Wädenswil

Es ist nie zu spät, einen Traum zu leben!

Zwei Seniorinnen und ein Senior und ihre Lehrpersonen im Gespräch mit dem Musikschulleiter zum Thema «Musikunterricht».

Die heutige Generation der Seniorinnen und Senioren hat Zeit, ist oft physisch und geistig in sehr guter Verfassung und hat in der Regel ­keine materiellen Sorgen. So können sie sich einen lang gehegten Wunsch erfüllen oder sich einer Leidenschaft aus früheren Jahren widmen.
Früher war es nicht einfach, Musikunterricht zu besuchen. Wenn es doch möglich war, wurde das Instrument gespielt, das die Familie schon besass, oder man ging zu einer Lehrperson, die man aus dem näheren Umfeld kannte. In den Blasmusiken war es üblich, dass die fortgeschrittenen Mitglieder den Jüngeren Gruppenunterricht erteilten. Den Zugang zu praktisch allen Instrumenten und Gesang mit professionellen Lehrpersonen zu haben, war undenkbar.
Es war auch nicht immer so, dass die Mädchen spielen konnten, was sie wollten. Heute ist die Zeit liberaler und trotzdem braucht es Mut, als Seniorin, die zuerst Örgeli spielte, noch Schlagzeug zu lernen!

Nicht jedes Instrument kann bis ins hohe Alter gespielt werden. Blechblasinstrumente sind beispielsweise physisch relativ anstrengend. Damit im reifen Alter aber nicht auf das Musizieren verzichtet werden muss, ist es nie zu spät, ein neues Instrument zu lernen. Klavier ist zum Beispiel nicht besonders anstrengend und kann mehrstimmig gespielt werden. Links werden die Akkorde gedrückt und rechts zaubert man einen Evergreen oder gar eine eigene Melodie darüber.

Musik schafft Lebensfreude

Wenn man in diesem Alter ein neues Instrument lernt oder einfach in den Musikunterricht geht, steht selbstverständlich keine grosse Karriere im Zentrum. Es geht um die Freude! Sich selbst etwas Gutes zu tun und anderen eine Freude zu bereiten. Auch wenn die Leistung nicht im Zentrum steht, ist es doch sehr motivierend und beglückend, wenn ein Stück erarbeitet oder eine technische Herausforderung gemeistert wurde. Es kann durchaus vorkommen, dass auch lebenserfahrene Menschen ungeduldig werden und eine Stelle zu schnell üben. Ehrgeiz ist wohl alters­unabhängig.
Erwachsene haben einen anderen Zugang zum Musikunterricht. Man hat sich bewusst dafür entschieden. Als Kind ist das Üben Teil des Tagesablaufs. Im Pensionsalter ist man frei zu entscheiden, wann und wie lange geübt werden soll. Oft ist es eine Stunde oder sogar noch länger! Musizieren ist ein toller Ausgleich, dessen positive Ausstrahlung den ganzen Tag anhält.
In diesem Alter wird Flexibilität gross geschrieben. Mit dem Abo-System der Musikschule kann der Unterricht flexibel gestaltet werden. Die ­Ferien sind nicht an die Schulferien gebunden, und bei schönem Wetter soll einem spontanen Ausflug nichts im Wege stehen.

Musizieren fördert die Gesundheit

Abgesehen davon, dass Musizieren an sich eine wunderschöne Tätigkeit ist, hat es auch positive «Nebenwirkungen». Da viele Sinne angesprochen sind und motorisch komplexe Abläufe stattfinden, hält Musizieren jung. So kann beispielsweise Arthrose vorgebeugt werden oder Demenz setzt später ein. Auswendig spielen braucht in fortgeschrittenem Alter vielleicht etwas mehr Zeit, aber es ist möglich und hält fit. Schliesslich sind es beim Klavier zwei Hände, zwei Notensysteme und zwei Notenschlüssel! Musik hat überhaupt eine positive Wirkung auf das Lebensgefühl. Eine Schülerin sagt: «Nach den Lektionen fühle ich mich immer so gut!»

Lernen lebt von Beziehung

Die Beziehung zur Lehrperson ist für den Lernerfolg die wohl wichtigste Grundlage – bei allen Menschen. Für Seniorinnen und Senioren wird dieser Aspekt nochmals zentraler. Man möchte eine gute Zeit erleben und von motivierten und fähigen Pädagoginnen und Pädagogen begleitet werden. In den Gesprächen wurden die Lehrpersonen genau in diesen Punkten besonders gelobt. Die entgegengebrachte Wertschätzung, das Abholen der Lernenden mit ihren Wünschen und Vorstellungen sowie das grosse Können und Wissen der Lehrperson sind dabei wichtige ­Aspekte.

Aus dem Blickwinkel der Lehrpersonen

Selbstverständlich ist die Arbeitsweise bei Senioren anders als bei Kindern oder Jugendlichen. Allein schon, weil es ein bewusster Wunsch ist, Musikunterricht zu nehmen. Die Lernenden sind motiviert und nehmen sich zu Hause Zeit. Das Arbeiten geht mehr in die Tiefe als in das schnelle Vorwärtskommen. Der Austausch ist auf Augenhöhe, Wünsche und Vorstellungen werden geklärt, um Enttäuschungen zu vermeiden. Für die Arbeitsweise ist es auch relevant, ob jemand eine musikalische Vorbildung mitbringt. In jedem Fall sollen die Lernenden den Prozess geniessen können. Dabei muss die Lehrperson subtil führen, die Stücke und Übungen gut auswählen, um eine Überforderung zu vermeiden. Kinder probieren einfach aus, während Erwachsene mehr reflektieren und meist eine Vorstellung vom Ergebnis haben. Dies ist jedoch nicht immer förderlich. Hier ist ein Prozess notwendig, um wieder ins spielerische Ausprobieren zu kommen. Wenn eine Fragestellung mehr Zeit in Anspruch nimmt, muss die Lehrperson fantasievoll sein, um das Thema noch von einer anderen Seite anzupacken. Oft stehen der Ausdruck und das Erleben der Musik mehr im Zentrum als die Wiedergabe eines Stücks in seiner originalen Version. Musik ist Kommunikation, Kommunikation mit sich und mit der Musik!
Für die Lehrpersonen ist der Unterricht mit Senioren eine geschätzte Abwechslung und eine wertvolle Bereicherung. Sie haben Respekt vor einem langen Leben voller Lebenserfahrung und mit vielen Erfolgen in den verschiedensten Gebieten. Gleichzeitig bewundern sie den Mut, in fortgeschrittenem Alter noch einmal etwas Neues anzufangen.

An den Gesprächen beteiligten sich Christina Isenring, Christina Uetz und Peter Ramseyer (Lernende), Anna Heusler, Lukas Landis und Ralf Peter (Lehrpersonen) und Martin Albrecht (Musikschulleiter).

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