Richterswil

Wie Licht Wohlbefinden und Sicherheit beeinflusst

Im November 2023 fand in Richterswil ein Experiment bezüglich der Einwirkung auf den Menschen durch die Strassenbeleuchtung statt. Nun liegen die Ergebnisse vor.

Text: Reni Bircher

Strassenleuchten sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Im öffentlichen Raum schaffen sie Sicherheit und Orientierung in der Nacht. Doch das Kunstlicht beeinflusst nicht nur Insekten und andere Tiere, sondern auch die Gesundheit des Menschen.
Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) hat in Zusammenarbeit mit den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ) einen Versuch unternommen, die Auswirkung von künstlichem Licht auf Mensch und Umwelt zu messen, um die besten Optionen für eine nachhaltige Beleuchtung zu ermitteln.

Das Experiment

In Richterswil traten 77 Freiwillige zwischen 18–80 Jahren das Experiment an, bei dem es ausschliesslich um das Wohlbefinden und das Sicherheitsgefühl im öffentlichen Strassenraum ging, ausgelöst von der Strassenbeleuchtung.
Die Wissenschaftlerin Dr. Solène Guenat leitete das Experiment und teilte dazu die Probanden zufällig einer von drei Farbtemperaturen zu: warm (2700K), weiss (4000K) und kaltweiss (6500K). Zuvor füllten alle einen Fragebogen zu ihrem Wohlbefinden und Sicherheitsgefühl aus, ebenso wurde anhand einer Speichelprobe das Hormon Cortisol bestimmt, welches den Stresslevel beim Menschen anzeigt. Danach setzten sich die Teilnehmenden für 20 Minuten in den ihnen zugeteilten Lichtbereich, ohne sich zu unterhalten.
Dazu erklärte Guenat: «Das EKZ hat die Leuchten mit den LED-Lampen so präpariert, dass die unterschiedlichen Lichtfarben die ganze Zeit in der gleichen Stärke gebrannt haben.
Zudem wurde die Farbtemperatur je nach Tageszeit (zweimal Durchgänge täglich, einer um 18.30 Uhr und einer um 20.30 Uhr) und Tag geändert, um sicherzustellen, dass jede Farb-
temperatur in allen Strassen vorkam. Die Teilnehmenden wurden zufällig den Bedingungen (Farbtemperatur) zugeordnet und machten jeweils nur in einem Durchgang mit einer Farbtemperatur mit». Mit dieser Massnahme konnte die Wissenschaftlerin davon ausgehen, dass es nicht an der ausgewählten Strasse lag, ob das Sicherheitsgefühl der Probanden höher oder tiefer ausfiel.
Nach dem Experiment wurde erneut der Cortisol-Spiegel gemessen und der Fragebogen ausgefüllt.

Überraschendes Ergebnis

Spannenderweise förderte das Experiment zutage, dass die Menschen warmes Licht als angenehmer empfinden, der Körper sich unter kaltweissem Licht stärker entspannt.
Befragt nach ihren Präferenzen gaben die meisten Teilnehmenden an, dass das warme Licht angenehmer auf sie wirkte als das weisse und kaltweisse. Das kaltweisse wurde oft als blendend und zu intensiv empfunden, obwohl die Lichtstärke bei allen Lampen die gleiche war. Das Gefühl von Sicherheit und der selbstberichtete Stresslevel hingen nicht von der Lichtfarbe ab. Die Messung des Cortisol-Spiegels zeigte jedoch ein anderes Bild: Nach zwanzig Minuten unter kaltweissem Licht sank dieser bei den Teilnehmenden stärker als unter warmem. Grund dafür könnte sein, dass das kaltweisse Licht dem Tageslicht ähnlich ist. «Bei Tag fühlen wir uns sicherer als in der Nacht, das könnte der Grund sein, wieso der Stresslevel der Teilnehmenden unter dem kaltweissen Licht absank», sagte Guenat. Es existiert demnach ein Widerspruch zwischen Wahrnehmung und Körperreaktion. «Diese Diskrepanz zwischen Wahrnehmung und physiologischer Wirkung zeigt, dass bei der Planung der öffentlichen Beleuchtung in Städten Kompromisse nötig sind», so die Wissenschaftlerin weiter.
Für das kalte Licht spreche neben dem Stressaspekt allerdings die Tatsache, dass mit ihm Energie gespart werden könne – die kaltweissen Leuchten verbrauchen 30 Prozent weniger Strom als die warmen. «In der Schweiz haben sich heute an den meisten Orten Leuchten mit warmweissem Licht durchgesetzt. Diese bilden einen guten Kompromiss zwischen Energieeffizienz auf der einen und Akzeptanz auf der anderen Seite», meinte Jörg Haller, Leiter Öffentliche Beleuchtung & Smart-City bei EKZ.
Für den öffentlichen Raum zieht die Wissenschaftlerin folgende Schlüsse aus dem Experiment: Bei der Neuplanung von Strassenbeleuchtung sollten neben der Akzeptanz/dem Wohlgefühl der Bevölkerung auch die Energie-
ersparnis und der Schutz der Biodiversität berücksichtig werden, denn die perfekte Strassenbeleuchtung existiert nicht, es sind Kompromisse nötig.

Die Farbtemperatur beschreibt den Farbeindruck einer Lichtquelle und wird in Kelvin (K) gemessen; je niedriger der Wert, desto gelblicher und wärmer das Licht; je höher der Wert, desto bläulicher und kühler.

WSL: Forschen für Mensch und Umwelt in einer Welt im Wandel
Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL entwickelt wissenschaftsbasierte Lösungen für Wald, Landschaft, Biodiversität, Naturgefahren sowie Schnee und Eis in einer Welt im Wandel. Als Forschungsanstalt des Bundes und Teil des ETH-Bereichs verpflichtet sich die WSL zu Spitzenleistungen in Forschung und Umsetzung zum Wohle von Natur und Gesellschaft.

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