mich dort melden.
Zuerst dachte ich, um Gottes willen, ich will doch ein grosser Schauspieler werden und der will mich in so einem Feld-Wald-und-Wiesen-Ensemble versorgen?! Aber Rellstab gab mir den richtigen Ratschlag, weil er einfach «weiter» gesehen hat als ich. So führte mich der Weg genau dorthin. Der Groschen fiel dann erst recht bei mir, als ich die Urform der Kleinen Niederdorfoper sah und erkannte, dass man mittels Mundart enorme Ausdruckskraft haben kann und es den Zuschauer unmittelbar «anfällt». Das war faszinierend und hat mich schwer beeindruckt. Dass es nachher mit «Rotstift» klappte, war toll.
War es schwierig, als Lehrer zu arbeiten, nachdem das Cabaret einen solchen Erfolg hatte?
Generell gilt: Eine Schulstube, in der nicht gelacht wird, ist keine gute Schulstube. Wir alle vom Cabaret haben unseren Lehrerberuf sehr ernst genommen und dieser stand immer an erster Stelle. Die Bühne galt als Freizeit. Wir haben uns auch immer auf zwei Vorstellungen pro Woche beschränkt, wenn diese ausserhalb der Stadt Zürich stattfanden – obwohl natürlich schon Angebote da gewesen wären.
Was waren Ihre Ansprüche als Komödiant an sich selbst und Ihre Kollegen?
Wenn ich heutige Comedians sehe – und auch schon damals, obwohl die Konkurrenz nicht so gross war – fehlt mir manchmal das Verständnis. Unsere Sketche gingen nie unter die Gürtellinie, waren nie obszön, und derbe Wörter wie – bitte verzeihen Sie – «Scheisse» hat es nicht gegeben. Unsere Unterhaltung war nie verletzend. Wir haben den Alltag der Schweizer glossiert und aufs Korn genommen, und uns waren auch musikalische Nummern wichtig.
Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Komödianten aus?
Gespür für Anstand und die Zeit. Irgendwann kommt einfach der Punkt, an dem etwas nicht mehr lustig ist.
Was treibt Sie heute im Alltag an?
Ich freue mich über jeden Tag, an dem ich aufwachen darf. Die Freunde, welche noch leben, sind uns wichtig; die schöne Umgebung und der See sind Antrieb, genauso wie unsere neun Enkel. Und natürlich das Schreiben, denn ich arbeite an meinem zweiten Band von «Strömungen», eine Limmattaler Geschichte. Dafür ziehe ich mich wochenweise in unser kleines Refugium im Bündnerland zurück.
Heinz Lüthi hat bereits 15 Bücher geschrieben und den Altberg Verlag Richterswil gegründet.