Auf Einladung des Elternrates Schönenberg hielt der Psychologe Henri Guttmann einen spannenden Vortrag im Dorfhuus.
Tochter: «Mami, darf ich am Mittwoch an Jessicas Geburtstagsparty gehen? Sie findet im Wald statt.» Mutter: «Ja, ist gut. Von wann bis wann?» Tochter: «Nachmittags vier Uhr, bis es dunkel ist.» Mutter: «Ok, aber um zehn Uhr bist zu zuhause.»
Tochter: «Wenn Du meinst. Allerdings denke ich, Du willst sicher nicht, dass ich alleine durch den Wald heimgehen muss. Sinas Mutter holt sie und alle anderen um halb elf Uhr mit dem Range Rover ab. Da könnte ich auch mitfahren!» Die Mutter ruft Sinas Mutter an – auf die Gefahr hin, peinlich zu sein! Diese weiss noch gar nichts von ihrem Glück.
Mit solch lustigen Geschichten veranschaulicht der bekannte Psychologe, Paar- und Familientherapeut und selber Vater zweier Töchter, Henri Guttmann, seinem Publikum am Abend des 25. September im Dorfhuus Schönenberg, wie Kinder in der Pubertät und Vorpubertät ticken. Das Dorfhuus ist gut besetzt. Die Frauen vom Elternrat mussten zusätzliche Stühle aufstellen, so unerwartet gross ist das Interesse.
Das vorwiegend weibliche Publikum – ja, wo sind nur wieder die Väter? – quittiert Guttmanns Geschichten aus seiner Praxis mit zustimmendem Gelächter. «Wie wahr!», denke auch ich mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen. Ich bin da schon durch, meine Kinder sind erwachsen und wenn sie mich besuchen, sind sie liebenswürdig und geniessbar.
Doch manchmal überkommt mich die Wehmut und ich bereue, dass ich die Zeit, als sie noch Kinder waren, nicht mehr genossen habe.
Guttmanns Anliegen ist es, solches zu vermeiden, denn: Die Pubertät beginnt nicht mit einem Paukenschlag, sondern schleichend. Und eines Tages fällt einem auf, man steckt schon mitten drin.
Die Kinderzeit geht, aber vom Erwachsensein sind die Mädchen und Jungen noch weit weg und wissen noch nicht einmal, ob sie schon Jugendliche sind. Das Streben nach Unabhängigkeit erwacht, die elterliche Autorität wird zunehmend in Frage gestellt und Gleichaltrige werden wichtiger. Die Kinder reagieren in dieser Zeit sehr empfindlich auf Kritik und Vorschriften. Die Mädchen werden launisch und auflehnend. Bei den Jungen zeigt sich ein gesteigerter Tatendrang.
Als Eltern sollen Sie diese spannende Zeit nutzen und als Chance nehmen, eine gefestigte und tragende Beziehung aufzubauen, bevor Sie «voll peinlich» werden!
In der Vorpubertät erscheint das Wertesystem der Eltern den Kindern noch sinnvoll. Es wird noch nicht alles kritisch hinterfragt. Darum haben Eltern in dieser Zeit noch Einfluss. Es ist noch Zeit, die Kinder für Sport, für die Pfadi oder für ein Musikinstrument zu motivieren; für Hobbies, die ihnen bei der Entwicklung oder als Erwachsene nützen und helfen können oder ihrer Gesundheit zuträglich sind. Zudem ist es noch möglich gewisse Erziehungsziele wirksam umzusetzen, dem Kind gewisse Fähigkeiten beizubringen.
Ein wichtiges Ziel in der Erziehung ist sicher die Selbstwirksamkeit zu fördern, aber auch die Fähigkeit, Grenzen zu akzeptieren.
«Vertrauen und vieles zutrauen», das ist die goldene Regel, ein ausgewogener Erziehungsstil mit festen Regeln, Verbindlichkeiten und begrenzten Diskussionen das A und O.
Laisser-faire erhöht die Risikobereitschaft, weil ja prinzipiell alles erlaubt ist und die Grenzen doch gesucht werden, autoritäres Gehabe ist kaum mehr glaubwürdig und ein unausgewogener Stil verunsichert und macht aggressiv.
Eigentlich wissen wir das ja alles. Nur – wie in so vielen Lebensbereichen – ist die Umsetzung nicht immer einfach. Gerade die Nutzung von Beziehungsfenstern, genau dann, in diesen kurzen Momenten, wenn das Kind sich öffnet, ist eine Herausforderung.
In stressigen Zeiten ist ein Umgang mit dem richtigen Nein, sei es spontan, kategorisch oder verhandelbar, recht schwierig. Es gibt Situationen – so Guttmann – in denen man verhandeln sollte und schliesslich müsse man als Eltern auch nicht immer konsequent sein.
Besinnt man sich als Eltern auch auf die Paarinseln und lebt den Kindern eine wertschätzende Beziehung und Kommunikation auf Augenhöhe vor, dann kann nicht mehr viel schief gehen.
Aushalten muss man die Pubertät trotzdem, denn sie ist für alle Kinder essentiell, um sich von den Eltern zu lösen und in ihr eigenes Leben zu finden. Dafür müssen sie uns zeitweise extrem blöd finden. Manchmal tut’s weh.
Je besser und unabhängiger wir in unseren Leben verankert sind, desto einfacher ist das Loslassen.
Ingrid Eva Liedtke
Auf Einladung des Elternrates Schönenberg hielt der Psychologe Henri Guttmann einen spannenden Vortrag im Dorfhuus.
Tochter: «Mami, darf ich am Mittwoch an Jessicas Geburtstagsparty gehen? Sie findet im Wald statt.» Mutter: «Ja, ist gut. Von wann bis wann?» Tochter: «Nachmittags vier Uhr, bis es dunkel ist.» Mutter: «Ok, aber um zehn Uhr bist zu zuhause.»
Tochter: «Wenn Du meinst. Allerdings denke ich, Du willst sicher nicht, dass ich alleine durch den Wald heimgehen muss. Sinas Mutter holt sie und alle anderen um halb elf Uhr mit dem Range Rover ab. Da könnte ich auch mitfahren!» Die Mutter ruft Sinas Mutter an – auf die Gefahr hin, peinlich zu sein! Diese weiss noch gar nichts von ihrem Glück.
Mit solch lustigen Geschichten veranschaulicht der bekannte Psychologe, Paar- und Familientherapeut und selber Vater zweier Töchter, Henri Guttmann, seinem Publikum am Abend des 25. September im Dorfhuus Schönenberg, wie Kinder in der Pubertät und Vorpubertät ticken. Das Dorfhuus ist gut besetzt. Die Frauen vom Elternrat mussten zusätzliche Stühle aufstellen, so unerwartet gross ist das Interesse.
Das vorwiegend weibliche Publikum – ja, wo sind nur wieder die Väter? – quittiert Guttmanns Geschichten aus seiner Praxis mit zustimmendem Gelächter. «Wie wahr!», denke auch ich mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen. Ich bin da schon durch, meine Kinder sind erwachsen und wenn sie mich besuchen, sind sie liebenswürdig und geniessbar.
Doch manchmal überkommt mich die Wehmut und ich bereue, dass ich die Zeit, als sie noch Kinder waren, nicht mehr genossen habe.
Guttmanns Anliegen ist es, solches zu vermeiden, denn: Die Pubertät beginnt nicht mit einem Paukenschlag, sondern schleichend. Und eines Tages fällt einem auf, man steckt schon mitten drin. Die Kinderzeit geht, aber vom Erwachsensein sind die Mädchen und Jungen noch weit weg und wissen noch nicht einmal, ob sie schon Jugendliche sind. Das Streben nach Unabhängigkeit erwacht, die elterliche Autorität wird zunehmend in Frage gestellt und Gleichaltrige werden wichtiger. Die Kinder reagieren in dieser Zeit sehr empfindlich auf Kritik und Vorschriften. Die Mädchen werden launisch und auflehnend. Bei den Jungen zeigt sich ein gesteigerter Tatendrang. Als Eltern sollen Sie diese spannende Zeit nutzen und als Chance nehmen, eine gefestigte und tragende Beziehung aufzubauen, bevor Sie «voll peinlich» werden!
In der Vorpubertät erscheint das Wertesystem der Eltern den Kindern noch sinnvoll. Es wird noch nicht alles kritisch hinterfragt. Darum haben Eltern in dieser Zeit noch Einfluss. Es ist noch Zeit, die Kinder für Sport, für die Pfadi oder für ein Musikinstrument zu motivieren; für Hobbies, die ihnen bei der Entwicklung oder als Erwachsene nützen und helfen können oder ihrer Gesundheit zuträglich sind. Zudem ist es noch möglich gewisse Erziehungsziele wirksam umzusetzen, dem Kind gewisse Fähigkeiten beizubringen.
Ein wichtiges Ziel in der Erziehung ist sicher die Selbstwirksamkeit zu fördern, aber auch die Fähigkeit, Grenzen zu akzeptieren.
«Vertrauen und vieles zutrauen», das ist die goldene Regel, ein ausgewogener Erziehungsstil mit festen Regeln, Verbindlichkeiten und begrenzten Diskussionen das A und O.
Laisser-faire erhöht die Risikobereitschaft, weil ja prinzipiell alles erlaubt ist und die Grenzen doch gesucht werden, autoritäres Gehabe ist kaum mehr glaubwürdig und ein unausgewogener Stil verunsichert und macht aggressiv.
Eigentlich wissen wir das ja alles. Nur – wie in so vielen Lebensbereichen – ist die Umsetzung nicht immer einfach. Gerade die Nutzung von Beziehungsfenstern, genau dann, in diesen kurzen Momenten, wenn das Kind sich öffnet, ist eine Herausforderung.
In stressigen Zeiten ist ein Umgang mit dem richtigen Nein, sei es spontan, kategorisch oder verhandelbar, recht schwierig. Es gibt Situationen – so Guttmann – in denen man verhandeln sollte und schliesslich müsse man als Eltern auch nicht immer konsequent sein.
Besinnt man sich als Eltern auch auf die Paarinseln und lebt den Kindern eine wertschätzende Beziehung und Kommunikation auf Augenhöhe vor, dann kann nicht mehr viel schief gehen.
Aushalten muss man die Pubertät trotzdem, denn sie ist für alle Kinder essentiell, um sich von den Eltern zu lösen und in ihr eigenes Leben zu finden. Dafür müssen sie uns zeitweise extrem blöd finden. Manchmal tut’s weh.
Je besser und unabhängiger wir in unseren Leben verankert sind, desto einfacher ist das Loslassen.
Ingrid Eva Liedtke