Richterswil

Rundum zufriedene Gesichter am Jubiläumsfest der Zürichseebahn

Das Grossevent zog am Wochenende vom 27. und 28. September zahlreiche ­Interessierte, Nostalgiker und Zugfans jeden Alters an.

Text & Bilder: Reni Bircher

Bereits vor der offiziellen Eröffnung standen am Samstagmorgen Zuschauer bereit, als die altehrwürdige Dampftenderlok Eb 3/5 5819 in Richterswil einfuhr und beim Güterschuppen für die Besichtigung platziert wurde. Nach der offiziellen Ausrangierung 1967 wurde die 5819 zwischen 1975 und 1976 in der Depotwerkstätte Zürich wieder fahrfähig hergestellt. Die betriebsfähige Lokomotive gehört zum Bestand der SBB Historic. Von dem mit Spitznamen «Habersack» geführtem Koloss gibt es nur noch zwei Exemplare.
Nach und nach fanden sich Besucherinnen und Besucher am Bahnhofsgelände ein, bewunderten die historischen Loks und Zugwagen oder winkten solchen als Shuttle unterwegs hinterher – natürlich mit heruntergelassenen Fenstern, wie das früher noch möglich war.
In genau solch einem Bahnwagen begrüsste der 1998 gegründete Verein «Railvetica» alle, die ihren Durst stillen wollten. Während rund 5000 Arbeitsstunden wurde der 1930 gebaute und innen holzverkleidete SBB-Wagen zum Gesellschaftswagen mit Bar und Tischen umgebaut. André Schönenberger, Lokomotivführer und technischer Leiter beim Verein, betont, dass der Wagen für diverse Anlässe umgebaut werden kann. Egal, ob Ausstellung, Meeting, Kino … es ist so gut wie alles möglich.
Momentan baut «Railvetica» den erworbenen Postwagen in eine Gastroküche um, damit bei einem Event nicht auf den kulinarischen Genuss verzichtet werden muss.

Ein Fest für alle

Formschöne alte Busse, Postautos oder Doppeldecker übernahmen die Shuttlefahrten zwischen Wädenswil und Richterswil – ein ausgiebig genutzter Service. Manch historisch gekleideter Busfahrer liess bei der Anfahrt das Horn erklingen und begrüsste mit Begeisterung die neuen Gäste.
Zwischen den gut frequentierten Foodständen bummelte die kleine Park-Dampfbahn mit Kindern und Eltern im Schlepptau. Auf dem Parkfeld Richtung Badi durften historische Feuerwehrfahrzeuge bestaunt werden. Ihnen gegenüber auf den Gleisen befand sich ein beeindruckender, mehrere Tonnen schwerer Lösch- und Rettungszug der SBB. Auf den Datenblättern liess sich ablesen, welche Ausrüstung und Arbeitsmodule die Wagen aufweisen und welche Aufgaben diese bewältigen können.
Auf demselben Gleis hatten die Veranstalter Lokomotiven nach Baujahr aufstellen lassen, sowie eine Job-Lok mit Stand, wo sich vor allem junge Menschen über den Beruf des Lokführers und den Bewerbungsprozess informieren konnten.

Trainspotter

Manchmal erblickt man auf der Hornbrücke oder am Ende des Perrons mit Fotoapparaten bewehrte Personen. Diese sogenannten Trainspotter – man könnte sie auch «Zugjäger» nennen – kamen an diesem Wochenende sicher auf ihre Kosten.
Spannenderweise befinden sich darunter viele Jugendliche, so wie der 16-jährige Fabio aus Richterswil. Er hatte sich mit seinen Kollegen Noah (15) und Jannick (16) vor der Ae 3/6I postiert, die Smartphones und Fotoapparate auf Stativen Richtung Geleise gerichtet. Immer wieder checkten sie ihr Handy, dann der Ausruf: «Er kommt gleich!». Kurz darauf bog die historische Lok um die Kurve, hinter sich die alten Personenwagen mit zahlreichen winkenden Gästen.
Jannick hat bereits mit 8 Jahren begonnen Züge zu fotografieren, «infiziert» durch seinen Urgrossvater, der Lokführer war. «Durch ihn kam die Inspiration, dass ein Zug eben mehr als nur ein Transportmittel ist.»
Diesen Winter sind es für Noah dann zwei Jahre, seitdem er sich als Trainspotter betätigt.
Fabio filmt Züge seit der 6. Klasse, in der 1. Sek begann er, die Fotos und Filme auf den Sozialen Medien zu veröffentlichen. «Ich mag es, die Züge zu filmen», erklärte er. Zur Erinnerung, um es sich immer wieder anzuschauen. «Und ich teile meine Leidenschaft gerne mit anderen Menschen.» Jannick und Noah hat er über TikTok kennengelernt, aber die Zugfans sind auch einer WhatsApp-Gruppe angegliedert, welche immer die neusten Informationen über bevorstehende Ereignisse teilt. Für die Trainspotter der Moment, die beste Zugsverbindung dorthin zu ermitteln.

Für die Ewigkeit gebaut

Zur Krönung des Bahnfestes gehörten die Sonderfahrten mit den Dampfschiffen «Stadt Zürich» und «Rapperswil». Am Hafen oder auch unterwegs grüssten sich die historischen Lokomotiven und die Dampfer gegenseitig, Begleitmusik zum Schnaufen und Dampfen der Maschinen.
Das absolute Tüpfelchen auf dem i in Richterswil war die Inbetriebnahme der beiden Stationsglocken vor dem Bahnhofsgebäude. Wenn sie erklangen, drehten sich die Wartenden ungläubig und strahlend danach um, überrascht, falls das erste Mal gehört, oder in Erinnerung, da es früher üblich war.
Das Spindelläutwerk für die Züge, welche von Wädenswil her einfahren, hat nur eine Klangfarbe, die Glocke auf Bächer Seite ist zweitönig. «Das liegt daran, dass der Anschlaghammer auf den Seiten unterschiedlich geformt ist», erklärt Thomas Frisch. Ihm ist es zu verdanken, dass die Stationsglocken nach über 40 Jahren Stillstand ihren Dienst wieder verrichteten – wenn auch nur für zwei Tage und mit etwas elektronischer Unterstützung. Frisch ist ein Bahnfan und Sammler zahlreicher Artefakte, die damit in Zusammenhang stehen. Diese Leidenschaft brachte ihn dazu, den Event-Organisatoren anzubieten, die Glocken auf dem Perron 1 in Stand zu stellen. Dabei halfen ihm sein technisches Verständnis und der Griff in die Trickkiste. Und so oblag es dem ehemaligen ZSG-Matrosen und Sicherheitswärter bei Vanoli, vor jeder Zugseinfahrt das entsprechende Läutwerk in Gang zu setzen und die Wartenden damit zu erfreuen.
Wenn man die Gesichter der Menschen betrachtete, die an diesem Wochenende das Open-air-Festgelände besuchten, Altes neu oder wiederentdeckt haben, so schienen sie erfreut und entspannt – ganz einfach zufrieden.

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