Wädenswil

Von leeren Immobilien, kalten Betten und platzenden Blasen

stb- Das Problem der kalten Betten war bis anhin in der Schweiz ein Problem der Wintersportorte: Ferienwohnungen, die während dreier Jahreszeiten die einheimische Bevölkerung mit geschlossenen Fensterläden ärgern und nur während des Winters genützt werden. Doch mit leeren Häusern, leerstehenden Wohnungen und kalten Betten wird sich auch Wädenswil beschäftigen müssen.

Es wurde und wird viel gebaut am linken Zürichseeufer im allgemeinen und in Wädenswil im besonderen. Und vornehmlich im Luxussegment. Aber wo fängt der Luxus an?

Von der Pfnüselküste zur Silvercoast.

Die Preise sind in den letzten Jahren explodiert, ein einfaches Reiheneinfamilienhaus ist am linken Seeufer kaum mehr für unter 1 Million Franken zu bekommen. Auch wenn die Zinsen rekordtief verharren – nicht alle können oder wollen sich das leisten. Seesicht hat einen Preis bekommen, den längst nicht mehr alle zu bezahlen gewillt sind. Die Folge ist eine Abwanderung, vornehmlich des Mittelstandes. Viele ortsansässige Familien bezogen ihr neues Heim nicht in Wädenswil, auch nicht in der Au, sondern in Samstagern oder noch weiter bergauf in Einsiedeln, am Sihlsee oder gegen Zug hin in Menzingen oder Neuheim. Dort, wo Bauland günstig ist oder auch im Baurecht erworben werden kann.

Wer zieht nach?

Aber wer springt denn nun in die Bresche? Zugezogen sein dürften vor allem gut ausgebildete Deutsche oder sogenannte «Expats» – also von ausländischen Firmen an deren Schweizer Sitz gesandte Personen mit ihren Familien. Diese beziehen von ihrem Arbeitgeber gemietete Wohnungen. Nach ein, zwei Jahren verlassen diese die Schweiz wieder oder lassen sich fest hier nieder. Im zweiten Fall wechselt die Besteuerung von der Quellensteuer zur normalen Steuerpflicht und so überlegen sich wohl viele ernsthaft einen Umzug in den nahe gelegenen steuergünstigen Kanton Schwyz. Spätestens wenn sie die erste Steuerrechnung erhalten. So sind Mietwohnungen im oberen Preissegment einer erhöhten Fluktuation ausgesetzt – und die Leerstandsdauer dürfte länger sein als auch schon.

Der Verkauf von Hochpreis-Immobilien ist ebenso ins Stocken geraten. Einserseits bemerken die Immobilienhändler eine Übersättigung des Marktes, andrerseits tragen die Wirren an den internationalen Finanzmärkten nicht zur Kauffreude der angesprochenen Käuferschicht bei.
Der Verkauf der Wohnungen in den Peninsula-Beach-Häusern auf der Giessen-Halbinsel läuft nach wie vor schleppend; im «10 vor 10» auf SF1 vom 12. Dezember 2011 gewährte ein Immobilienhändler den Fernsehzuschauern einen Einblick in die noch nicht verkaufte, 3,35 Mio. Fr. teure Attika-Wohnung der Überbauung «Seeven» an der Tannstrasse im Wädenswiler Boller-Quartier. Der weitere Ausbau des ehemaligen Cardinal-Areals liegt auch auf Eis. Die goldenen Zeiten scheinen vorbei zu sein.

Schon im April 2010 äusserte Gemeinderat Heinz Wiher von der Grünen Partei seine Bedenken, «dass die Entwicklung auf der Halbinsel Giessen den momentanen Trend in Wädenswil zeige: Es verschwinde preiswerter Wohnraum für Familien und günstiger Gewerberaum für KMUs und werde in Luxuswohnungen mit Well­ness­oasen für eine sehr gut betuchte Klientel umgewandelt. Da es jetzt auch zunehmend schwieriger werde, so teure Wohnungen zu verkaufen, liessen die lnvestoren auf der Halbinsel Giessen sogar lnserate im russischen Raum schalten, um die Luxuswohnungen zu verkaufen. Wolle man in Wädenswil, dass russische Oligarchen mit ihren meistens leerstehenden Zweit- oder Drittwohnungen die schönsten Wohnlagen direkt am See in Wädenswil besetzen, notabene ohne hier Steuern zu zahlen und ohne am gesellschaftlichen Leben teil zu nehmen, oder wolle man, dass in Wädenswil Wohnungen gebaut werden, die für Familien mit mittlerem Einkommen erschwinglich seien?» votierte Wiher anlässlich einer Gemeinderatssitzung.
Leerstehende Häuser und Wohnungen wecken Begehrlichkeiten – doch bis anhin wurde Wädenswil von Hausbesetzungen noch verschont. Möglichkeiten für diese Szene gäbe es aber auch in Wädenswil – und wird es künftig wohl vermehrt geben.

Schlagzeilen machte im September 2011 die Besetzung eines Grundstückes mit Seeanstoss in Kilchberg. Das 4000 m2 grosse Grundstück gehört seit 2007 einem Kasachen, der sich seit Erwerb der Villa aber nie dort gezeigt hat. Die Besetzer räumten das Grundstück nach wenigen Tagen, die Villa aber wurde vom Schweizer Vertreter des Oligarchen unbewohnbar gemacht. Schon seit geraumer Zeit steht vis-à-vis des Cargill-/Blattmann-Areals (welches wiederum ja selbst in Luxuswohnungen umgebaut werden sollte) an bester Lage direkt am See eine Baubrache leer. Nur der schlechte Zustand verhinderte hier bis anhin wohl eine Besetzung. Die Stadt aber verhandelt hier schon seit geraumer Zeit über eine käufliche Erwerbung – bisher erfolglos, aber «wir bleiben dran», war aus dem Stadthaus zu vernehmen.
2012 wird allgemein als «wirtschaftlich schwieriges Jahr» eingestuft. Immerhin dürften so die Zinsen auf tiefem Niveau verharren, und das lang vorhergesagte Platzen der grossen Immobilienblase dürfte sich noch weiter herauszögern.

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