Kolumne Wädenswil

Leute von heute: Thomas Villwock, neuer Pfarrer der reformierten Kirchgemeinde Schönenberg

Herr Villwock, Sie sind seit dem 1. September 2014 der neue Pfarrer der reformierten Kirche in Schönenberg, seit dem 28. Februar 2016 vom Volk gewählt. Wer sind Sie?
Ich bin 35 Jahre alt, verheiratet und komme aus Süddeutschland. Dort bin ich in einem Dorf der Grösse von Schönenberg aufgewachsen. Nach dem 10-monatigen Militärdienst bei den Heeresfliegern habe ich Soziologie und Theologie in Potsdam, Tübingen und Leipzig studiert.
Das zweieinhalbjährige Vikariat, die praktische Ausbildung nach dem Studium, habe ich auf der Schwäbischen Alb, nördlich von Ulm, gemacht. Anschliessend war ich drei Jahre im Schwarzwald als sogenannter «Pfarrer zur Dienstaushilfe». In dieser Zeit konnte ich in verschiedenen Kirchgemeinden wichtige Erfahrungen in der Kirche machen. Das sind ein paar Sätze, die meinen beruflichen Werdegang beschreiben.
Privat bin ich leidenschaftlich gerne in den Bergen. Im Winter beim Skifahren und im Sommer beim Wandern, dann gerne auch in alpinen Höhen. Neben der landschaftlichen Schönheit hier auf dem Berg schätze ich zudem die Nähe zu Zürich und Luzern mit ihren kulturellen Angeboten.

Gibt es Änderungs- und Erneuerungsbedarf in unserer Kirchgemeinde? Was haben Sie da für Ideen?
Die Reformierte Kirche Schönenberg ist im Kanton Zürich mit 900 Mitgliedern eine kleine Kirchgemeinde. Der Änderungsbedarf besteht schon allein darin, dass wir aus Sicht der Kirchenleitung zu klein sind. Deshalb und weil wir es in der Kirchenpflege als richtig und sinnvoll erachten, sind wir in Zusammenschlussgesprächen mit der Reformierten Kirche unseres Nachbardorfes Hütten. Zusammen würden wir zwar immer noch klein sein mit 1200–1300 Mitgliedern, aber gross genug für eine ganze Pfarrstelle und um Kirche gestalten zu können. Wenn Sie nach dem Erneuerungsbedarf fragen, so denke ich, dass sich Kirche immer wieder erneuern muss. Eine Kirchgemeinde ist nie etwas Starres. Wichtig ist meiner Ansicht nach, dass wir offen sind für die Belange und Ideen der Menschen, die zu dieser Kirche gehören. Gerade im Falle von Schönenberg und einer allfälligen politischen Fusion mit Wädenswil kann die Kirche identitätsstiftend sein.

Woran orientieren sie sich? An Vorgängern, eigenen Zielsetzungen?
Wenn man als Pfarrer neu ist in einer Kirchgemeinde und dazu auch neu in der Kultur eines Landes, dann tut man gut daran, zu erspüren, was den Menschen in den vergangenen Jahren wichtig und lieb war. Gewohntes fortzusetzen war mir deshalb in den vergangenen eineinhalb Jahren sehr wichtig, um die Kultur der Reformierten Kirche hier in Schönenberg kennenzulernen. Natürlich verändert sich mit einem neuen Pfarrer hie und da etwas. Aber weniger aufgrund bewusster Veränderungen, denn aufgrund seiner Persönlichkeit. Ich versuche, ich selbst zu sein und mich dem Gewohnten auszusetzen, mich einzubringen. So entsteht unweigerlich Neues

Was sind Ihre Anliegen? Was liegt Ihnen am Herzen?
Mir liegen Menschen am Herzen. Jeder und jede hat eine eigene Geschichte. Das macht den Beruf des Pfarrers so interessant. Diesen je eigenen Geschichten Raum zu geben und mit der Wirklichkeit Gottes ins Gespräch zu bringen, ist mir ein Anliegen.

Wieviele Nasen sitzen noch im normalen Sonntagsgottesdienst? Können und wollen Sie wieder mehr Schäfchen dafür motivieren?
Den Sonntagsgottesdienst feiern wir in der Regel als Gruppe von zwanzig bis dreissig Personen. Das klingt erst einmal nach wenig. Der reformierte Gottesdienstbesuch in der Schweiz beträgt ein bis zwei Prozent der Mitglieder. Unsere Kirchgemeinde zählt etwa 900 Mitglieder. Somit kann man sagen, dass der Gottesdienst bei uns leicht überdurchschnittlich besetzt ist. Aber natürlich sollten wir immer daran interessiert sein, Gottesdienste so zu gestalten, dass sie mehr Menschen ansprechen als sie es momentan tun. Als Volkskirche, die Kirche für alle Menschen sein möchte und muss, liegt gerade darin die Herausforderung. Momentan diskutieren wir, ob alternativ zum Sonntagmorgen der Gottesdienst auch mal am Abend eines anderen Wochentages stattfinden könnte. Andernorts im Kanton Zürich wurden mit einer solchen «Fyr­abig­chile» schon gute Erfahrungen gemacht.
Sie sind noch ziemlich jung. Ist das ein Vorteil?
Als Reaktion auf meinen Beruf höre ich manchmal: «Aber Sie sind doch noch so jung!» Dann frage ich mich einerseits, ob 35 wirklich noch so jung ist und andererseits ob manche ernsthaft glauben, dass Pfarrer im Moment der Ordination um zwanzig bis dreissig Jahre altern.
Ob mein Alter von Vorteil ist, weiss ich nicht. Ich möchte Pfarrer für alle sein – egal wie alt sie sind oder ich bin. Aber die Kirche steht womöglich vor einem grösseren Veränderungsprozess, weil sich die Gesellschaft schneller verändert, als sie es noch in den letzten Jahrzehnten getan hat. Wenn mein Alter mir hilft meiner Rolle als Pfarrer in dieser Veränderung immer wieder gerecht zu werden, dann bin ich gerne noch «so jung».

Fühlen Sie sich wohl in unserer Gemeinde?
Die Menschen, die mir in Schönenberg begegnen, geben mir das Gefühl, hier willkommen zu sein. Das ist nicht selbstverständlich für einen Ausländer in der Schweiz. Darüber bin ich sehr froh. Ja, ich fühle mich wohl hier und bin sehr gerne Pfarrer von und in Schönenberg.

Ingrid Eva Liedtke

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