Kolumne Wädenswil

Leute von heute: Urs Morgenegg, Gründer des Schweizerischen Skateboardverbandes

Herr Morgenegg, kann jeder skate­boarden oder nur motorisch begabte Kids?
Grundsätzlich kann es jeder. Klar, es verlangt einem in Sachen Koordination und Körperbeherrschung einiges ab, wenn man schwierige Tricks können möchte. In Spanien gibt es einen Mann, der im Alltag im Rollstuhl sitzt, weil beide Beine gelähmt sind. Aber er skatet und zwar auf hohem Niveau. Sie fragen sich jetzt bestimmt wie das geht? Er sitzt auf dem Board und benutzt seine Arme und Hände für die Sprünge und Drehungen. Sehr beindruckend und faszinierend.

Sie haben 2006 den Schweizer Skateboardverband gegründet, mit Sitz in Schönenberg. Warum brauchten die Skateboarder einen Verband?
Ich wollte den Skateboardsport in der Schweiz bekannter machen und weg vom schmudeligen Image bringen. Skateboarden ist eine ernstzunehmende Sportart die auf der ganzen Welt ausgeübt wird. Ich wollte den Skatern und anderen Interessierten eine Plattform und eine Anlaufstelle bieten für Fragen rund ums Thema Skateboarden. Auch ist es Ziel des Verbandes regelmässig die offiziellen Schweizer Meisterschaften durchzuführen. Nach einer Event-Pause planen wir nun für nächstes Jahr wieder Sport-Events für die Junioren in unserem Land.

Auf diesem Brettchen mit Rädern stehen vor allem Menschen unter zwanzig. Sie üben ihre Kunststückchen, rattern über Hindernisse und versuchen sich dabei auch noch zu drehen. So sehe ich das, vor allem, wenn ich an der grossen Anlage beim Sihl City vorbeifahre. Ich nehme an, Skateboarden ist mehr als das?
Diese Frage würden über 95 % der Skater ganz klar mit «Ja» beantworten. Skaten, ist ähnlich wie Surfen, ein Lifestyle der einem auch im Alltag prägt und begleitet. Die Kultur rund ums Board brachte nicht nur eigene Kleider- und Schuhlabels, sondern sogar eigene Musikstile und Bands hervor.

Wenn ich mich an die Zeit erinnere als meine Jungs Teenager waren, das heisst vor etwa 10 Jahren, da musste man die Orte, Anlagen zum Skaten suchen. Wie ist das heute?
Mittlerweile gibt es tatsächlich zahlreiche kleinere und grössere Skate-Parks. Als wir damals die ersten Skateboarder im Land waren, gabs noch gar keine Parks und Anlagen. Wir skateten in der Stadt, auf den Strassen und bei schlechtem Wetter in Tiefgaragen. Dies jedoch nicht ohne ständig in Konflikt mit Wachleuten und der Polizei zu geraten. Die Toleranz unserem Sport gegenüber war damals sehr gering.

Hat der Verband auch lokale Beachtung?
Da wir ein national agierender Verband sind, hat die Lokalität einen geringen Einfluss.

Skateboarden in Schönenberg und Umgebung?
In Wollerau wurde eine kleine Skate-Anlage erbaut, die ich auch ab und zu nutze.

Wie lange stehen Sie schon auf diesem Brett?
Seit guten 28 Jahren schon.

Wie und warum haben Sie eine solche Leidenschaft dafür entwickelt?
Als Jugendlicher habe ich zig Sportarten ausprobiert und eigentlich überall Talent entwickelt, um darin weiter zu machen. Aber jede Sportart verlor mit der Zeit den Reiz, wurde mir zu simpel. Als das Street-Skateboarden als neuer Trend aus den USA zu uns herüber schwappte, war ich als Jugendlicher sofort fasziniert. Die Kombination aus den unzähligen Tricks, die Möglichkeit die eigene Kreativität einfliessen zu lassen und die Tatsache, dass jeder Trick eine neue Herausforderung mit sich brachte, machte für mich das Skateboarden zum perfekten Sport. Selbstdisziplin, Koordination, Ausdauer, Körperbeherrschung und Mut, sind nur einige Voraussetzungen die man als guter Skater erfüllen sollte. Skateboarden ist eine Lebensschule. Man lernt sich zu konzentrieren, nicht aufzugeben, wenn ein Trick nicht gleich klappt, zu üben bis man es kann und trotzdem nicht den Spass daran zu verlieren.

Ist Skateboarden eine anerkannte Sportart?
Hier kommt es darauf an, wie man «anerkannt» definiert. Hier in der Schweiz steckt der Sport noch in den Kinderschuhen. Da wurden wir klar von den Snowboardern überholt. Aber schaut man z.B. nach Amerika, ist der Skateboard-Sport mehr als etabliert. In den USA leben viele hochbegabte Skateboarder als Profi von ihrem Sport. Das bedeutet, dass sie sowohl an Contests teilnehmen, als auch bei Filmprojekten mitwirken und Werbe- bzw. Sponsorenverträge mit renommierten Marken haben. Nicht selten verdienen sie damit richtig gut Geld. Einige davon sogar mehrere Millionen Dollar pro Jahr. Davon kann hier in der Schweiz jeder Ski-Rennfahrer nur träumen.

Ist Skateboarden gefährlich – ein Extremsport?
Das Verletzungsrisiko ist bestimmt höher als etwa beim Golf spielen. Es kommt aber sehr darauf an, welche Disziplin man ausübt. So gibt es diejenigen, die mit gut 70–80 km auf dem Brett die Passstrassen runter flitzen – da kann ein Sturz sich fatal auswirken. Skatet man «nur» auf geraden Flächen und macht ein paar Tricks, so riskiert man bei einem Sturz vielleicht höchstens ein paar Schürfungen und Prellungen. Ich persönlich spreche mich klar für das Tragen von einem Helm aus. Gerade in Parks mit den vielen Hindernissen gibt es viele Ecken und Kanten, an denen man besser nicht den Kopf anschlägt.
Gibt es Events in der Schweiz und welche?
Dank dem Swiss Skateboard Verband gab es und gibt es bald wieder viele hochkarätige und gut organisierte Events, die auch über die Landesgrenzen hinweg bekannt sind. Neben unseren Events, gibt es immer wieder kleinere Veranstaltungen das ganze Jahr über von Vereinen, Marken oder Shops. Vom Event-Angebot in Relation zur Landesgrösse können wir da mit dem Ausland gut mithalten.

Ist Skateboarden ein Mode-Gag für Junge und Junggebliebene, der in ein paar Jahren wieder verschwunden ist?
Das wird immer wieder prophezeit, und nein, Skateboarden ist bis jetzt nie verschwunden. Vieles hat sich sicherlich verändert, das meiste zum Positiven. Ich würde sogar eher sagen, dass das Skaten am Wachsen ist. In der City sieht man sehr viele Leute mit einem Longboard oder Cruiser gemütlich herumkurven. Das sind Leute die sich primär vielleicht nicht mit der ganzen Szene rund ums Skaten identifizieren, aber trotzdem das Feeling auf dem Board geniessen und in Ihren Alltag integrieren.

…. und noch eine provokative Frage: Sind Sie nicht schon aus ihrem Skateboard hinausgewachsen?
Nein, aber es gibt tatsächlich sehr wenige die dem Sport so lange treu bleiben. Das Problem sehe ich unter anderem auch in der hohen Belastung der Jungen. Wer Fortschritte machen möchte, der muss dranbleiben und trainieren. Skaten ist ein zeitintensives Hobby, und Zeit ist nebst Hausaufgaben, Prüfungen und Berufsschule eine Mangelware….und so hören leider viele Kids irgendwann wieder damit auf.

Ingrid Eva Liedtke

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