Wädenswil

Gastkommentar: Wenn «gut gemeint» zur ­Gefahr wird – das Dilemma der Elterntaxis

Morgens um acht vor dem Schulhaus Ort: Hupende Autos, geöffnete Kofferräume, Kinder mit Schulthek und Sporttasche zwischen Fahrzeugen – Alltag in vielen Quartieren. Auch in der Au sorgt der Schulweg derzeit für Diskussionen. Der Neubau der Turnhalle bringt zusätzliches Verkehrsaufkommen, und Eltern engagieren sich freiwillig als Lotsen, um den Kindern einen sicheren Weg zur Schule zu ermöglichen.
Doch trotz aller Bemühungen bleibt ein Problem bestehen – und es steht buchstäblich mitten auf der Strasse: die sogenannten Elterntaxis.
Gemeint sind jene Autos, mit denen Eltern ihre Kinder direkt vor das Schulhaus fahren – oft aus Sorge um die Sicherheit, manchmal aus Zeitdruck, gelegentlich aus Bequemlichkeit. Was gut gemeint ist, verschärft paradoxerweise genau das Risiko, das man eigentlich vermeiden möchte: Unübersichtliche Situationen, abruptes Halten, Rückwärtsfahren auf engem Raum. Die Alte Landstrasse, ohnehin schmal, wird dadurch schnell zur Gefahrenzone.
Die Stadtpolizei und die Schule haben klare Regeln: Halten ist beim «Bruder Klaus» erlaubt, nicht aber direkt vor dem Schulhaus. Doch wenige halten sich daran. Dabei wäre es so einfach – ein paar Minuten früher losgehen, vielleicht mit anderen Kindern gemeinsam laufen oder das Velo nehmen. Kinder gewinnen dadurch Selbstständigkeit, Eltern ein gutes Gefühl, und die Verkehrssituation entspannt sich merklich.
Die Erfahrungen der letzten Wochen zeigen: Wenn Gemeinschaft funktioniert, kann Sicherheit entstehen. Der von Eltern organisierte Lotsendienst beweist eindrücklich, was möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen. Gleichzeitig verdeutlicht die Situation aber auch, dass Einzelentscheidungen unmittelbare Folgen für alle haben.
Verkehrssicherheit beginnt nicht mit neuen Schildern oder Bussen, sondern mit Haltung – mit Rücksicht, Vertrauen und dem Bewusstsein, dass Kinder lernen müssen, sich sicher im Strassenverkehr zu bewegen. Wer sie jeden Tag mit dem Auto bis vor die Tür bringt, nimmt ihnen genau diese Chance.
Vielleicht ist jetzt der richtige Moment, das Steuer ein Stück weit loszulassen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
(Elternrat Au, Team Schulwegsicherheit)

Der Wädenswiler Anzeiger veröffentlich seit einiger Zeit keine Leserbriefe mehr, da auf an­gesprochene Themen oder angegriffene Personen, etwa im Vorfeld von Abstimmungen oder Wahlen, nicht mehr zeitnah reagiert werden konnte. Als Ausgleich schaffen wir die Kolumne «Gastkommentar», in der wir ausgewählte Einsendungen veröffentlichen.

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